Qualmen war gestern

Die E-Zigarette kann helfen, vom Tabak wegzukommen – sagt Dr. Thomas Nahde von Imperial Brands, Muttergesellschaft des Tabakunternehmens Reemtsma.

DR. THOMAS NAHDE Global Head of Harm Reduction and Engagement bei Imperial Brands
DR. THOMAS NAHDE Global Head of Harm Reduction and Engagement bei Imperial Brands
Reemtsma Beitrag

Herr Dr. Nahde, was bedeutet der Begriff „Harm Reduction“, der auf verschiedene schädliche Substanzen und Verhaltensweisen abzielt, im Falle von Reemtsma und Imperial Brands? Warum hat sich das Unternehmen dieses Ziel auf die Fahnen geschrieben?

„Harm Reduction“ bedeutet Schadensminderung und beschreibt, wie sich potenziell risikobehaftetes Verhalten zwar nicht harmlos, aber deutlich weniger riskant gestalten lässt. Beispiele dafür gibt es zuhauf. So machen Sonnencreme, Anschnallgurte oder Fahrradhelme das Sonnenbaden, Auto- oder Fahrradfahren nicht komplett sicher, senken aber mögliche gesundheitliche Risiken deutlich. Beim Konzept „Tobacco Harm Reduction“ geht es um die Minderung von Gesundheitsfolgen, die vor allem mit der Inhalation von Tabakrauch verknüpft sind. Neuartige Produkte wie E-Zigaretten können dabei eine wichtige Rolle spielen, indem sie die gesundheitlichen Risiken für erwachsene Raucher reduzieren können, die nicht auf Nikotin verzichten wollen und sonst weiterhin herkömmliche Tabakprodukte rauchen würden.
 

Ist der Gebrauch von E-Zigaretten tatsächlich weniger gesundheitsschädigend als herkömmliche Tabakprodukte?

E-Zigaretten verbrennen keinen Tabak, sondern erhitzen Flüssigkeiten mit oder ohne Nikotin und verschiedenen Aromastoffen. Das eingeatmete Aerosol weist im Vergleich zu herkömmlichem Tabakrauch deutlich weniger Schadstoffe auf und diese auch in geringeren Mengen. Das macht diese Produkte zu einer sinnvollen und wirksamen Alternative, um die Gesundheitsrisiken des Tabakkonsums potenziell zu reduzieren oder gar ganz mit dem Rauchen aufzuhören. Dazu gibt es weltweit immer mehr unabhängige wissenschaftliche Untersuchungen und Studien. Auch wir leisten in den Laboren von Reemtsma und im Verbund von Imperial Brands großen Forschungsaufwand, um mit wissenschaftlichen Daten und Erkenntnissen zu einer faktenbasierten Diskussion über die Vorteile und mögliche Risiken neuartiger Produkte beizutragen.
 

Welche Studienergebnisse zeigen, dass der Umstieg von Zigaretten auf nikotinhaltige E-Zigaretten den Rauchstopp erleichtert?

Beispielsweise der jüngste „Cochrane Review“ von Anfang 2024, für den insgesamt 88 wissenschaftliche Studien mit über 27.000 Probanden ausgewertet wurden. Fazit: Nikotinhaltige E-Zigaretten bieten eine höhere Wahrscheinlichkeit für einen erfolgreichen Rauchstopp als etwa Nikotinersatztherapien. Doch egal ob mit oder ohne Nikotin, entscheidend ist bei E-Zigaretten das Fehlen von Tabak und dessen Verbrennung samt Inhalation des Tabakrauches. Das ist es, worum es bei „Tobacco Harm Reduction“ in erster Linie geht, nicht ums Nikotin. Nikotin ist eine natürliche Substanz, die weder als krebserregend noch als Hauptursache für Erkrankungen gilt, die mit dem Rauchen in Verbindung stehen. Leider ist das sehr vielen Menschen und selbst medizinischem Fachpersonal oft nicht bewusst.

Elsa Donald, Unsplash
Elsa Donald, Unsplash

Welche Rolle spielen Aromastoffe in E-Zigaretten bei der Tobacco Harm Reduction? Inwiefern können sie einen Beitrag dazu leisten, die Schädlichkeit zu reduzieren?

E-Zigaretten sind ein Genussmittel für Erwachsene, kein Arzneiprodukt. Eine gewisse Vielfalt von Aromen jenseits des klassischen Tabakgeschmacks ist bei E-Zigaretten daher immens wichtig, um deren Akzeptanz und Nutzung bei Verwendern zu steigern. Sehr viele Konsumentenstudien zeigen, dass ein Großteil der umstiegswilligen erwachsenen Raucher bewusst weg wollen vom „alten“ Tabakgeschmack. Insofern ist eine gewisse Aromenvielfalt bei E-Zigaretten, die zudem verantwortungsvoll vermarktet wird, entscheidend, um Verbraucherinnen und Verbraucher davon zu überzeugen, mit dem herkömmlichen Rauchen aufzuhören – und auch nicht wieder damit anzufangen.
 

Welche Verschärfungen beziehungsweise Durchsetzung von Gesetzen, die E-Zigaretten betreffen, sollten Ihrer Meinung nach in Angriff genommen werden? Und warum setzt sich Reemtsma in Deutschland dafür ein?

E-Zigaretten stehen seit Monaten im Fokus der öffentlichen und politischen Debatte. Oft werden mit Verweis auf Gesundheits- und Jugendschutz Pauschalverbote gefordert, zum Beispiel ein komplettes Aromaverbot. Auch wir als Hersteller sehen mit Sorge, dass der deutsche E-Zigarettenmarkt viele Produkte aufweist, die hierzulande eigentlich gar nicht auf dem Markt sein dürften. Produkte, die nicht ordnungsgemäß versteuert oder gekennzeichnet sind, die unzulässige Inhaltsstoffe oder zu viel Liquid beziehungsweise Nikotin enthalten. Hinzu kommt, dass Menschen unter 18 viel zu einfach an diese Produkte gelangen. Darunter leiden der gesamte legale Markt und das Konzept „Tobacco Harm Reduction“. Dabei fehlt es E-Zigaretten in Deutschland nicht an Regulierung. Welche Produkte hierzulande an wen verkauft werden dürfen, ist gesetzlich klar geregelt. Es fehlt aber an effektiven behördlichen Kontrollen und der Durchsetzung dieser Regeln sowie an wirksamen Strafen, die dubiose Hersteller und Händler tatsächlich abschrecken.

https://www.reemtsma.com/
 

Wie sieht der Dialog von Reemtsma mit Entscheidungsträgern in Wissenschaft und Politik sowie anderen gesellschaftlich relevanten Gruppen in Bezug auf Risiken des Rauchens aus?

Wir stehen für Transparenz, offenen Austausch und einen fairen Diskurs, selbst wenn man unterschiedlicher Meinung sein sollte. Wir suchen aktiv den Austausch mit allen, die ernsthaft an einem konstruktiven Dialog interessiert sind. Aufklärung zu leisten, Missverständnisse auszuräumen und Vertrauen auf- und auszubauen sind unsere Ziele. Um das zu erreichen, sprechen wir offen über die Risiken des Rauchens und des Nikotingenusses für die Gesundheit. Wir machen unsere Forschungsarbeit transparent und richten sie nach anerkannten wissenschaftlichen Qualitätskriterien aus, so veröffentlichen wir unsere Studien und unterwerfen sie einem wissenschaftlichen Peer-Review-Verfahren. Wir setzen uns mit großem Aufwand für eine fundierte Konsumentenaufklärung ein und fördern einen informierten, wissenschaftsbasierten Dialog über das Konzept von „Tobacco Harm Reduction“. All das ist Teil unserer gesellschaftlichen Verantwortung.

Nächster Artikel
Medizin
November 2024
Illustration: Ivonne Schreiber
Redaktion

Genuss ohne Reue?

Wenn es um missbräuchlichen Alkohol- und Tabakkonsum geht, ist die klassische Forderung: Abstinenz.
Medizin
November 2024
Weil antimikrobielle Resistenzen kontinuierlich zunehmen, ist ein verantwortungsvoller Umgang mit Antibiotika essenziell – CRP-Tests können helfen.
Beitrag

Die stillen Angreifer

Was passiert, wenn Antibiotika nicht mehr helfen, möchte man sich nicht ausmalen. CRP-Testungen am Point-of-Care tragen zum verantwortungsvollen Antibiotikaeinsatz bei.