Maria P. (Name von der Redaktion geändert) ist eine aktive Best-Agerin, die eine besondere Freundlichkeit ausstrahlt. Zusammen mit ihrem Mann und ihrem Sohn lebt sie in der Nähe von München. Sie liebt die Natur und genießt es, draußen im Grünen zu sein. Beides steht im Einklang mit ihrer beruflichen Laufbahn als selbstständige Floristin und mit dem Familienhobby „Radfahren“. Dieser Einklang geriet allerdings ins Wanken, als bei Maria P. im Herbst 2017 endokrine Orbitopathie (EO) diagnostiziert wurde. EO ist eine seltene Erkrankung der Augenhöhle, deren sofort erkennbare Leitsymptome hervortretende Augäpfel verbunden mit einem starren, böse wirkenden Blick sind.1’2
Zudem können zahlreiche weitere Beschwerden wie Schmerzen und ein Druckgefühl hinter den Augen, Sehen von Doppelbildern, trockene, brennende oder tränende Augen, geschwollene Augenlider und Lichtempfindlichkeit auftreten.1’2 Diese Symptome schränken die Betroffenen bei Alltagsaktivitäten oder im Berufsleben häufig stark ein.3’4 So auch bei Maria P., die im Verlauf der Erkrankung ihre Arbeit aufgeben musste – zu groß waren die Belastungen. Ihr Aussehen hatte sich durch die EO sichtbar verändert und es verging kaum ein Tag, an dem sie von ihren Freunden* oder Kunden nicht darauf angesprochen oder einfach nur angestarrt wurde. Ihre weiteren EO-Symptome machten es ihr zudem nicht mehr möglich, ihrem Hobby nachzugehen, so dass sie auch das Radfahren an den Nagel hängen musste.
Dennoch meistert Maria P. ihr Leben mit EO und möchte anderen Betroffenen Mut machen. Unterstützung erhält sie dabei nicht nur von ihrer Familie, sondern auch von ihrer behandelnden Augenärztin, Privatdozentin Dr. med. Aylin Garip-Kübler aus München. Die beiden „haben sich gesucht und gefunden“. Im Interview# sprechen sie über ihre Wünsche und Forderungen in Bezug auf die Erkrankung:
Frau P., wenn Sie zurückblicken – wie lange dauerte es, bis Sie wussten, dass Sie an EO erkrankt sind?
Maria P.: Bei mir ging das eigentlich recht schnell. Im Februar 2017 erhielt ich aufgrund starker Symptome zunächst die Diagnose Morbus Basedow. Daraufhin habe ich mich mit dieser Schilddrüsenerkrankung auseinandergesetzt und dabei auch schon etwas über endokrine Orbitopathie erfahren. Im Herbst 2017 bekam ich dann die ersten Symptome an den Augen, explizit Schwellungen. Schon da dachte ich mir, das könnte jetzt endokrine Orbitopathie sein. Diese Diagnose wurde mir vom dritten Arzt, den ich aufgesucht hatte, aufgrund von ausführlichen Untersuchungen bestätigt.
Was waren die ersten Krankheitsanzeichen der EO?
Maria P.: Angefangen hat es mit einer massiven Schwellung im Oberlid und etwas weniger auch im Unterlid. Danach kam eins nach dem anderen hinzu, zum Beispiel tagelang stark gerötete Augen und auch eine sehr starke Lichtempfindlichkeit. Besonders beeinträchtigend und schmerzhaft war helles künstliches Licht. Aber auch Wind oder trockene Luft, vor allem Heizungsluft, waren kaum zu ertragen. Hinzu kam dann, dass ein Auge hervorgetreten ist und ich es nicht mehr richtig schließen konnte. Daher trocknete das Auge aus. Vor allem nachts war es sehr unangenehm. Ich hatte das Gefühl, das Auge wird von hinten nach vorne gedrückt und ich meinte immer, ich muss dagegen drücken, um diese Symptome irgendwie zu lindern.
Maria P. erhielt recht schnell ihre EO-Diagnose. Das ist aber wohl nicht immer so. Woran liegt es, dass manche Patienten viel längere Wege gehen müssen?
Dr. Garip-Kübler: EO zählt zu den seltenen Erkrankungen, also betrifft definitionsgemäß weniger als fünf von 10.000 Menschen. Die große Schwierigkeit ist, dass die Symptome unspezifisch sein können oder anderen Krankheitsbildern ähneln. Letztlich wäre es wichtig, dass der Hausarzt das Krankheitsbild kennt. Wenn ein Patient kommt und morgens stärkere Ober- oder Unterlidschwellungen zeigt, die im Laufe des Tages abnehmen, oder wenn deutliche Entzündungssymptome auftreten, sollte der Hausarzt erst einmal gezielt die Hormonwerte überprüfen. Selbst wenn 10 bis 20 % der Patienten normale Schilddrüsenwerte haben, können sie trotzdem eine endokrine Orbitopathie entwickeln. Deshalb sollte man diese Erkrankung kennen und in Erwägung ziehen – auch vor dem Hintergrund, dass eine endokrine Orbitopathie in seltenen Fällen durch Kompression des Sehnervs bis zur Erblindung führen kann.
Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Risikofaktoren für EO und gibt es Dinge, die Patienten aktiv tun können?
Dr. Garip-Kübler: Studiendaten zeigen, dass Raucher ein vier- bis achtfach erhöhtes Risiko für einen schweren EO-Verlauf haben. Daher ist es das Allerwichtigste, nicht zu rauchen. Es gibt auch andere Risikofaktoren, zum Beispiel hohe Schilddrüsen-Antikörperwerte oder Diabetes. Wir Ärzte müssen den Patienten frühzeitig sagen, ob sie zu einer Risikogruppe gehören. Wenn ein Patient plötzlich Schwellungen der Augenlider bemerkt, eine Bindehautentzündung auftritt oder andere Veränderungen hinzukommen, sollte er sich sofort melden. Denn nur, wenn wir die Patienten rechtzeitig sehen, können wir sie auch rechtzeitig behandeln.
Wie hat sich Ihr Leben seit der EO-Diagnose verändert?
Maria P.: In meinem Alltag hat sich einiges verändert. Da ich ja immer diese erkrankten Augen hatte – sie waren gerötet, haben getränt, sind hervorgetreten, waren eingeblutet – war das in meinem Beruf nicht angenehm. Immer hatte ich das Gefühl, dass die Kunden mich anstarren. Und ich wurde mir auch selbst fremd. Mein Gesichtsausdruck und meine Mimik veränderten sich und die Frau, die mich im Spiegel anschaute, war eine andere als vor der Erkrankung. Ich habe mich zurückgenommen. Ausgehen machte keinen Spaß mehr, ich blieb lieber zu Hause oder irgendwo im Hintergrund.
Was wünschen Sie sich für andere Betroffene?
Maria P: Bei mir war es so, dass die Erkrankung trotz Behandlung immer weiter fortschritt und die Symptome schlimmer wurden. Aber es wurde mir gesagt, dass man nicht viel machen könne und ich damit leben müsse. Das wollte und konnte ich nicht akzeptieren. Daher habe ich lange und beharrlich gesucht, bis ich mit Frau Dr. Garip-Kübler eine Ärztin gefunden habe, bei der ich mich sehr gut aufgehoben fühle. Meine Botschaft ist, dass andere Betroffene nicht aufgeben und sich trauen sollten, weitere Meinungen einzuholen. Zudem wünsche ich mir, dass es mehr Informationen gibt – und dass Ärzte die Beschwerden ihrer Patienten ernst nehmen sowie sich auch ein wenig mehr Zeit nehmen.
Haben Sie noch eine Botschaft, die Ihnen besonders wichtig ist?
Dr. Garip-Kübler: Mir tut es immer leid, dass die Erkrankung oft unterschätzt wird. Nehmen wir das Beispiel von Maria P.: Sie war an mehreren Stellen und hat immer wieder nach Hilfe gesucht, doch ihr Leidensdruck wurde oft nicht ernst genommen. Als Ärzte stecken wir nicht in der Haut der Patienten, aber wir müssen empathisch genug sein, um zu erkennen, dass es ihnen nicht gut geht. Zu verhindern, dass die Erkrankung schwer verläuft und dazu beizutragen, dass sich die Lebensqualität der Patienten verbessert, ist schlussendlich unsere ärztliche Aufgabe.
Vielen Dank für dieses Gespräch und alles Gute für Sie beide.
INFO
Bei etwa 90 % der Patienten mit endokriner Orbitopathie liegt zudem eine Schilddrüsenüberfunktion (Morbus Basedow) vor5, wie es auch Maria P. beschreibt. Die Krankheitsanzeichen bei Morbus Basedow sind vielfältig und können sich beispielsweise auf die Herzaktivität, den Blutdruck, die Leistungsfähigkeit und das Temperaturempfinden auswirken.6
TIPP
Patienten mit endokriner Orbitopathie benötigen eine sorgfältige Betreuung. Um eine präzise und zeitnahe Diagnose zu stellen und die bestmöglichen Therapiemöglichkeiten einzuleiten, ist dabei die enge Zusammenarbeit verschiedener medizinischer Fachrichtungen zielführend.7 Sprechen Sie mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt oder informieren Sie sich im Internet über sogenannte Orbitazentren oder Orbitasprechstunden.
#Das Interview wurde am 30. Januar 2025 mit Unterstützung von Amgen in München geführt. Es kann in Auszügen unter den nachstehenden Links als Videodatei angeschaut werden:
https://patienten.amgen.de/service/seltene-erkrankungen und
https://www.amgen.de/stories/649/weltschilddruesentag-2025
Das forschende Biotechnologieunternehmen Amgen engagiert sich dafür, Diagnosewege zu verkürzen und die Lebensqualität von Patientinnen und Patienten mit schweren Erkrankungen zu verbessern. Mehr Infos gibt es im Internet unter www.amgen.de.
*Hinweis: In diesem Beitrag wird das generische Maskulinum verwendet. Die verwendeten Personenbezeichnungen dienen der besseren Lesbarkeit und beziehen sich auf alle Geschlechter.
1 Rashad R et al. Life 2022; 12(12):2084; 2 Barrio-Barrio J et al. J Ophthalmol 2015; 2015:249125; 3 Bruscolini A et al. Autoimmun Rev 2018; 17(7):639-643; 4 Smith TJ et al. Front Endocrinol 2023; 14:1283374; 5 Szelog J et al. Mo Med 2022; 119(4):343-350; 6 Gesundheitsinformation.de: Basedow-Krankheit (Morbus Basedow). Verfügbar unter: https://www.gesundheitsinformation.de/basedow-krankheit-morbus-basedow.html#Symptome. Letzter Zugriff: 20.5.2025; 7 Burch HB et al. Thyroid 2022; 32(12):1-32