Jörgen Sandström ist Chief Digital Officer der fünftgrößten schwedischen Stadt Västeras. Für die Zukunftsversion seiner Region hat er eine simple und dennoch treffende Definition: Es gehe schlicht darum, Daten zugänglich zu machen und diese anschließend nachhaltig zu nutzen – und zwar zum Wohle der Menschen. In einer Smart City sei es wichtig zu verstehen, wie sich Menschen bewegen, wo regelmäßig Staus entstehen oder wie hoch die Luftverschmutzung ist, um daraus Maßnahmen ableiten zu können. Und genau daran arbeitet man in Västeras derzeit mit Hochdruck.
Energieversorger mit Schlüsselrolle in der Smart City
Damit diese Vision realisiert werden kann, haben sich der schwedische Energieversorger Mälarenergi und der internationale Energie- und Automatisierungskonzern ABB zusammengetan. Ihre Partnerschaft soll aus der konventionellen Stadt Västeras eine Smart City machen. Dafür wird beispielsweise die Infrastruktur umfassend digitalisiert. Mälarenergi betreibt mehrere Wasserkraftwerke, das lokale Stromnetz, das örtliche Glasfasernetz, ein mit Abfall betriebenes Heizkraftwerk, Fernwärmenetze, Wasseraufbereitungs- und Kläranlagen sowie die Wasserversorgung für die 150.000 Einwohner der Stadt. Hauptziel des Projekts ist es, die Überwachungseinrichtungen der verschiedenen automatisierten Systeme in einem einzigen Kontrollzentrum zu bündeln, von dem aus sämtliche Services betrieben werden. Diese Anforderungen werden in den Collaborative Operations Center der ABB umgesetzt. Dort laufen die umfangreichen Daten der einzelnen Systeme zusammen, die letztendlich die Grundlage für fundierte Geschäftsentscheidungen bilden. Dieses partnerschaftliche Konzept kombiniert die Services von ABB mit den Betriebserfahrungen des Versorgers. Dafür stehen Spezialisten von Mälarenergi und die ABB-Experten in ständigem Austausch miteinander. Collaborative Operations Center der ABB gibt es übrigens auch schon in Deutschland – beispielsweise in Mannheim mit dem Schwerpunkt Industrie.
Für Markus John, Local Business Line Energy Industries bei ABB, ist die schwedische Stadt ein Vorbild für zahlreiche Smart City-Vorhaben, die auch hierzulande Fahrt aufnehmen: „Die digitale Transformation in Västeras wird von einem eigens dafür ernannten Chief Digital Officer federführend begleitet. Bei ihm läuft alles zusammen. Auf diese Weise können Veränderungen aktiv gesteuert werden. Fehlt eine solch zentrale Schnittstelle, wird die ohnehin schon komplexe Transformation zur Smart City zur anspruchsvollen Koordinationsaufgabe zwischen einer Vielzahl unterschiedlicher Akteure.“
Konventionelle Städte langfristig nicht effizient
Doch warum müssen unsere Städte eigentlich smarter werden? Schließlich ist der ganz große Druck derzeit hauptsächlich in den Metropolen mit mehreren Millionen Einwohnern zu spüren. Und solche echten „Megacities“ wie London, Moskau oder Singapur haben wir in Deutschland nicht. Am Megatrend der Urbanisierung kommen aber auch deutsche Städte nicht vorbei. Das heißt, auch bei uns werden künftig mehr Menschen in die Städte ziehen – die bereits heute weltweit schon mehr als zwei Drittel der globalen Energie verbrauchen. Und da die meist noch aus fossilen Quellen stammt, sind 60 bis 80 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen den Städten und Kommunen zuzuordnen.
„Wir müssen uns die Frage stellen, wie sich wirtschaftliche Leistungsfähigkeit künftig mit einer nachhaltigen Entwicklung sowie einer hohen Lebensqualität in Einklang bringen lässt“, betont Markus John. „Mit unserer Smart Cities Initiative wollen wir passende Antworten finden und diese wo nötig neu entwickeln. Wir wissen dabei, dass die digitale Transformation einer Stadt immer auch ein Gemeinschaftsprojekt mit vielen Interessensgruppen ist, die gemeinsam vom Ziel einer intelligenten Stadt überzeugt sein müssen.“
Die vier Säulen einer Smart City
Mehr Lebensqualität, ein höherer Komfort, transparentere und effizientere Services bei geringeren Kosten – all das verspricht die Smart City ihren Einwohnern. Insgesamt vier fundamentale Säulen sollen dafür sorgen. Neben dem im Trend liegenden intelligenten Transportwesen (Smart Mobility, Smart Transportation, Smart Port) zählen dazu intelligente Versorgungsunternehmen (Smart Utilities), intelligente Gebäude (von Smart Buildings bis zum Smart Home) sowie intelligente Industrien (Smart Industries). ABB hat als Vorreiter Lösungen für alle vier Anwendungsgebiete parat – vielen davon stammen aus dem digitalen Portfolio der ABB Ability. „Wir vernetzen Subsysteme und Versorgungseinrichtungen mithilfe intelligenter Services und stimmt sie aufeinander ab – von intelligenten Versorgungsunternehmen und Gebäuden sowie einem intelligenten Transportwesen bis hin zu smarten Industrien“, erklärt Markus John. „Allerdings sind das keine Lösungen von der Stange. Denn die Bedürfnisse sind von Stadt zu Stadt verschieden, woran sich unsere Lösungen anpassen müssen. Wir setzen deshalb auf flexible, skalierbare Anwendungen, die den Aufwand für Anpassungen gering halten.“
Und ABB setzt gezielt auf Partnerschaften. So konnte erst im April dieses Jahres gemeinsam mit dem Mannheimer Energieunternehmen MVV eine ganzheitliche Service-Lösung vorgestellt werden, die Industriebetrieben und Energieunternehmen helfen soll, ihre CO2-Emissionen zu reduzieren und Energiekosten zu verbessern. Für die „Energy and Efficiency as a service“ werden Energieflüsse von Industrieanlagen sowie von Energieinfrastruktur gemessen, in Echtzeit verarbeitet und mit der ABB-Software OPTIMAX® für Smart Cities optimiert. Betrieben wird das System in der Mircosoft Azure Cloud. OPTIMAX® ist übrigens auch Grundlage für die „Mission to Zero“ von ABB – eine Initiative, mit der es gelingt, Produktionsstätten fast CO2-neutral zu betreiben.
Initiative trägt auch in Deutschland Früchte
Wissen, Know-how und Erfahrung von ABB tragen auch in Deutschland dazu bei, dass Städte intelligenter werden. Beispiel Mannheim: Dort soll die Konversionsfläche Benjamin Franklin Village zu einem neuen Stadtteil für rund 9.000 Menschen entwickelt werden. ABB unterstützt den Partner MVV auch bei der Entwicklung des Energiemanagement-Konzepts und soll das gesamte Areal mit einem übergeordneten, skalierbaren Energiemanagement-System ausstatten. Das erste Projekt umfasst die Installation eines Batteriespeichers, der die autonome Stromversorgung für ein Mehrfamilienhaus sicherstellen wird, in dem über 100 Menschen leben werden.
Zudem berät und unterstützt ABB Städte, die an Förderprogrammen des Bundes teilnehmen. Für Städte wie Kiel, Hamburg, Trier oder Tübingen hat ABB in diesem Zusammenhang bereits Systeme zur Verfügung gestellt, die die verschiedenen beteiligten Komponenten verwalten – Ladestationen für Elektrofahrzeuge, Stromproduktion über Solarmodule, vorausschauendes Bedarfsmanagement, Steuerung von Blockheizkraftwerken und viele mehr.
„Die Entwicklung hin zu immer smarteren Städten wird die kommenden Jahre und Jahrzehnte prägen. Bewohner sowie Verwaltung, Versorger und Wirtschaftsunternehmen werden neue, intelligente Technologien einsetzen und eine hohe Dynamik erleben“, glaubt Markus John. „Ich bin mir sicher, dass die digitalen Lösungen von ABB einen wichtigen Beitrag leisten werden, diese zukünftigen Aufgaben zu bewältigen.“