Besser bezahlen

Bei der Mobilitätswende geht es nicht nur darum, effizienter und nachhaltiger von A nach B zu gelangen. Auch die ganz elementare Frage, wie Mobilität künftig abgerechnet wird, steht noch im Raum.

Illustration: Jasmin Mietaschk
Illustration: Jasmin Mietaschk
Julia Thiem Redaktion

Manches regelt der Markt, an anderen Stellen muss von offizieller Seite die entsprechende Regulatorik geschaffen werden. Und manchmal müssen auch Lösungen ganz neu gedacht werden. Genauso lässt sich der Status quo bezüglich Mobilität derzeit zusammenfassen.
Was der Markt respektive die Kunden mit ihren Ansprüchen regeln: Sie wünschen sich – wie es im Englischen so schön heißt – eine „seamless mobility“ oder auch vernetzte Mobilität. Vereinfacht ausgedrückt geht es darum, Mobilität nicht mehr in einzelnen Verkehrsmitteln zu denken, sondern alle Optionen auf einem Weg von A nach B einzubeziehen. Wenn am Montagmorgen also die Sonne scheint, schnappe ich mir vielleicht den 150 Meter entfernten Elektroroller, um zum Bahnhof zu kommen. Regnet es nach Feierabend und ich bin nach dem langen Arbeitstag müde und hungrig, schaue ich nach einem Car-Sharing-Angebot in der Nähe, sodass sich mein Heimweg deutlich verkürzt.

An anderen Stellen muss die entsprechende Regulatorik dafür sorgen, dass sich ein Knoten entzerrt. Ein gutes Beispiel: die Ladeinfrastruktur für E-Autos. Als die E-Mobilität wortwörtlich an Fahrt aufgenommen hat, war die Ladeinfrastruktur stark fragmentiert. Insbesondere Stadtwerke haben die ersten Säulen betrieben. „Auftanken“ konnten da aber nur Bestandskunden ihre Elektrofahrzeuge. Dass sich der alternative Antrieb so nicht durchsetzen konnte, war klar. Also wurden mit der Ladesäulenverordnung, seit Januar 2022 ist die zweite Novelle in Kraft, entsprechende Eckpunkte festgesetzt. Seit 2017 müssen E-Autofahrer bereits an jeder Ladesäule tanken und bezahlen können. Ab Januar kommenden Jahres müssen neue Ladepunkte zudem über standardisierte Schnittstellen verfügen. Das soll helfen, Daten zum Standort, der Verfügbarkeit und Funktionsfähigkeit zu übermitteln. Außerdem sollen Abrechnungs- und Autorisierungsdaten besser ausgetauscht werden können. Neu ist weiter, dass Ladepunkte mit einem Kartenlesegerät samt PIN-Pad ausgestattet sein müssen, damit neben Zahlungen via App oder QR-Code auch Kartenzahlung möglich ist.

Und damit sind wir mittendrin in der Thematik, für die dringend neue Lösungen gefunden werden müssen, damit Mobilität wirklich zu einem Service und für die Nutzer „seamless“ werden kann: das Bezahlen. Was wir jeden Tag unzählige Male auf den unterschiedlichsten Wegen machen, soll zur Herausforderung für die Mobilitätswende werden? Ja, denn in einem Plattformökosystem – nichts anderes ist eine Seamless-Mobility-App mit verschiedenen Anbietern und Mobilitätslösungen – wird der bilaterale Vorgang des Bezahlens plötzlich kompliziert. Das hat zwei Gründen: Zum einen sind die Zahlungsströme sehr kleinteilig – E-Scooter und andere Mobilitätslösungen werden zum Teil im Minutentakt abgerechnet – zum anderen sind zahlreiche Anbieter involviert. Deshalb heißt das ganze Phänomen auch Micro- und Multi-Party-Payment.

Viele kleine Zahlungen werden in Summe damit zu einem Geschäftsmodell. Allerdings stehen die Kosten für die Zahlungsabwicklung oftmals nicht in Relation zum Wert der Dienstleistung. Das ist übrigens kein Phänomen, das ausschließlich für Mobilität gilt. Ebay hat beispielsweise erst in diesem Jahr seine Gebührenstruktur in Großbritannien angepasst. Anstatt einer Vermittlungsgebühr zuzüglich 30 Cent pro verkauftem Produkt fallen nur noch zehn Cent Gebühr bei Produkten bis zehn Pfund in bestimmten Kategorien an. Damit will es die Plattform den angebundenen Shops im Niedrigpreissegment leichter machen.

Illustration: Jasmin Mietaschk
Illustration: Jasmin Mietaschk

Dass die Mobilitätswende in puncto Bezahlen noch einen weiten Weg zu gehen hat, zeigt eine aktuelle Fallstudie von Kantar im Auftrag der Initiative Deutsche Zahlungssysteme e. V. (IDZ). Demnach gestalte sich Stromtanken in Europa als absolutes Glücksspiel. In mehr als neun von zehn Fällen sei das einfache Zahlen mit einer Debit- oder Kreditkarte an E-Ladesäulen unmöglich – trotz der Neuauflage der Ladesäulenverordnung. Demgegenüber stehen die E-Mobilisten, die ihren getankten Strom am liebsten spontan und ohne Datenerfassung bezahlen möchten. Wir Deutschen lieben halt unser Bargeld und die EC-Karte ist da das „next best thing“.

Für eine breite Akzeptanz der E-Mobilität in der Gesellschaft sind einheitliche, verständliche und vor allem leicht handhabbare Bezahllösungen an E-Ladesäulen notwendig, heißt es vom IDZ. Und das sehen auch andere Verbände so – unter anderen die Verbände der Deutschen Kreditwirtschaft, die kommunalen Spitzenverbände in Deutschland, der ADAC, der Bundesverband der electronic cash Netzbetreiber oder die Initiative Deutsche Zahlungssysteme e. V. Gemeinsam setzen sie sich im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses zur „Alternative Fuels Infrastructure Regulation“ dafür ein, spontanes Bezahlen mit Debit- und Kreditkarte über ein Bezahlterminal als Mindeststandard an E-Ladesäulen in ganz Europa festzuschreiben.

Es gibt allerdings auch eine Alternative zu diesen eher traditionellen Bezahlmethoden, die derzeit von neuen Bezahldienstleister wie Adyen, Stripe oder auch Paypal bereitgestellt und von neuen Plattformgrößen wie Uber forciert werden. Erfahrungen haben diese Dienstleister vor allem im E-Commerce sammeln können, die sie nun auf andere Branchen wie den Mobilitätssektor übertragen. Für Verbraucher erhöhen solche integrierten Bezahlplattformen den Komfort ungemein. Denn egal, ob ich mir ein E-Bike leihe, die U-Bahn nutze oder mein E-Auto an einer Ladesäule auflade – ich bezahle alles bequem per App mit meinem Mobilitätsbudget. Damit wird Mobilität wirklich „as a Service“ angeboten. Und welcher Anbieter am Ende des Tages für welchen Anteil der zurückgelegten Wegstrecke wie entlohnt wird, muss mich als Nutzer nicht interessieren.

Bisher ist allerdings diese genaue Abrechnung im Hintergrund noch sehr komplex – zu komplex, sodass oftmals nicht genau, sondern über Pauschalen abgerechnet wird. Hier steckt also großes Potenzial auch für die traditionellen Zahlungsdienstleister. Gesucht wird nach wie vor die eine Lösung, die den Zahlungsverkehr zwischen allen Anbietern im Mobilitätssektor automatisiert ablaufen lässt. Und dass es sich lohnt, diese zu finden, zeigen aktuelle Zahlen von Reports and Data: Bis 2031 rechnen die Experten mit einer Größenordnung des Mobility-as-a-Service-Marktes von 379,66 Milliarden US-Dollar. 

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