Stromnetz im Wandel

Smart Grids und Virtuelle Kraftwerke können die Energieversorgung effizienter machen.
digitale Vernetzung
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Klaus Lüber Redaktion

Unsere Waschmaschinen werden wohl bald mit uns sprechen. Nachdem wir auf den Startknopf gedrückt haben, wird das Gerät zurückmelden: „Es wäre besser, das Programm erst in zwei Stunden zu starten, denn da beginnt heute die niedrige Strompreisphase.“

 

Woher weiß die Maschine das? Ganz einfach: Sie sammelt und vergleicht Strompreisdaten und wählt den jeweils günstigsten Tarif aus. Falls gewünscht sogar automatisch, etwa nachts, wenn der Strom in der Regel am günstigsten ist und die Besitzer des smarten Gerätes schlafen.

 

Das ist nicht nur günstig für den Verbraucher, sondern hat auch einen tieferen Sinn. Der Stromkunde wird motiviert, sein Verbrauchsverhalten an die wetterabhängige Erzeugungslage anzupassen und damit das Stromnetz stabil zu halten. Das Stromnetz, so könnte man auch sagen, reguliert sich selbst, indem es Informationen über seinen Status an die Verbraucher weitergibt. Es ist zum Smart Grid geworden.

 

Dabei umfasst der Begriff wesentlich mehr als nur die Steuerung moderner Haushaltsgeräte. Es geht darum, das gesamte System der Energieerzeugung und des Energieverbrauches neu zu denken. „Resource Revolution“ nennen es die beiden McKinsey Berater Stefan Heck und Matt Rogers in einer aktuellen Publikation des Consulting-Unternehmens. Darin gehen sie davon aus, dass Smart Grids schon sehr bald zu einer 50-prozentigen Effizienzsteigerung der Stromnetze führen werden. Fossile Energieträger spielen dabei eine immer geringere Rolle.

 

Das ist auch kein Wunder, denn die Anforderungen an Stromnetze haben sich grundlegend geändert. Bislang konnten Energieversorgungsunternehmen das Energieangebot und die -nachfrage basierend auf Prognosen über Bedarf und Verbrauch in ein Gleichgewicht bringen. Anlagen mit geringen Anlaufzeiten, wie etwa Gasturbinenkraftwerke, wurden zu- und abgeschaltet, um Lastspitzen abzufedern. Die Grundlast lieferten oft Kern- und Kohlekraftwerke. Zudem folgte die Stromlieferung immer vom Erzeuger über die Transport- und Verteilnetze zum Verbraucher.

 

Dieses Konzept der Stromverteilung stößt durch die Integration erneuerbarer Energiequellen an seine Grenzen. So fließt etwa der durch Photovoltaik gewonnene Strom entgegen der eigentlich vorgesehenen Richtung durch das Stromnetz. Die Anlagen erzeugen zunehmend an Stellen Strom, wo entweder leistungsstarke Trassen fehlen, zum Beispiel offshore, oder keine Verbraucher angesiedelt sind. Die Energie fließt zwischen Erzeuger, Verbraucher und Speichersystemen in allen erdenklichen Kombinationen und Richtungen.

 

Und in Zukunft wird die Zahl der Versorger noch ansteigen. Denn Strom aus erneuerbaren Quellen gewinnen vor allem die kleinen, dezentralen Anlagen, nämlich Windräder, Wasserkraftwerke, Solarkraftwerke und Biogasanlagen. Dazu kommen die vergleichsweise sauberen, dezentralen Gas-Kraftwerke. Viele davon werden entweder von kleineren Unternehmen oder gar von Privatpersonen betrieben, die bisher eher als Verbraucher in Erscheinung getreten sind. 

 

Mittlerweile ist es auch möglich, die einzelnen Erzeuger zu eigenen Verbünden zu vernetzen, sogenannten virtuellen Kraftwerken. Hierbei werden viele unterschiedliche dezentrale Stromerzeugungsanlagen zusammen mit Verbrauchern – derzeit hauptsächlich aus der Industrie und dem gewerblichen Bereich – über Steuerungstechnik in einem Pool miteinander koordiniert, so dass sie als ein Kraftwerk am Stromgroßhandelsmarkt auftreten können. Dies kann helfen, erneuerbare Energien schneller in das Energiesystem und den Strommarkt zu integrieren. 

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