Fahrt ins Grüne

Unsere Kolumnistin Marie Fink nähert sich mit Aristoteles der Frage nach dem nachhaltigen Reisen
Marie Fink Redaktion

Was früher die bedenkenlose Fahrt ins Blaue war, heißt heute bedachtsam grün buchen. Denn die Unbeschwertheit beim Reisen soll wieder zurückkehren. Angesichts hässlicher Plastikverpackungen an den schönsten Orten dieser Erde – offensichtlich aus dem heimischen Haushalt – wirft bald auch der letzte Pauschaltourist sein Handtuch hin. Die Einsicht ist groß, die Tatkraft noch klein.


Erste Regel also: Fliegen Sie nirgendwo mehr hin! So einfach ist das aber nicht. Mobilität ist mehr als Verkehr. Mobilität lässt uns am gesellschaftlichen Leben teilhaben. Sie ist eine zentrale Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben und eine zukunftsfähige Wirtschaft.
Was ist aber das richtige Maß zwischen Stubenhocken und Weltenbummeln?


Aristoteles sagt: Der wahre Mensch wählt das Maß und entfernt sich von den Extremen, dem Zuviel und dem Zuwenig. Tatsächlich empfehlen skandinavische Regierungen ihren Bürgern weniger zu fliegen und mehr Bahn zu fahren. Wobei die Norweger – hier ist schon jedes zweite Auto ein E-Mobil – längst auf dem Weg in eine CO2-freie Mobilität sind.


Viele Länder sind in hohem Maße vom Wirtschaftsfaktor Tourismus abhängig, beispielsweise Ägypten. Thomas Cook erfand hier die Pauschalreise. „Tod auf dem Nil“, die literarisch berühmte Kreuzfahrt, vorbei an den Schatzkammern der Pharaonen, bekommt heute allerdings eine andere Bedeutung: Die romantische Verklärung kehrt sich um in nüchterne Abscheu dank des titanischen Unrats, der jedes Schiff begleitet. Ägyptenfans sei aber an dieser Stelle versichert: Es wurde jüngst ein Ministerium gegründet, das den Missstand beheben soll. Denn darum geht es heute beim Reisen: Ökologie, also Schutz der Natur und soziales Verhalten, also Hilfe vor Ort.


Schauen wir auf Lombok, die schöne Schwesterinsel von Bali. Soll man da jetzt wirklich hinfliegen? Unbedingt. Die Menschen auf Lombok brauchen zum Überleben nach dem verheerenden Erdbeben auch den Tourismus und freuen sich über jeden Gast. Dabei gilt es für den Reisenden nicht das Elend, sondern das Gute zu sehen: Organisationen wie das Rote Kreuz oder die Caritas helfen, und es geht sichtbar voran. Nachhaltiger kann eine Reiseerinnerung nicht sein.


Dass wir Reisenden am Urlaubsziel ein Wirtschaftsfaktor sind, muss nicht schlechtgeredet werden. Aber ein bisschen Kreativität in der Zeit- und Zielplanung darf sein. Man muss ja nicht mit Tausenden von Menschen im Hochsommer auf der La Rambla spazieren oder stundenlang vor der Peggy Guggenheim Collection auf Einlass warten. Waren Sie schon einmal im Winter in der Wüste? Einen klareren Himmel haben Sie nie gesehen. Den klaren Kopf dazu bekommen Sie gratis.


Einmal habe ich einen Weltreisenden gefragt, was seine nachhaltigste Reise gewesen sei. Der Ort sei egal, meinte er. Begegnungen machen es aus. Er erzählte, er habe sein Patenkind in einer Jurte in der Mongolei besucht. Zu sehen, wie es einem Kind gelingt, Schulbildung zu erlangen – mit nur 30 gesponserten Euro im Monat, das mache Sinn. Und die Freude darüber: grenzenlos