Mehr als Rückenschule

Beim Betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM) geht es nicht allein um die körperliche Fitness. Auch die psychische Verfassung der Mitarbeiter spielt eine wichtige Rolle.
Illustration: Kiyoshi Stelzner
Illustration: Kiyoshi Stelzner
Heinke Kegler Redaktion

Zu viele Termine, wenig Pausen, ein schlechtes Betriebsklima: Neun von zehn Arbeitnehmern in Deutschland fühlen sich im Job gestresst – zeitlich und emotional. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie Betriebliches Gesundheitsmanagement 2016, für die im Auftrag der pronova BKK bundesweit 1.600 Teilnehmer befragt wurden. Vor allem junge Menschen geben an, dass  der Job sie stark belaste. „Die jungen Generationen sind von der Flexibilisierung und Digitalisierung der Arbeitswelt besonders stark betroffen“, sagt Gerd Herold, Arbeitsmediziner der pronova BKK. „Gleichzeitig ist der Job für sie besonders identitätsstiftend, sodass sie vollen Einsatz bringen wollen und dabei die eigenen Belastungsgrenzen häufig zu spät erkennen.“ Nur 40 Prozent der Angestellten nehmen sich täglich Zeit für eine Mittagspause, und fast jeder Dritte verlässt seinen Arbeitsplatz im Laufe des Tages nur ein einziges Mal. Häufig sind es Führungskräfte, die dieses Verhalten vorleben – laut der Studie dient nur ein Fünftel von ihnen als Vorbild für gesundheitsförderndes Arbeiten: „Das setzt viele Angestellte unter Zugzwang“, so Herold. „Dabei sind Pausen im Arbeitsalltag zum Auftanken und Abschalten immens wichtig. Wenn aber die Vorgesetzten nicht mit gutem Beispiel vorangehen, setzt sich eine gesunde Pausenkultur nicht durch.“


Maßnahmen wie Obstkörbe in den Firmenküchen oder ergonomische Büromöbel sind gesundheitsfördernd und auch für kleinere Unternehmen relativ leicht umsetzbar. Doch die Zahlen zeigen, dass der Fokus verstärkt auch auf der psychologischen Ebene liegen sollte und die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeiter miteinbezogen werden müssen. „Unternehmen sollten neben jungen Angestellten auch Mitarbeiter mit familiären Verpflichtungen in ihren Konzepten zur Gesundheitsförderung besonders berücksichtigen“, empfiehlt Gerd Herold. „Dabei gilt es, nicht nur Frauen mit Kindern anzusprechen, sondern auch Männer, da diese sich zunehmend an der so genannten Familienarbeit beteiligen und einen Spagat zwischen Karriere und Familie meistern müssen.“


Ein erfolgreiches BGM befindet sich in einem ständigen Prozess. „Es tun sich immer neue Felder auf“, meint Markus Siebenmorgen, Pressesprecher im Bereich Personal und Sozialpolitik bei Bayer. Das Unternehmen ist einer der Top-Arbeitgeber 2017 und verdankt dies unter anderem seinem Betrieblichen Gesundheitsmanagement. Neben Vorsorgeuntersuchungen, Sportangeboten und flexiblen Arbeitszeiten bietet der Konzern seinen Mitarbeitern jährlich Aktionen zu wechselnden Gesundheitsthemen an. Aktuell steht die Erholungsfähigkeit im Mittelpunkt. Zudem können Angestellte und ihre Familien Arbeitspsychologen in Anspruch nehmen. Dass große Unternehmen mehr Möglichkeiten für gesundheitsfördernde Maßnahmen haben, liegt auf der Hand. Aber: „Ein erfolgreiches BGM dient der Gesundheit und Leistungsfähigkeit aller Mitarbeiter, und es soll physischen und psychischen Belastungen vorbeugen“, meint Doris Berve-Schucht, Pressesprecherin beim Bundesministerium für Gesundheit. Sie fasst damit das Wichtigste in einem Satz zusammen. Genau darum sollte es letztendlich allen Führungskräften gehen – ganz unabhängig von der Größe ihres Unternehmens.

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