Intelligentes Zuhause

Steigende Kosten bei Strom und Gas befeuern den Smart-Home-Markt. Immer mehr Menschen setzen auf intelligente Steuerung in den eigenen vier Wänden, ein neuer Standard könnte Sicherheitsbedenken ausräumen.

Illustration: Nicole Pfeiffer
Illustration: Nicole Pfeiffer
Julia Thiem Redaktion

Es ist so abgedroschen wie wahr: In jeder Krise steckt auch immer eine Chance. Und so schiebt die anhaltende Energiekrise gerade den Smart-Home-Markt ordentlich an. In einer aktuellen Studie rechnet die Strategieberatung Oliver Wyman vor, dass der Markt für Smart-Home-Produkte in Deutschland zwischen 2017 und 2021 bereits von knapp 2,4 Milliarden auf 5,5 Milliarden Euro gewachsen ist: ein Plus von rund 22 Prozent. Schon in dieser Zeitspanne zeigt sich: Die Produktkategorie Energie hat mit 24 Prozent überdurchschnittlich zugelegt. Und genau hier stecke zudem noch jede Menge Potenzial, konstatiert Martin Schulte, Partner und Konsumgüterexperte bei Oliver Wyman: „Während 27 Prozent der deutschen Haushalte über smarte Haustechnik verfügen, haben erst elf Prozent ein Gerät zum intelligenten Umgang mit Energie im Einsatz. Diese Durchdringung wird mit der Preisexplosion für Strom und Gas rasch ansteigen.“

Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine repräsentative Befragung des Digitalverbands Bitkom. Demnach sei die Zahl der Menschen, die mithilfe intelligenter Anwendungen die Energieeffizienz in den eigenen vier Wänden steigern wollen, deutlich gestiegen. So nutzen mittlerweile 25 Prozent der Bundesbürgerinnen und -bürger smarte Heizkörperthermostate, die die Temperatur abhängig davon regeln, ob beispielsweise gerade gelüftet wird oder was die Wettervorhersage sagt. Damit lassen sich bis zu 31 Prozent Energie im Vergleich zur konventionellen Heizung einsparen, wie der Anbieter Homematic IP in einem Pilotprojekt an den Berufsbildenden Schulen in Leer, Ostfriesland, zeigen konnte. Und durch die einfache Nachrüstung von intelligenten Heizkörperthermostaten und Fensterkontakten konnten die CO2-Emissionen dort um fast ein Drittel gesenkt werden; ohne aufwendige und teure Sanierungsmaßnahmen oder gar Neubauten.

Illustration: Nicole Pfeiffer
Illustration: Nicole Pfeiffer

Auch wenn die Heizkosten gerade Priorität haben: Smart Home ist in vielen Bereichen auf dem Vormarsch, wie die Bitkom-Umfrage weiter zeigt. Intelligente Rollläden oder Markisen, die sich bei starker Sonneneinstrahlung automatisch herunterfahren und so für Kühlung sorgen, setzt ein Fünftel der Befragten ein (21 Prozent) – 2021 waren es noch 13 Prozent. Ebenfalls ein Fünftel (21 Prozent) nutzt smarte oder WLAN-Steckdosen, um Stand-by standardmäßig zu vermeiden (2021: 16 Prozent). Und 13 Prozent verfolgen ihren Verbrauch über intelligente Zähler (2021: 8 Prozent). „Smart-Home-Technologien können einen ganz konkreten Beitrag dazu leisten, weniger Heiz-
energie und Strom zu verbrauchen. Sie sind sehr viel mehr als eine technische Spielerei. Sie steigern die Energieeffizienz, sorgen für mehr Sicherheit und erhöhen schließlich auch den Komfort und die Lebensqualität im eigenen Zuhause“, sagt Bitkom-Präsident Achim Berg. „Intelligente Heiz- und Kühltechnik lohnt sich dabei nicht nur für Hausbesitzerinnen und -besitzer. Auch in Mietwohnungen können smarte Thermostate mit wenigen Handgriffen installiert und bei einem Umzug einfach mitgenommen werden.“
 

»Richtig spannend wird Smart Home, wenn das Zuhause erst einmal komplett vernetzt ist.«
 

Richtig spannend wird Smart Home übrigens, wenn das Zuhause erst einmal komplett vernetzt ist, also der Saugroboter wirklich dann startet, wenn das Türschloss signalisiert, dass Wohnung oder Haus leer sind. Oder wenn das E-Auto geladen wird, sobald der Smart Meter das Go dazu gibt, weil Strom gerade besonders günstig ist. Bisher scheiterte diese Art der konzertierten Aktion an fehlenden Schnittstellenstandards. Jeder Anbieter hat bis dato an seinem eigenen Süppchen gekocht. Aber wie in allen Branchen, wenn die digitale Transformation erst einmal an Fahrt gewinnt, kommt die Erkenntnis dann doch – meist mit ein wenig Unterstützung vonseiten der Verbraucherinnen und Verbraucher, die mit ihrer Nachfrage den Weg weisen. So haben sich alle großen Smart-Home-Anbieter wie Apple, Amazon, Google Eve oder Ikea auf den Plattform-Standard Matter geeinigt. Selbst für ältere Smart-Home-Technik soll ein Matter-Update und damit eine lückenlose Kommunikation möglich sein. Also Vorsicht: Der Ikea-Spiegel kann Alexa dann beauftragen, Anti-Falten-Creme auf die Shoppingliste zu setzen – oder so ähnlich.

Ob Matter allerdings das Maß aller Dinge bleiben wird, muss sich zeigen. Der Nachteil des Standards: Bei WLAN-Anbindung greift Matter ebenfalls auf die meist ohnehin schon stark genutzte 2,4-GHz-Frequenz zurück. Wer also viele Geräte über WLAN laufen hat, muss unter Umständen mit Störungen rechnen. Bislang sind die Prognosen für Matter als neuen Standard dennoch gut. US-Marktforscher ABI Research rechnet damit, dass bis 2030 jährlich 1,5 Milliarden Matter-zertifizierte Geräte ausgeliefert werden. Wo Matter allerdings besonders punkten will, sind Datenschutz und Sicherheit. Basis für die IT-Sicherheit ist das PKI-Verschlüsselungsverfahren, kurz für Public Key Infrastructure, das Anwender auch von Webservern kennen, deren Adresse mit https:// beginnt.

Auch Befehle zwischen den Geräten werden ausschließlich verschlüsselt ausgetauscht. Und damit sich kein „faules Ei“ einschleicht, wird jedes Matter-Gerät mit einem individuellen Zertifikat ausgeliefert, dass in einer Datenbank hinterlegt ist und jederzeit abgeglichen werden kann. Der Clou: Die Datenbank ist Blockchain-basiert, liegt also dezentral verteilt auf vielen Servern und ist damit nach heutigen Standards fälschungssicher. Auch Software-Updates der Hersteller sollen in dieser Datenbank vermerkt werden, sodass Hacker keine Chance haben, unentdeckt Schadsoftware zu installieren.

Vielleicht sorgt Matter auf diese Weise dafür, dass der Smart-Home-Markt noch schneller wächst. Denn laut Bitcom-Befragung geben die Menschen, die keinerlei smarte Geräte in ihrem Haushalt haben, häufig Sicherheitsbedenken als Grund an. Fast die Hälfte der Nicht-Nutzerinnen und -Nutzer (47 Prozent) fürchtet sich vor Hacker-Angriffen. 37 Prozent haben Angst vor dem Missbrauch ihrer persönlichen Daten und 29 Prozent sorgen sich um ihre Privatsphäre. Mit Matter könnten auch diese Menschen in ihrem Smart Home in Zukunft ruhig schlafen.
 

Nächster Artikel