Die Industrie braucht grüne Gase

Aus erneuerbarem Strom erzeugter Wasserstoff ist der entscheidende Schlüssel, um die Klimaziele zu erreichen.
Illustration: Daniel Balzer
Mirko Heinemann Redaktion

Eigentlich sollte die so genannte Nationale Wasserstoffstrategie bereits im März vom Kabinett verabschiedet werden. Die Corona-Krise hat dem Ganzen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Andere Themen rückten auf die Tagesordnung. Aber worum geht es dabei eigentlich?
Derzeit werden nur etwa 20 Prozent der in Deutschland verbrauchten Energie durch Strom bereitgestellt. Mit der Energiewende und der verstärkten Nutzung von Windkraft und Photovoltaik werden zwar alle Branchen verstärkt auf die Nutzung von Strom aus Erneuerbaren Energien umstellen. Dennoch gibt es Industriezweige, bei denen das nicht ohne Weiteres möglich ist. Dazu gehören Raffinerien und Stahlwerke. Aber auch der Betrieb von elektrischen Passagierflugzeugen und Schwerlastfahrzeugen mit Batteriestrom ist noch nicht recht vorstellbar. Wenn all diese Branchen in Zukunft klimaneutral wirtschaften wollen, müssen sie so genannten Grünen Wasserstoff nutzen. Der wird durch Elektrolyse aus erneuerbarem Strom erzeugt. „Wasserstoff ist über alle Sektoren hinweg der entscheidende Schlüssel, um die Klimaziele zu erreichen”, so Holger Lösch, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie.  


Das geht aber nicht von jetzt auf gleich. Als Energieträger für den Übergang gilt Erdgas. In dessen Verteilnetze kann sukzessive grüner Wasserstoff eingespeist werden. Und bis 2030 sollen laut Wasserstoffstrategie des Bundes 20 Prozent des in Deutschland verbrauchten Wasserstoffs aus CO2-freier Produktion stammen. Deshalb brauche Deutschland eine nationale Wasserstoffstrategie mit Anschubfinanzierungen und Importen aus Ländern, in denen grüner Wasserstoff kostengünstiger hergestellt werden könne als hierzulande, so der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger: „Übermorgen kommt der grüne Wasserstoff über Nord Stream 2, aus Skandinaven und aus Kanada.“  


Oliver Krischer, stellvertretender Fraktionsvorsitzender von Bündnis90/Die Grünen, fordert die Industrie auf, die Chancen zu nutzen. Niemand solle glauben, dass in Deutschland heute noch „auch nur ein mit Koks beheizter Hochofen neu gebaut wird”. Längst orientiere sich der Markt in Richtung Asien, was nichts mit den Klimazielen zu tun habe, sondern mit veränderten Anforderungen der Branche. „Wenn die deutsche Stahlindustrie überhaupt eine Zukunft haben will, dann nur, wenn sie den nächsten technologischen Schritt geht und in die Produktion von CO2-frei hergestelltem Stahl einsteigt“, so Krischer.


Grüner Wasserstoff wäre demnach der Retter der deutschen Stahlindustrie. Dazu seien auch Importe von Wasserstoff notwendig, so Krischer. Sie dürften allerdings nicht als Argument benutzt werden, um den Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland zu bremsen. Schließlich gebe es derzeit weder Elektrolyseure in der afrikanischen Wüste noch Transportschiffe für Wasserstoff. Vieles sei noch Zukunftsmusik. Auch Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung, betont das Potenzial von Wasserstoff für die Industrie. Der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft sei eine Chance für alle Sektoren, um ihre Treibhausgasemissionen zu senken. 

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