Ausgeklügelte Abwehr

Es ist so individuell wie jeder einzelne Mensch, hat einen wichtigen, aber auch harten Job, muss sich ständig auf neue Feinde einstellen und schießt dabei schon mal über das Ziel hinaus: Das Immunsystem.
Illustrationen: Wyn Tiedmers
Illustrationen: Wyn Tiedmers
Julia Thiem Redaktion

Wir befinden uns im Krieg. Täglich. Und der findet in unserem eigenen Körper statt. Dort nämlich sorgt unser Immunsystem dafür, dass Umwelteinflüsse aber auch Mikroorganismen wie Bakterien, Pilze oder Viren nach Möglichkeit keine Chance haben und wir nicht krank werden – und dass zum Teil mit schwerem Geschütz und einem ausgeklügelten, mehrstufigen System. An vorderster Front stehen dabei Haut und Schleimhäute. Sie sind eine erste Barriere für potenzielle Eindringlinge, die beispielsweise über bakterienhemmende Substanzen im Speichel oder der Tränenflüssigkeit gestoppt werden. Hinzu kommen Reflexe wie Husten oder Niesen, die direkt wieder nach draußen befördern, was körperfremd ist.

 

Hat es dennoch ein Erreger ins Innere geschafft, kommen die primären und sekundären lymphatischen Organe zum Einsatz. Zu ersteren zählen Knochenmark und Thymusdrüse, in denen bestimmte Abwehrzellen, die Lymphozyten, gebildet werden. Zu letzteren zählen beispielsweise die Milz oder auch die Lymphknoten und anderes lymphatisches Gewebe, die zusammen für die aktive Immunabwehr zuständig sind.

 

Darüber hinaus unterscheidet die Wissenschaft zwischen dem angeborenen und erworbenen Immunsystem. Das angeborene reagiert ziemlich schnell, aber auch sehr unspezifisch auf Eindringlinge – etwa, indem Killer- und Fresszellen an die Front geschickt werden. Das erworbene Immunsystem arbeitet hingegen hochspezifisch und kann sich über das sogenannte Immungedächtnis sogar an potenzielle Feinde erinnern. Hier ist das Zusammenspiel verschiedener Komponenten auch wesentlich diffiziler. Beispielsweise erkennen spezielle Immunzellen infiziertes Gewebe, um es zu beseitigen, oder Antikörper bekämpfen Keime in den Körperflüssigkeiten. Auf diese Weise wird für zehntausende Erreger das passende Abwehrprogramm bereitgestellt.

 

Allerdings liegt auch genau hier eine große Schwierigkeit. Denn das erworbene Immunsystem muss für diese präzise Abwehr zwischen körpereigenen und körperfremden Strukturen unterscheiden können. Dafür drückt es in den ersten Lebensjahren eines Menschen sprichwörtlich die Schulbank. Im Thymus, einem Organ oberhalb des Herzbeutels, lernt bereits vor der Geburt ein Teil der weißen Blutkörperchen, die T-Zellen, nur fremde Strukturen anzugreifen. Das unterstreicht, wie individuell das Immunsystem bei jedem Menschen ist und liefert auch eine Erklärung, warum es sich dennoch manchmal gegen körpereigene Strukturen wendet. Diese sogenannten Autoimmunerkrankungen nehmen immer mehr zu und gehören mittlerweile zu den häufigsten chronischen Erkrankungen in Deutschland.

 

Aber auch Erreger machen es dem Immunsystem nicht immer einfach, wie eine neue Studie von Berliner Forschern jetzt im Fall des Sars-CoV-2 zeigen konnte. Das Virus nutzt offenbar einen antiviralen Botenstoff unseres Körpers aus, um in Zellen einzudringen und sich zu vermehren. Schwere Verläufe von Covid-19 stehen also nicht zwangsläufig mit einem „schwachen“ Immunsystem in Zusammenhang. Vielmehr findet in unserem Körper ein tägliches Wettrüsten zwischen Immunabwehr und Eindringlingen statt, wo immer mal wieder eine Partie die Oberhand hat – und wo es mit körpereigenen Zellen auch ab und an zu Kollateralschäden kommt.   

 

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