Der moderne Fuhrpark

Der Flottenmarkt ist essenziell für die deutsche Automobilbranche. In seiner Masse und Dynamik hat er das Potenzial, Mobilität neu zu definieren.
Illustration: Friederike Olsson
Illustration: Friederike Olsson
Interview: Klaus Lüber Redaktion

E-Mobilität, Connected-Car-Technologien und Carsharing werden maßgeblich durch große Flottenanbieter etabliert werden, sagt der Automobilexperte Willi Diez, Leiter des Instituts für Automobilwirtschaft an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) Nürtingen-Geislingen.
 

Herr Diez, der Flottenmarkt zählt zu den wichtigsten Segmenten der deutschen Automobilbranche. Wie viele Dienstwagen sind denn aktuell unterwegs auf unseren Straßen?
Im Zeitraum Januar bis August 2017 betrug der Anteil der neu zugelassenen Firmenwagen 34 Prozent der Gesamtzulassungen. Hinzu kommt: In der Tendenz ist der Flottenmarkt nach wie vor ein steigender Markt. Seit dem Jahr 2010 ist der Absatz von Firmenwagen in Deutschland um 35 Prozent und damit mehr als doppelt so stark wie der Gesamtmarkt gestiegen.
 

Sind die Deutschen also tatsächlich ein Volk der Dienstwagenfahrer, wie es immer heißt?
Ja, ich denke, aus den Zahlen kann man schon ablesen, dass der Dienstwagenanteil hierzulande nach wie vor recht hoch ist. Und das ist auch kein Wunder, wenn man bedenkt, wie wichtig das eigene Firmenfahrzeug als Statussymbol und Motivationsinstrument für viele Firmen in Deutschland ist.
 

Hinzu kommt das Thema Employer Branding.
Richtig. Eines der größten Probleme von Unternehmen ist es ja, qualifizierte Mitarbeiter zu finden. Der Arbeitsmarkt zeigt in einzelnen Berufsgruppen immer mehr Anspannungsgrade. Ein Dienstwagen wird als Instrument nicht nur für die Gewährleistung der Mitarbeiterzufriedenheit, sondern auch als Mittel zur Mitarbeitergewinnung immer wichtiger.
 

Spielt inzwischen auch das Thema Nachhaltigkeit eine Rolle?
Ja, zunehmend. Sie finden ja kaum noch eine Firma, die keinen Nachhaltigkeitsbericht schreibt. Und da macht es sich natürlich gut, wenn man auch ein paar Elektroautos im Fuhrpark zur Verfügung hat. 44 Prozent aller Zulassungen von Elektrofahrzeugen in Deutschland von Januar bis August 2017 waren Firmenwagen. 29 Prozent waren privat. Daran sieht man, dass das Thema Elektromobilität im Moment sehr stark durch die Firmen getrieben wird, die hier, angeregt durch die Kaufprämie, sehr aktiv werden.
 

Trotzdem gehören Sie zu denjenigen, die immer wieder darauf hinweisen, dass dennoch viel mehr im Bereich Elektromobilität passieren könnte.
Es stimmt, dass E-Mobilität im Flottenmarkt im Augenblick noch eine eher untergeordnete Rolle spielt. Der Diesel hat mit rund 60 Prozent nach wie vor einen sehr hohen Anteil.  Das hat damit zu tun, dass Firmenkunden zu über 90 Prozent geleaste Fahrzeuge nutzen. Damit spielt das Thema Wertverlust – ganz anders als im Privatkundensegment – nur eine untergeordnete Rolle. Allerdings ist der Diesel-Anteil im Flottenmarkt in den letzten Monaten gesunken. Hier spielt die Angst vor Fahrverboten in den Städten sicher eine wichtige Rolle.
 

Was genau bremst die E-Mobilität im Flottensegment aus?
Im Unterschied zum privaten Sektor, der sich bekanntermaßen auch noch recht schwertut mit E-Autos, ist im Dienstwagenbereich Flexibilität das A und O. Und genau das ist im Augenblick noch das Hauptproblem. Als Privatkunde könnte man sagen, man kauft sich einen Smart als Zweitauto. Mit den 120 Kilometern elektrische Reichweite kann ich gut leben und wenn ich doch einmal eine größere Distanz zurücklegen muss, greife ich eben auf meinen Benziner zurück. Eine solche Planung ist im Firmenkundenbereich natürlich schwierig, besonders dann, wenn ein Fahrzeug persönlich zugeordnet ist. Aus Sicht der Firma werden vollflexible Fahrzeuge benötigt, die in unterschiedlichen Reichweiten einsetzbar sind. Und genau das können Elektroautos im Augenblick noch nicht bieten, weil eine entsprechende Reichweiten-Ladeinfrastruktur noch fehlt.
 

Und dabei heißt es doch immer wieder, besonders Firmen könnten bei der Anschaffung von Elektroautos in Deutschland eine Vorreiterrolle übernehmen.
Das stimmt ja auch. Bei Fahrzeugen, die nicht persönlich zugeordnet sind, haben Fuhrparks eine größere Flexibilität als der Privatnutzer. Außerdem werden nach  meiner Prognose  Reichweiten der Elektroautos in den nächsten vier bis fünf Jahren deutlich ansteigen. Wir werden es dann mit möglichen Fahrstrecken von 400 Kilometern zu tun haben. Das wird dann ab 2020 zu einem erheblichen Anstieg in den Verkaufszahlen führen, auch begünstigt durch eine immer größer werdende Angebotspalette. Im Augenblick ist die Auswahl ja noch eher begrenzt. Nicht jede Firma kann und will sich einen Tesla leisten.


Sollte die Politik hier mit Steuererleichterungen nachhelfen?
Also ich bin kein Fan von solchen Modellen. Wir sollten aufpassen, dass wir keinen Markt subventionieren, der ohnehin wächst. Wie gesagt, auch wenn die Technologie im Augenblick noch nicht so weit ist, das ganze Spektrum an Mobilität abdecken zu können, wird sie sich meiner Prognose nach in relativ kurzer Zeit dahin entwickeln. Tendenziell wird der Preis für Elektroautos immer weiter fallen, im Unterhalt sind sie ohnehin günstiger. Strom ist relativ billiger als Benzin, der Wartungs- und Reparaturbedarf ist deutlich geringer. Ab 2020 wird ein Elektroauto in den Total Costs of Ownership, die für den Flottenkunden ja extrem wichtig sind, günstiger sein als ein Benziner oder Diesel. Das sind Faktoren, die den Elektromarkt pushen werden.
 

Inwiefern werden auch die EU-Abgasnormen eine Rolle spielen?
Ich denke, den Herstellern wird, um die von der EU-Kommission vorgegebenen CO2-Grenzwerte ab 2020 einhalten zu können, gar nichts anderes übrig bleiben, als  den Absatz von Elektroautos deutlich zu erhöhen. Das Firmenkundensegment wird ein wichtiges Zielsegment für die Hersteller sein, um die europäischen Grenzwerte einzuhalten.
 

Neben dem Thema Antriebstechnologie wird auch das Thema Car-IT immer bedeutsamer für den Flottenmarkt. Wie ist Ihre Einschätzung hierzu?
Es wird in Zukunft möglich sein, quasi in Echtzeit auf Daten über den Einsatz von Flottenfahrzeugen zuzugreifen. Im LKW-Bereich ist dies heute schon möglich. Dort werden Fuhrparks quasi mit einem Röntgenblick datenanalytisch durchleuchtet und Verbrauchsbilder sichtbar gemacht. Hinzu kommt ein weiterer Aspekt: Die Effizienz der Arbeitskraft. Ein Mitarbeiter, der viel unterwegs ist, ist in seiner Fahrzeit völlig unproduktiv. Die Zeit hinter dem Lenkrad ist aus einer streng betriebswirtschaftlichen Sicht verlorene Zeit. Bestünde die Möglichkeit, den Dienstwagen mittels Assistenzsytem über weite Strecken quasi automatisiert fahren zu lassen, könnte er die Zeit anderweitig nutzen. Etwa um Angebote vorzubereiten, Abrechnungen zu erstellen oder sich weiterzubilden.

Auch im Bereich Schadenmanagement erhofft man sich Effizienzsteigerungen.
Ja, richtig. Man kann heute schon beobachten, wie durch den Einsatz von automatisierten Fahrfunktionen die Unfallzahlen zurückgehen – etwa durch Einparkhilfen oder Abstandhalter.
 

Im Privatkundensegement ist Carsharing gerade in aller Munde. Wie sinnvoll ist ein solches Modell für das Management einer Flotte?
Carsharing ist dann schwierig, wenn es sich um einen Fuhrpark handelt, bei dem die Fahrzeuge persönlich zugeordnet sind. Es wäre vermutlich keine gute Idee, einen Mitarbeiter, der bislang ein eigenes Fahrzeug zur Verfügung hatte, davon zu überzeugen, den PKW in Zukunft mit anderen teilen zu müssen. Im Hinblick auf die Mitarbeitermotivation wäre das kontraproduktiv. Umgekehrt wäre für Mitarbeiter, die keinen eigenen Dienstwagen haben, die Teilnahme an einem betrieblichen Carsharing sicher attraktiv. Dann kann sich ein solches Modell lohnen, auch aufgrund der schon angesprochenen Effekte im Bereich Employer Branding.
 

Bliebe noch die technische Umsetzung.
Richtig, und die hat es immer noch in sich. Man muss immer wieder davor warnen, solche Sharing-Modelle selbst aufzubauen. Es ist zwar vieles einfacher geworden, trotzdem ist Sharing nach wie vor ein komplexes Thema: Man muss den Gesamtprozess von der Buchung bis hin zur Abrechnung beherrschen. Dazu ist ein nicht zu unterschätzendes IT-Know-how notwendig. Außerdem müssen die Fahrzeuge in kurzen Intervallen gereinigt und gewartet werden. Die gute Nachricht: Inzwischen bieten viele Vermieter, Leasing-Gesellschaften und natürlich auch die Carsharing-Unternehmen Sharing-Modelle für gewerbliche Nutzer an. 


Prof. Dr. Willi Diez
ist Leiter des Instituts für Automobilwirtschaft an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen.

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