Deutschland vollzieht die Energiewende bereits in großen Schritten. Das Ende der Atomkraft wurde eingeleitet, fossile Energieträger – vor allem Kohlekraftwerke – werden künftig ebenfalls zurückgedrängt und vor allem Erneuerbare Energien sollen den Bedarf decken. Auf dem Weg dorthin sind allerdings noch einige Hürden zu nehmen. Bislang erzeugen große Kraftwerke permanent Energie. Je größer der Anteil Erneuerbarer Energien wird, desto dezentraler wird die Versorgung: Windkraftanlagen und Sonnenkollektoren boomen. Der Output dieser vielen kleinen Produzenten ist aber unregelmäßiger als bei herkömmlichen Kraftwerken. Denn Sonne und Wind stehen nicht immer in gleichem Maße und nicht berechenbar zur Verfügung. Das stellt eine technische Herausforderung dar.
Neben der verstärkten Nutzung regenerativer Energiequellen für die Stromerzeugung sind die Hauptmerkmale der Energiewende „neue Speichertechnologien und die Wiederkehr dezentraler Versorgungskonzepte“, so die Studie „Virtuelle Kraftwerke als wirkungsvolles Instrument für die Energiewende“ der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC). Sogenannte virtuelle Kraftwerke sollen künftig beim Umbau der Infrastruktur eine zentrale Rolle spielen. Der Begriff umschreibt die zentrale Steuerung mehrerer Energieerzeugungsanlagen. Die technische Einheit dieser dezentralen Einzelanlagen befindet sich lediglich in der zentralen Steuerung und der dazugehörigen IT – daher rührt die Bezeichnung virtuell. „Die Aufgabe besteht darin, zwischen Erzeugern, Verbrauchern und Netzkomponenten für die Optimierung der Lastflüsse und Prozesse im Energiesystem zu sorgen und so maßgeblich zur Netzstabilität beizutragen“, erläutert Volker Breisig, Partner im Bereich Energiewirtschaft bei PwC. „Mittel- bis langfristig ist aufgrund des technologischen Fortschritts und des Energiekonzepts der Bundesregierung davon auszugehen, dass virtuelle Kraftwerke zum festen Bestandteil des Energiemarktes werden.“
„Eine technische Herausforderung stellen bei Virtuellen Kraftwerken die Schnittstellen zwischen den verschiedenen Anlagen dar, die bislang noch nicht standardisiert sind“, sagt Kurt Rohrig, Bereichsleiter Energiewirtschaft und Netzbetrieb am
Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik. Der Wissenschaftler hat mit seinem Team ein regeneratives Kombikraftwerk entwickelt, das nicht nur an diesem Punkt Lösungen realisiert. Der Fokus des 2014 abgeschlossenen Projekts lag auf Versorgungssicherheit mit Erneuerbaren Energien. „Dafür ist ein koordinierter Betrieb der Anlagen notwendig“, so Rohrig. „Die Vorteile der Photovoltaik – sie erzeugt in der Regel dann am meisten Strom, wenn er um die Mittagszeit auch gebraucht wird – und der weitgehend frei regelbaren Biogas-BHKW bei der Steuerung und Koordinierung der Anlagen müssen gezielt berücksichtigt werden.“
Eine weitere vielversprechende Systemlösung ist Power to Gas: In Zeiten besonders hohen Inputs erneuerbarer Energie fließt der Strom nicht direkt in das Netz, sondern wird in Wasserstoff oder Methan umgewandelt und im Erdgasnetz gespeichert. Aufgrund der großen Speicherkapazität des Erdgasnetzes und der daran angeschlossenen Erdgasspeicher bietet Power to Gas ein hohes Potenzial für die Speicherung großer Energiemengen. Bei Bedarf kann das mithilfe dieses Verfahrens produzierte erneuerbare Gas etwa in Gaskraftwerken oder Blockheizkraftwerken wieder verstromt werden. Das Gas kann auch als Brennstoff für die Wärmeversorgung genutzt werden. Besonders effizient ist dies, wenn dabei Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen eingesetzt werden.
Die Verstromung von Erdgas spielt mittlerweile auch beim Endkunden eine immer wichtigere Rolle. Moderne Heizungen können seit kurzem serienmäßig mit der sogenannten Brennstoffzellentechnik ausgestattet werden. Der im Erdgas enthaltende Wasserstoff reagiert dabei mit Sauerstoff, es entstehen Strom und Wärme. Das spart auf der einen Seite Energiekosten, denn der selbst produzierte Strom liegt deutlich unter Marktpreis. Und das Heizen wird deutlich ökologischer, da im Unterschied zu Verbrennungsmotoren, die schon lange für die Kopplung von Kraft und Wärme eingesetzt werden, kaum schädliche Abgase entstehen und auch der CO2-Ausstoß deutlich unter dem einer klassischen Heizung liegt. Hinzu kommt: Der Wirkungsgrad von Brennstoffzellen ist deutlich höher, da keine Mechanik in Bewegung gehalten werden muss. Die Anschaffung solcher Systeme ist noch recht teuer. Aktuell wird über eine bundesweite Förderung der Technologie nachgedacht – durchaus auch im Sinne des „Nationalen Aktionsplans Energieeffizienz“, der im Dezember 2014 von der Bundesregierung beschlossen wurde und dessen Ziel es ist, den Primärenergieverbrauch bis zum Jahr 2020 gegenüber 2008 um 20 Prozent zu senken und bis 2050 zu halbieren.
Erneuerbare Energien effizient zu speichern, bis sie benötigt werden, ist die zweite große Aufgabe im Rahmen der Energiewende. In den letzten Jahren ist dazu verstärkt geforscht worden. Deutsche Forschungseinrichtungen und Unternehmen sind daran maßgeblich beteiligt, so dass nun Kernkomponenten wie Elektroden, Elektrolyte, Membranen, Stacks oder auch komplette Batterien entwickelt wurden und als Produkte auf den Markt kommen.
„Neben anderen Technologien ermöglichen insbesondere Redox-Flow-Batterien die dezentrale Energiespeicherung im Bereich von einigen kW bis MW über mehrere Wochen und darüber hinaus ohne nennenswerte Verluste“, sagt Jens Noack. „Der Wissenschaftler entwickelt am Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie solche Batteriespeicher für die Energiewende. Wirtschaftlich machten solche Speicher allerdings mehr Sinn, wenn Sie häufig geladen und entladen werden, also nur eine Zwischenspeicherung von einigen Stunden aufweisen. „Ihre Vorteile sind die große und flexible Speicherkapazität, potentiell niedrige Speicherkosten und eine lange Lebensdauer.“