Patient im Mittelpunkt

Welche Behandlungen sind bei Krebs medizinisch sinnvoll und angemessen? Das Kompetenz-Center Onkologie prüft im Auftrag der Krankenversicherungen Qualität und Nutzen.
Illustration: Dominika Kowalska
Illustration: Dominika Kowalska
Julia Thiem Redaktion

Trotz großer medizinischer Fortschritte, innovativer Therapieansätze und neuer Meilensteine in der Diagnostik ist Krebs nach wie vor eine lebensbedrohliche Diagnose, gegen die Betroffene in der Regel mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln kämpfen wollen. Diese Betroffenheit – die eigene oder als Familienangehöriger – kann aber auch zur Folge haben, dass Therapien nicht immer objektiv beurteilt werden. Manchmal klammert man sich mit der Hoffnung nach Heilung an den berühmten Strohhalm, sei er noch so winzig.

Das ist verständlich, steht doch das eigene Leben oder das eines Angehörigen auf dem Spiel. „Gerade in der Onkologie ist mehr Therapie nicht unbedingt besser, da auch die Nebenwirkungen zu beachten sind“, erklärt Dr. med. Barbara Zimmer, Fachärztin für innere Medizin, Hämatologie und internistische Onkologie und stellvertretende Leiterin des Kompetenz-Centrum Onkologie (KCO). Umso wichtiger sei eine qualitätsgesicherte, wirtschaftliche und wissenschaftlich fundierte Beurteilung der Behandlung.

„Erforderlich ist der Nachweis, dass neue Therapien gegenüber bewährten Behandlungen relevante Verbesserungen für die Patienten ergeben“, so Dr. Zimmer. „Ein – salopp gesagt – schönes Röntgenbild in der Diagnostik hat allein keinen Mehrwert, wenn es dem behandelnden Arzt nicht dabei hilft, bessere Entscheidungen zu treffen.“

Das KCO unterstützt und berät die gesetzlichen Krankenkassen und ihre Verbände bei Fragen zur Versorgung von onkologisch erkrankten Patientinnen und Patienten. Daher prüfen Dr. Zimmer und ihre Kollegen im Auftrag der gesetzlichen Krankenkassen neue Therapien und geben grundsätzliche Einschätzungen, ob ein Ansatz sinnvoll und zielführend ist. Sie helfen auch im Einzelfall, eine medizinisch fundierte Entscheidung zu treffen, ob und welche Therapie dem Patienten einen Mehrwert bieten kann, sodass die Krankenkassen die Leistungen übernehmen. „Auch wenn wir im Auftrag der Krankenversicherungen arbeiten, legen wir Wert auf ein objektives Urteil“, betont Dr. Zimmer. „Der Patient steht im Mittelpunkt.“

Ein Beispiel ist die Magnetresonanztomographie, die als Diagnoseverfahren bei Brustkrebs häufig angefragt werde. „Hier haben wir festgestellt, dass diese sehr sensitive Diagnostik zwar einerseits mehr aufdecken, aber auch zu so genannten falsch positiven Befunden führen kann“, so Dr. Zimmer. Durch „Überdiagnostik“ könne es zu einer „Übertherapie“ kommen - die Patientin werde unnötig belastet. „Daher ist die MRT der Brust nur in bestimmten Fällen sinnvoll. Und genau deshalb ist es wichtig, onkologische Therapien und diagnostische Verfahren kritisch zu beleuchten und gegebenenfalls zu hinterfragen.“

Für eine solche Prüfung setzen die Mediziner und Fachärzte des KCO auf medizinische Studien, schauen sich die Evidenz der Medikamente und Therapien an und bedienen sich weiterer aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse. „Die Medizin entwickelt sich mit schnellen Schritten, daher braucht es fundierte Bewertungen, ob diese neuen Entwicklungen auch mit einer Verbesserung der Versorgung verbunden sind.“

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