Krebsmarker im Blut

Das Medizinisch Genetische Zentrum (MGZ) in München führt humangenetische Untersuchungen durch. Zum Spektrum gehört auch die Liquid Biopsy in der Krebsdiagnostik.

Dr. Ariane  Hallermayr, Head of Research & Development, Medizinisch Genetisches Zentrum
Dr. Ariane Hallermayr, Head of Research & Development, Medizinisch Genetisches Zentrum
MGZ Beitrag

Frau Dr. Hallermayr, was versteht man unter einer Liquid Biopsy?
Eine Liquid Biopsy, also eine „flüssige“ Biopsie, ist eine minimalinvasive Untersuchungsmethode in der medizinischen Diagnostik. Untersucht wird dabei nicht eine feste Gewebeprobe, sondern Körperflüssig­keiten – in der Regel Blut oder Blutplasma. Das hat den Vorteil, dass lediglich eine Blutentnahme nötig ist. Das ist deutlich weniger aufwendig als eine Gewebeprobe zu entnehmen, deren Untersuchung zudem oft mehrere Wochen dauert. Die Ergebnisse einer Liquid Biopsy hingegen liegen in der Regel schon nach ein bis zwei Wochen vor.


Welche Rolle spielt die Liquid Biopsy in der Krebsdiagnostik?
Dazu muss man wissen, dass Zellen, wenn sie absterben – und das tun sie dauernd, das ist ganz natürlich – unter anderem im Blut Teile ihres Genoms hinterlassen. Wir sprechen von frei zirkulierender DNA. Das Entscheidende ist: Auch Tumorzellen hinterlassen frei zirkulierende DNA, die durch eine Liquid Biopsy aufgespürt und analysiert werden kann. Das hat mehrere Vorteile. Neben dem erwähnten geringeren Aufwand für die Untersuchung, der ja auch den Patient:innen zugute kommt, können so auch Hinweise auf vorliegende Tumorerkrankungen gefunden werden, die an schwer zugänglichen Stellen liegen. Sie können sich vorstellen, dass eine Gewebeentnahme aus der Lunge nicht leicht ist. Die DNA-Spuren eines Lungentumors finden sich aber überall im Blut. Ähnliches gilt etwa für Darmkarzinome.


Ersetzt eine Liquid Biopsy also in Zukunft zum Beispiel eine Darmspiegelung?
Nein, das ist noch Zukunftsmusik. Die Liquid Biopsy ist allerdings schon heute ein sehr wichtiges Instrument. Eine zentrale Funktion ist das sogenannte Monitoring. Dabei schaut man, wie eine Krebsbehandlung anschlägt. Nach einer OP zum Beispiel liefert sie Hinweise darauf, ob noch Tumorreste vorhanden sind. Während einer Therapie – etwa durch Medikamente – hilft sie, den Therapiefortschritt abzuschätzen. Hier kommt eben auch ins Spiel, dass die Ergebnisse einer Liquid Biopsy sehr schnell vorliegen und sie in engen zeitlichen Abständen wiederholt werden kann.


Gibt es noch weitere Vorteile?
Ja. Gerade moderne, zielgerichtete Therapien nutzen die Genomanalyse des Tumors. Nicht jeder Tumor spricht auf jede Therapie an, deshalb muss man das individuelle Tumorgenom sehr genau kennen. Wenn Sie nun eine Gewebeprobe eines Tumors analysieren, untersuchen Sie genau diese eine Probe. Tumore verändern sich aber. Eine Liquid Biopsy kann sozusagen alle genetische Varianten eines Tumors aufspüren. Das kann therapieentscheidend sein – insofern, als dass mit einer Liquid Biopsy sehr schnell klar ist, ob eine bestimmte Therapie überhaupt anschlägt. So wird wertvolle Zeit gewonnen. Außerdem gibt sie Hinweise darauf, ob der Tumor schon gestreut hat, also Metastasen vorliegen. Wurde ein Tumor beispielsweise operativ entfernt und es findet sich dennoch frei zirkulierende Tumor-DNA im Blut, kann das auch ein Hinweis auf Metastasen sein.


Übernehmen die Kassen eine Liquid Biopsy?
Standardmäßig bislang bei bestimmten Varianten von Lungen- und Darmkrebs, ansonsten nach Kostenübernahmeantrag durch die Krankenkasse, alternativ im Rahmen einer Selbstzahlerleistung. Die Zuweisung an uns erfolgt über die behandelnden Ärzt:innen, manche Patient:innen stellen sich auch von sich aus vor, weil sie von Liquid Biopsy gehört haben. Die European Society of Medical Oncology empfiehlt seit Kurzem, die Liquid Biopsy in bestimmten Situationen einzusetzen. Für mich deutet das darauf hin, dass die Liquid Biopsy als leicht einzusetzendes Diagnoseinstrument in Zukunft zu einem anerkannten Standardverfahren in der Krebsmedizin werden wird.

www.mgz-muenchen.de
 

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