Max Kühbeck lebt seit sechs Jahren mit einem Herzunterstützungssystem. „Ein geschenktes Leben“, wie er sagt. Wie lebt es sich mit diesem System, wie funktioniert es und was sind Herausforderungen für die Zukunft? Antworten geben Herzchirurg Prof. Dr. Christof Schmid am Universitätsklinikum Regensburg (UKR) und Max Kühbeck.
Prof. Schmid, seit 2007 leiten Sie die Klinik und Poliklinik für Herz-, Thorax- und herznahe Gefäßchirurgie des UKR und haben viele Patienten mit Herzinsuffizienz behandelt. Was versteht man darunter und wie häufig kommt sie vor?
Prof. Schmid: Herzinsuffizienz bedeutet, dass die Pumpleistung des Herzens nicht mehr ausreicht und somit zu wenig sauerstoffreiches Blut in die Organe befördert wird. In Deutschland ist dies die dritthäufigste Todesursache, etwa 50.000 Personen sterben jährlich an Herzinsuffizienz.
Welche Therapiemöglichkeiten gibt es bei Herzinsuffizienz im Endstadium?
Prof. Schmid: Die korrekte Bezeichnung für Herzinsuffizienz im Endstadium ist medikamentös-refraktäre Herzinsuffizienz, d.h. sie bleibt trotz wiederholter Therapieversuche mit verschiedenen Medikamenten bestehen. Sind weitere Therapiemaßnahmen wie etwa spezielle Schrittmacher ausgereizt, ist die Herztransplantation die beste Behandlungsoption. Leider stehen nicht ausreichend Spenderherzen zur Verfügung. Ist eine Transplantation nicht möglich, sind Herzunterstützungssysteme (engl. VADs) die beste Alternative. In Deutschland werden jährlich etwa 1.000 VADs eingesetzt, aber nur etwa 300 Herzen
transplantiert.
Welche Schwierigkeiten sehen Sie bei der Therapie der terminalen Herzinsuffizienz?
Prof. Schmid: Oft kommen Patienten viel zu spät in die Klinik, weil sie den Arztbesuch zu lange herausgezögert haben. Ein weiteres Problem ist, dass Kardiologen die medikamentöse Behandlung häufig zu sehr ausreizen, bevor sie den Patienten an den Herzchirurgen überweisen. Die Kardiologen sollten den Stellenwert der VADs anerkennen und die Patienten rechtzeitig überweisen, da der Zeitpunkt der Implantation ganz entscheidend ist. Klagt ein Patient über Atemnot, ist aber noch nicht bettlägerig, stehen die Chancen für einen Therapie-erfolg wesentlich besser, als wenn er schon auf einer Intensivstation behandelt werden muss.
Welche Möglichkeiten gibt es, Patienten im kritischen Zustand zu retten?
Prof. Schmid: Für die schwersten Fälle setzen wir eine miniaturisierte, mobile Herz-Lungen-Maschine ein, die es ermöglicht, den Patienten schnell zu stabilisieren und gegebenenfalls in unsere Klinik zu transportieren. Einmalig für Deutschland sind unsere Notarzteinsätze mit der mobilen Herz-Lungen-Maschine. Ohne sie hätten die Patienten keine Chance auf eine weiterführende Therapie.
Eine Therapiemöglichkeit sind Linksherzunterstützungssysteme (LVADs). Wie funktionieren sie?
Prof. Schmid: Ein LVAD ist eine mechanische zweite linke Herzkammer, die man parallel zur geschwächten, natürlichen linken Herzkammer schaltet. Es transportiert das Blut aus der linken Herzkammer in die Hauptschlagader, wie es das gesunde Herz tun würde.
Was sind aus Ihrer Sicht die Herausforderungen der VAD-Therapie?
Prof. Schmid: In der Pumpe trifft das Blut mit hoher Geschwindigkeit auf Fremdoberflächen. Dies kann die Blutzellen und Eiweißstoffe zerstören, sodass Blutungskomplikatio-nen möglich sind. Möglicherweise wird auch das Blutgerinnungssystem aktiviert, was zu Blutgerinnseln führen kann. Besonders gefährlich sind Gerinnselbildungen in der Pumpe. Sie können zu einem Ausfall der Pumpe führen oder das Gerinnsel wandert in den Kopf des Patienten und er erleidet einen Schlaganfall. Die Achillesferse von VADs ist das Kabel, das die Pumpe mit der Stromversorgung verbindet und am Bauch austritt. An der Eintrittsstelle können Infektionen entstehen, die sich bis zum Herzen ausbreiten können.
Bei der Wahl des VADs vertrauen Sie auf High-Tech aus Deutschland – warum?
Prof. Schmid: Ich nutze seit 2001 das INCOR® LVAD der Berlin Heart GmbH. Im Einbau unterscheiden sich die verschiedenen LVAD-Systeme kaum. Das INCOR® System verursacht jedoch im Vergleich nahezu keine Zellschädigung – in unseren Untersuchungen sahen wir keine Zerstörung der Blutkörperchen. Wir haben auch keine Blutungskomplikationen im Magen-Darm-Trakt festgestellt. Und in unserer Klinik traten keine Pumpenstopps aufgrund von Gerinnseln auf. Mit Berlin Heart arbeiten wir sehr gut zusammen und können gemeinsam Probleme erörtern, der gute Service ist für uns wichtig.
Herr Kühbeck, wie kam es bei Ihnen dazu, dass Sie ein VAD benötigten?
Kühbeck: 2006 litt ich nach einer verschleppten Sommergrippe an Atemnot. Daraufhin erhielt ich einen Defibrillator. Drei Jahre später bekam ich wieder nur wenig Luft. Im Krankenhaus in Passau wurde ich wiederbelebt und nach Regensburg geflogen. Ich litt an einer Virusmyokarditis, also an einer Herzmuskelerkrankung nach einem Infekt. In Regensburg wurde mir das VAD implantiert. Es gab sonst keine andere Therapiemöglichkeit mehr für mich. Wenige Wochen nach der OP konnte ich nach Hause und lebe seitdem mit dem System.
Wie sieht ihr Alltag mit dem VAD aus?
Kühbeck: Im Alltag habe ich meine Tasche immer dabei. In ihr trage ich meine Akkus und die Steuereinheit, die die Pumpe antreiben. Ich bin so weit wie möglich aktiv. An meinem Geburtstag waren wir sogar in den Bergen. Man lebt recht gut damit, muss nur seine Grenzen kennen. Manche Menschen halten mich wegen der Umhängetasche für einen Kontrolleur.
Wie sehen Sie im Rückblick die sechs Jahre mit dem VAD?
Kühbeck: Wenn es das System bzw. die Technik nicht gegeben hätte, wäre es nicht mehr weiter gegangen und ich würde die Zeit mit meiner Frau und meiner Familie nicht mehr erleben. Für mich ist es ein geschenktes Leben.