Wege zur Wärmewende

Um die Klimaschutzziele zu erreichen, passiert im Wärmebereich noch zu wenig. Geringerer Verbrauch und höhere Effizienz sind vonnöten. Forscher arbeiten an neuen Technologien.
Waermewende
Illustration: Friederike Olsson
Lars Klaaßen Redaktion

Deutlich mehr als die Hälfte der eingesetzten Energie in Deutschland wird in Form von Wärme benötigt. Allein der Hausbereich trägt zu etwa einem Drittel des gesamten Energiebedarfs in Deutschland bei. „Im Hinblick auf die Klimaschutzziele hinkt der Wärmebereich bisher hinterher“, mahnt Norbert Schwieters, Leiter Energiewirtschaft bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC). „Wir brauchen dringend neue Impulse, um die Entwicklung positiv zu beeinflussen.“ 

 

In der Kurzstudie „Wärme innerhalb des Energiewende-Outlook“ hat PwC im vergangenen Jahr anhand einer Reihe von Szenarien durchgerechnet, wie die Klimaschutzziele erreicht werden könnten. Das ambitionierte Ziel der Energiewende lautet: die CO2-Emissionen sollen bis 2050 gegenüber 1990 um 80 bis 95 Prozent gesenkt werden. Seit dem Jahr 2011, als die Bundesregierung die Energiewende ausgerufen hat, geht die Entwicklung aber eher in die entgegengesetzte Richtung. Die CO2-Emissionen sind 2013 sogar um knapp neun Prozent auf 382 Millionen Tonnen gestiegen.

 

Die wichtigsten Stellschrauben, um die Klimaschutzziele zu erreichen, sind der PwC-Studie zufolge: Energieverbrauch senken, Wirkungsgrade der Wärmeerzeuger erhöhen und Energieträger nutzen, die weniger CO2-Ausstoß verursachen. Unterstellt man eine jährliche Sanierungsrate des Gebäudebestands von einem Prozent und eine Abrissquote von 0,3 Prozent, was die bisherige Entwicklung und bis jetzt beschlossene Maßnahmen berücksichtigt, kommen die  PwC-Experten zum Ergebnis, dass der Endenergieverbrauch bis 2050 im Vergleich zu 2014 um 17 Prozent sinken würde. Damit ließen sich die CO2-Emissionen aber lediglich um 45 Prozent reduzieren. Das Klimaschutzziel wäre damit weit verfehlt. Der Ausbau von Erdgas- und KWK-Anlagen etwa könnte laut Studie das Ergebnis bis 2050 um 3,2 Prozent verbessern. Ein höherer Biogas-Einsatz würde die CO2-Emissionen bis dahin um weitere 11,6 Prozent sinken lassen.

 

Der Bundesverband der deutschen Heizungsindustrie (BDH) weist auf „erhebliche Hindernisse“ für den beschleunigten Abbau des Modernisierungsstaus im Gebäudebestand hin: So fehlten die von Politik und Wirtschaft seit Langem geforderten steuerlichen Anreize für die Umsetzung der Doppelstrategie aus Energieeffizienz und Erneuerbaren Energien. „Die langfristige Ausrichtung der ‚Energieeffizienzstrategie Gebäude‘ auf das Jahr 2050 ist verständlich, sollte aber nicht den Blick verstellen für die unmittelbar anstehenden kurzfristigen und mittelfristigen Herausforderungen“, so BDH-Geschäftsführer Andreas Lücke. „Hierzu zählen insbesondere die rasche Steigerung der Austauschquote veralteter Heizungsanlagen und die Wiederbelebung des schwächelnden Marktes der Erneuerbaren Energien im Wärmemarkt.“ 

 

In rund 50 Prozent der Wohnungen in Deutschland wird mit Erdgas geheizt. Dort ist das Potenzial, alte Anlagen durch neue effiziente zu ersetzen also besonders groß. „Erdgas hat unter allen fossilen Energieträgern durch seinen geringen CO2-Ausstoß bei der Verbrennung und hohe Wirkungsgrade eine hervorragende CO2-Bilanz“, so der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Erdgassystemlösungen leisteten einen wesentlichen Beitrag zur sozialverträglichen Modernisierung im Heizungsbestand. Die heutige Technologie böte außerdem „wesentliche Lösungen zur weiteren Integration der Erneuerbaren in die Wärme- und dezentrale Energieversorgung sowie zur Hebung von Effizienzpotenzialen“, führt der BDEW aus. „So lassen sich moderne Erdgasanwendungen einfach mit Solarthermie oder Bio-Erdgas kombinieren.“

 

„Für den Wärmebereich sind innovative Ansätze notwendig“, betont Marc Linder Fachgebietsleiter Thermochemische Systeme am DLR – und meint damit grundsätzlich neue technologische Ansätze. „Einer davon könnte die Speicherung in Kalk sein.“ Das Material ist sehr günstig und kann sehr große Mengen an Wärme speichern. „Ein Großteil davon lässt sich zudem verlustfrei speichern“, so Linder. Ein weiterer Vorteil: Der Reaktionspartner dieser thermochemischen Reaktion mit Kalk ist nur Wasser. Eine Testanlage betreiben die Forscher bereits erfolgreich. 

 

Um die Wärme der Sonne zu speichern, gehen Forscher des Fachbereichs Umweltsystemmodellierung und Monitoring am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in den Untergrund. Sie arbeiten unter anderem auf dem Gebiet der „flachen“ Geothermie, das ist der Bereich bis 100 Meter unter der Erdoberfläche. In hiesigen Breiten liegt die Temperatur dort ganzjährig bei etwa 10 Grad Celsius. „Die Böden eignen sich zum Teil sehr gut, um dort Wärme oder auch Kälte zu speichern“, erläutert Thomas Nagel, Gruppenleiter am Department Umweltinformatik. „Wird ein Haus zum Beispiel im Sommer gekühlt, entzieht man ihm Wärme, die dann ins Erdreich geleitet wird.“ Die Temperatur des Bodens verändert sich entsprechend. Das kann verschiedene Effekte haben, die sich zudem gegenseitig beeinflussen: Strömungen im Grundwasser etwa oder auch chemische Prozesse. Die Forscher entwickeln ein Programm, das im Vorfeld simuliert, welche Effekte an welchen Orten bei bestimmten Eingriffen eintreten werden.

 

Ein Prinzip, das die Wärmewende deutlich voranbringen könnte – und das in der Praxis schon erfolgreich eingesetzt wird – lautet „Power-to-Heat“: Die Stadtwerke Münster nutzen dieses Prinzip seit kurzem, das ähnlich wie ein Kochtopf funktioniert. An den Innenwänden eines Kessels sind Elektroden angebracht, zwischen denen Strom fließt – Überschüsse aus Windkraftanlagen. Diese Energie erhitzt das Wasser, welches wiederum in einen Wärmespeicher mit acht Millionen Liter Fassungsvermögen geleitet wird. Die Anlage ist an das Gas- und Dampfturbinen-Heizkraftwerk der Stadtwerke angeschlossen. Immer, wenn überschüssige Windkraft zu Verfügung steht, fließt dieser grüne Strom indirekt in die Fernwärmeerzeugung. Auch auf solch einem Weg also lässt sich die Wärmewende voranbringen. An sauberer Energie mangelt es zumindest nicht, sie muss nur genutzt werden.

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