Die Haut vor der Sonne schützen!

Weichmacher und Nano-Partikel in der Sonnenmilch? Das darf kein Grund sein, auf Sonnenschutz zu verzichten.

Illustration: Olga Aleksandrova
Illustration: Olga Aleksandrova
Olaf Strohm Redaktion

Es war ein Schock, als das Umweltbundesamt im Februar in Urinproben von 250 Kindern aus Nordrhein-Westfalen die Substanz MnHexP entdeckte. Der Stoff kann als ein Abbauprodukt des Weichmachers Di-n-hexyl-Phthalat im Körper entstehen. Dieses Phthalat wirkt im Tierversuch schädigend auf lebenswichtige Hormondrüsen, die Schilddrüse und die Hirnanhangsdrüse, die wichtige Körperfunktionen steuert und das Hormonsystem des Körpers kontrolliert. Der Weichmacher könnte laut Umweltbundesamt von Sonnencremes stammen, jedenfalls gab es in der Studie eine Korrelation. Im Verdacht steht eine Substanz mit der Abkürzung DHHB, die als UV-Filter für Hautpflegeprodukte dient. Das muss keine klassische Sonnenmilch sein: Auch andere Cremes, etwa Gesichtscremes, enthalten Sonnenschutzmittel. Noch kann die Behörde keinen genauen Herkunftsnachweis nennen; die Ermittlungen laufen noch.

Was tun? Auf Sonnenschutzmittel verzichten? Keinesfalls, raten Mediziner:innen. Zum einen gibt das Bundesinstitut für Risikobewertung in einer ersten Einschätzung Entwarnung: die in Urinproben nachgewiesene Konzentration des Stoffes MnHexP sei gering. Zum anderen ist Sonnenschutz in jedem Fall obligatorisch, gerade jetzt im Frühjahr. Für die menschliche Haut, die vom langen Winter der Sonne entwöhnt ist, beginnt die stressigste Zeit. Seit dem 21. März sind die Tage wieder länger als die Nächte. Die Sonne steigt mit hoher Geschwindigkeit ihrem Wendekreis entgegen, den sie am 21. Juni erreicht. Vor allem die kurzwelligen UV-B-Strahlen sind gefährlich. Sie sind verantwortlich für den Sonnenbrand und einer der Hauptauslöser für Hautkrebs. Die langwelligen UV-A-Strahlen verursachen Bräunung und Hautalterung, weil das langwellige Licht tiefer in die Haut eindringt und die elastischen Fasern dort schädigen kann. Das kurzwellige Licht verbleibt in der Oberhaut, ist aber sehr intensiv. Dort befinden sich die Zellen, die für die Hautkrebs-Umwandlung empfindlich sind. Dass die Haut bei Sonneneinstrahlung dunkler wird, bewerkstelligen sogenannte Melanozyten, die in der Oberhaut stecken. Diese Zellen produzieren das Pigment Melanin, das die Haut bräunt. Damit werden die gefährlichen UV-Strahlen aufgehalten, sodass sie nicht in tiefere Hautschichten vordringen können. Ist die Strahlung der Sonne sehr stark, kann sie die Melanozyten schädigen. Sie können sich in Tumorzellen verwandeln. Hautkrebs droht.

Wie gefährlich das sonnenaffine Freizeitverhalten der Deutschen ist, zeigt die Statistik: Demnach ist die Zahl der Todesfälle durch Hautkrebs in Deutschland binnen 20 Jahren um 55 Prozent gestiegen. Während 2001 noch gut 2600 Menschen an Hautkrebs starben, waren es im Jahr 2021 schon 4100, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mitteilte.

Auch die Zahl der Krankenhausbehandlungen wegen Hautkrebs hat laut Statistischem Bundesamt in den vergangenen Jahren stark zugenommen. 2021 wurden demnach 105.700 Menschen mit der Diagnose Hautkrebs im Krankenhaus stationär behandelt – das waren knapp 75 Prozent mehr Fälle als 2001.

Eine frühe Erkennung verbessert die Chancen auf Heilung erheblich. Die Voraussetzungen dafür sind hierzulande gut. Alle zwei Jahre hat jeder gesetzlich Versicherte Anspruch auf ein Screening der Haut. Inzwischen ist das Teilnahmealter bei vielen Kassen von 35 auf 20 Jahre gesenkt worden, bei manchen sogar auf das Kindesalter. Um den Tumor zu entdecken, benutzen Hautärzte das Auge und ein Auflichtmikroskop. Ein Problem ist, dass die Auflichtmikroskopie nicht von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen wird. Dadurch könnten 30 Prozent der Melanome, die nicht mit dem bloßen Auge zu erkennen sind, übersehen werden. Viele Hautärzte bieten die Auflichtmikroskopie daher als Zusatzleistung an.

»Die Zahl der Todesfälle durch Hautkrebs ist in Deutschland binnen 20 Jahren um 55 Prozent gestiegen.«

Also: Sonnenschutz ist das A und O, vor allem im Frühjahr. Vor allem Kinder sollten nur geschützt in die Sonne gehen, da ihre Haut noch wesentlich dünner ist als die von Erwachsenen. Auch die Pigmente, die einen körpereigenen Schutz gegen UV-Strahlen bilden, werden im Kindesalter noch nicht in vollem Umfang produziert. Mit jedem Sonnenbrand des Kindes steigt die Wahrscheinlichkeit, im Erwachsenenalter an Hautkrebs zu erkranken. Wer keine Chemie auf die Haut auftragen möchte, kann einen rein mineralischen Lichtschutz wählen, etwa auf Basis von beispielsweise Titandioxid. Dabei handelt es sich um sogenannte Weißpigmente, die sich wie kleine Spiegelchen auf die Haut legen und das UV-Licht reflektieren. Der Vorteil dieser Cremes ist, dass sie im Gegensatz zu konventionellen Lotionen nicht erst einziehen müssen, um ihre Wirkung zu entfalten, sondern sofort wirken. Außerdem sollen sie für Allergiker besser verträglich sein. Der Nachteil: Die Cremes sind – besonders bei hohem Lichtschutzfaktor – oftmals zähflüssig und lassen sich schlecht verreiben. Noch störender ist für viele aber der sogenannte „Weißeleffekt“: Dieser entsteht, wenn nicht nur das UV-Licht, sondern auch das sichtbare Licht reflektiert wird. Ein unschöner weißer Film zeichnet sich dann auf der Haut ab. Um dem Weißeleffekt entgegenzuwirken, verkleinern einige Naturkosmetik-Hersteller die Weißpigmente bis in den Nanobereich, also winzig kleine Partikel von einem Millionstel Meter. Aber auch in konventioneller Creme, sprich, mit chemischem Filter, finden sich die Nano-Partikel. Problematisch sind diese Teilchen, weil sie im Verdacht stehen, aufgrund ihrer minimalen Größe in den Körper eindringen und sich dort ablagern zu können.

Aktuell in der Debatte sei der Stoff Nano-Titandioxid, der als mineralischer UV-Filter genutzt wird und auch in Naturkosmetik-Produkten enthalten sein kann. In Tierversuchen lösten hohe Dosen, eingenommen über die Atemwege, Lungenkrebs aus. Außerdem verschlechterte sich die Fruchtbarkeit der Tiere, so ein Bericht im „Waschbär-Magazin“, dessen Zielgruppe Menschen mit ökologischem Lebenswandel sind. Für Algen und Wasserflöhe sei der Stoff zudem giftig. Ob und welche gesundheitlichen Folgen die Nano-Partikel für den Menschen haben könnten, ist bislang noch nicht erforscht. Seit Juli 2013 gilt aber laut einer EU-Verordnung für Kosmetika und Körperpflegeprodukte die Kennzeichnungspflicht. Wenn im Produkt Inhaltsstoffe in Nanogröße eingesetzt werden, müssen Hersteller dies mit dem Zusatz „Nano“ kenntlich machen.

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