Frau Bissinger, warum greifen gerade junge, gesundheitsbewusste Menschen so gern zu Huhn?
Viele junge und gesundheitsbewusste Menschen entscheiden sich bewusst für Geflügelfleisch, weil sie es als besonders fettarm, eiweißreich und gesund wahrnehmen. Hinzu kommt, dass die Geflügelindustrie gezielt mit einem regionalen und nachhaltigen Image wirbt. Das trifft besonders auf Flexitarier zu – also Menschen, die gelegentlich Fleisch konsumieren und sich bereits kritisch mit den Auswirkungen von Fleisch auf Gesundheit und Umwelt auseinandergesetzt haben. Auch in der Fitnessszene ist Hähnchenfleisch beliebt – Proteine gelten dort als essenziell. Insgesamt führt diese Wahrnehmung dazu, dass der Konsum von Geflügel in Deutschland leicht steigt, auf derzeit etwa 13,6 Kilo pro Kopf und Jahr – während der allgemeine Fleischverzehr sinkt.
Die Vorstellung, Geflügelfleisch sei grundsätzlich gesünder als andere Fleischsorten, ist weit verbreitet – aber wissenschaftlich nicht haltbar. Studien zeigen, dass auch der Konsum von Geflügel den Cholesterinspiegel erhöhen kann – und zwar in ähnlichem Maße wie rotes Fleisch. Darüber hinaus erhöht er das Risiko für Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die gesundheitlichen Risiken werden also häufig unterschätzt. Auch deshalb plädiert VIER PFOTEN dafür, die Rolle von Fleisch in der Ernährung grundsätzlich zu überdenken – insbesondere vor dem Hintergrund der inzwischen gut dokumentierten Gesundheitsgefahren.
Wie gefährlich ist Hähnchen wegen antibiotikaresistenter Keime – für uns und die Welt?
Die industrielle Hähnchenmast steht in engem Zusammenhang mit dem Einsatz großer Mengen an Antibiotika. Rund 99 Prozent der Masthühner in Deutschland leben in großen Ställen mit über 10.000 Tieren. Aufgrund von Platzmangel, fehlendem Auslauf und Qualzuchten, die auf schnelles Wachstum gezüchtet sind, treten häufig Krankheiten auf. Um diese unter Kontrolle zu halten, kommen Antibiotika zum Einsatz – teils sogar sogenannte Reserveantibiotika, die eigentlich Menschen in Notfallsituationen vorbehalten sein sollten.