Hart, aber wahr: Auch für Krankheiten gelten die Bedingungen der Aufmerksamkeitsökonomie. Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder COVID-19 dominieren die Medienlandschaft, während Diabetes häufig übersehen wird. Dabei ist die Krankheit längst eine Epidemie: Laut dem Deutschen Gesundheitsbericht Diabetes 2025 der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) sterben in Deutschland stündlich drei Menschen an den Folgen von Diabetes. Jährlich führt die Erkrankung zu 40.000 Amputationen, 2.000 Erblindungen und ebenso vielen Dialysefällen. Zudem erhöht Diabetes das Schlaganfallrisiko drastisch.
DIE UNERKANNTE GLOBALE EPIDEMIE
Nach aktuellen Schätzungen leiden hierzulande mindestens 9,1 Millionen Menschen unter Typ-2-Diabetes, hinzu kommen 340.000 Erwachsene sowie 32.000 Kinder und Jugendliche mit Typ-1-Diabetes. Weltweit sind laut der Internationalen Diabetes-Föderation (IDF) rund 425 Millionen Menschen betroffen – Tendenz steigend: Bis 2045 könnten es bereits 700 Millionen sein.
Ein großes Problem dabei ist die hohe Dunkelziffer: Weil Symptome oft unspezifisch sind oder zunächst fehlen, wissen viele Menschen gar nicht, dass sie erkrankt sind. In Deutschland sind das nach DDG-Angaben rund zwei Millionen Betroffene. Diese unerkannte Masse trägt dazu bei, dass Diabetes nicht die öffentliche Aufmerksamkeit bekommt, die es verdient.
PATIENTENNAHE HBA1C-TESTUNG: SCHLÜSSEL ZUR FRÜHERKENNUNG
Eine entscheidende Rolle spielt die frühzeitige Diagnose. Der HbA1c-Wert – das glykierte (verzuckerte) Hämoglobin – hat sich als verlässlicher Indikator für die langfristige Blutzuckerkontrolle etabliert. Der Wert zeigt den durchschnittlichen Blutzuckerspiegel der letzten acht bis zwölf Wochen und ist ein wichtiger Marker zur Erkennung und Therapieüberwachung von Diabetes. Ein Wert unter 5,7 Prozent ist normal, 5,7–6,4 Prozent weist auf ein erhöhtes Risiko hin, ab 6,5 Prozent liegt Diabetes vor.
Die klassische HbA1c-Bestimmung erfolgt in Laboren, was eine zeitliche Verzögerung zwischen Testung und Diagnose mit sich bringt. Hier setzt die Point-of-Care-Testung (PoC) an: Sie ermöglicht eine unmittelbare Messung des HbA1c-Werts direkt in der Arztpraxis, Apotheken oder mobilen Diagnostikzentren – und das mit nur einem kleinen Blutstropfen aus der Fingerbeere.
Die Vorteile sind beachtlich: Zum einen liegen die Ergebnisse in wenigen Minuten vor, was eine sofortige Therapieanpassung ermöglicht. Außerdem ist keine aufwändige Labordiagnostik nötig – moderne PoC-Tests liefern ebenso zuverlässige, vergleichbare Ergebnisse wie ein Labor. Und schließlich kann ein einfacher Test unerkannte Diabetes-Fälle aufdecken und eine sofortige Beratung ermöglichen.
WISSENSCHAFTLICH BELEGTER NUTZEN
Zahlreiche Studien belegen die Vorteile der PoC-HbA1c-Testung. So schreiben Emma English und Kollegen 2018 im Fachjournal Clinical Laboratory International: „PoC-Tests für HbA1c spielen eine wertvolle Rolle im Kampf gegen die globale Diabetes-Epidemie. Sie liefern schnelle und genaue Ergebnisse, die das Potenzial haben, die Patientenversorgung ebenso zu verbessern wie die rasche Diagnosestellung und Therapieanpassung.“
Studien zeigen, dass PoC-Tests die Wahrscheinlichkeit erhöhen, unentdeckten Diabetes aufzudecken sowie auch die Abläufe in Arztpraxen zu optimieren. Häufigere Tests und engmaschige Kontrolle verbessern die Blutzuckereinstellung und helfen, schwere Komplikationen wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Nierenschäden oder das diabetische Fußsyndrom zu vermeiden.
Dr. Nikolaus Scheper, 1. Vorsitzender der BVNDakademie, die die Fortbildung niedergelassener Diabetologen maßgeblich vorantreibt, sagt: „Die Point-of-Care-Messung von Blutzucker und HbA1c ist eine der wesentlichen Säulen bei der direkten und zeitnahen kompetenten Betreuung von Menschen mit Diabetes in diabetologischen Schwerpunktpraxen in Deutschland. Diese Tatsache unterscheidet diese Praxen – und damit auch deren Betreuungsqualität – von allen anderen Versorgungseinrichtungen."