Autonomes Fahren: Intelligente Karten weisen den Weg

Auf der Autobahn entspannt zurücklehnen oder arbeiten – beides ist gar nicht mehr so abwegig. Intelligente digitale Karten lassen Autos künftig „um die Ecke“ schauen.
Dietmar Rabel Direktor Produkt- management  Autonomes Fahren, HERE
Dietmar Rabel; Direktor Produkt- management Autonomes Fahren, HERE
HERE Beitrag

Herr Rabel, warum braucht man digitale Karten für autonomes Fahren?

 

Für autonomes Fahren benötigen Sie zunächst einmal viele Sensoren im Fahrzeug wie Kameras oder Radar. Wir glauben jedoch, dass diese Sensoren alleine nur für ein verhältnismäßig unkomfortables Fahrerlebnis sorgen würden. So breite Marktakzeptanz zu erreichen, ist schwierig, da die Skepsis der Nutzer extrem hoch wäre. 

 

Und digitale Karten können das ändern?

 

Sensoren alleine haben eine begrenzte Reichweite. In Kombination mit den vielen Daten unserer cloudbasierten HD Live Map werden diese Grenzen quasi weggewischt. Das Auto kann praktisch um die Ecke sehen, dort Gefahren antizipieren und entsprechend reagieren. 

 

Wie genau sollen Autos künftig um die Ecke sehen?

 

Ein Beispiel: Das Auto soll auf einer Straße einen LKW überholen. Bevor die Sensoren überhaupt in Aktion treten und beispielsweise den Gegenverkehr prüfen können, müssen vorab viele Fragen geklärt werden. Wohin geht die Fahrt? Gibt es eine Spur zum Überholen? Ist ein Fahrbahnwechsel möglich und erlaubt? Gibt es die Spur in 200 bis 300 Metern auch noch, wenn der Überholvorgang abgeschlossen ist? Gibt es mögliche Hindernisse wie  eine Baustelle oder Straßenarbeiten?

 

Und das alles weiß die HERE HD Live Map?

 

Ja. Dafür haben wir sie mit verschiedenen Informationsschichten – so genannten Layern – ausgestattet. Zunächst einmal fließen hochpräzise Kartendaten zu Straßenverläufen, Fahrspuren oder Tempolimits in die HD Live Map ein. Beim zweiten Layer handelt es sich um dynamische Echtzeitdaten wie Baustellen, Straßenarbeiten oder das Beschneiden von Bäumen entlang der Landstraße. Die dritte Komponente sind Daten zum menschlichen Fahrverhalten. Generell sind auf Landstraßen 100 km/h erlaubt, die wollen Sie aber nicht in jeder Situation fahren – zum Beispiel in einer Kurve. Denken Sie an Ihre eigene Fahrpraxis. Wenn Sie eine Strecke gut kennen, fahren Sie ganz anders als auf Routen, die Sie zum ersten Mal fahren. Genau diese Vertrautheit mit einer Strecke ermöglicht unsere HD Live Map einem autonomen Fahrzeug. 

 

Wie generieren Sie Ihre digitalen Kartendaten für die HD Live Map?

 

Zum einen fahren wir die Straßen mit unserer eigenen Flotte, den HERE True Cars, ab. Sie sind mit LiDAR ausgestattet und erfassen die Umgebung in 3D. Autonome Fahrzeuge benötigen jedoch zusätzlich vielfältigere, dynamische und aktuellere Daten. Daher nutzen wir für die HD Live Map auch die Sensordaten von vernetzten Fahrzeugen auf der Straße. Diese können wir entweder direkt in unserer Cloud verarbeiten oder unsere Flotte losschicken, um gemeldete Veränderungen zu prüfen und entsprechend in unserer Karte zu aktualisieren. 

 

Das heißt, dem autonomen Fahren steht ab sofort nichts mehr im Wege?

 

Ganz so einfach ist es nicht. Wir arbeiten sehr eng mit den großen Automobilherstellern in Forschung und Entwicklung zusammen. Doch bevor es soweit ist und es autonomes Fahren tatsächlich serienmäßig gibt, müssen noch etliche tausend Testkilometer gefahren werden. Das Fundament ist gesetzt und es ist gut. Nun geht es um den Feinschliff.

 

Wann und wo werden wir autonomes Fahren erleben?

 

Wir haben mit der HD Live Map einen großen Technologieschub erzielen können – insbesondere in Punkto Genauigkeit. Auch andere Komponenten des autonomen Fahrens sind hochentwickelt. Wir glauben, dass Nutzer in weniger als fünf Jahren schon davon profitieren können – vermutlich auf den Autobahnen, weil hier ähnlich wie im Flugverkehr die Umgebung gut zu kontrollieren ist. Es gibt keinen Gegenverkehr und keine zusätzlichen Verkehrsteilnehmer wie Fußgänger oder Radfahrer. Zur Autobahn müssen Sie dann vielleicht noch fahren, dort angekommen können Sie sich für viele hundert Kilometer entspannt zurücklehnen. 

 

Interview: Julia Thiem

360.here.com
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