Eigentlich dürfte es gar keinen Krebs geben. Das körpereigene Immunsystem ist stark genug, Krebszellen anzugreifen und zu vernichten, bevor sie sich einnisten und ihre zerstörerische Vermehrung beginnen können. Dabei ist das Immunsystem ein ausbalancierter Prozess, der in Balance zwischen der nötigen Aggressivität und einer überschießender Immunantwort abläuft.
Das Problem: Krebszellen täuschen das Immunsystem, indem sie diesen Mechanismus nutzen, um sich der Erkennung und des Angriffs durch das Immunsystem zu entziehen. So sind Krebszellen beispielsweise in der Lage, über Signalwege, so genannte Immun-Checkpoints, das Immunsystem auszuschalten.
Die „Checkpoints“ sind Schaltstellen im Immunsystem, an denen zelluläre Proteine dafür sorgen, dass eine laufende Immunreaktion auch wieder beendet wird. Ansonsten würden sich die T-Zellen, die Exekutive des Immunsystems, langfristig gegen das eigene Gewebe richten. Diese gezielte „Bremse“ der Immunreaktion gegen den eigenen Körper kommt allerdings auch manchen Krebszellen zugute. Da sie immer noch viele Merkmale ihres Ursprungsgewebes aufweisen, können sie typische Checkpoints und damit die eigentlich gegen sie gerichteten T-Zellen ausschalten. Die Checkpoints stellen eine Bindung zwischen T-Zelle und Tumorzelle her – und verhindern, dass die Abwehrzelle den Krebs zerstört.
Die neuen Immuntherapien setzen auf Checkpoint-Hemmer, oder wissenschaftlich „Checkpoint-Inhibitoren“. Sie stärken nicht das Immunsystem, wie fälschlicherweise manchmal geschrieben wird, sondern greifen in die Steuerung des Immunsystems ein, in dem sie diese tumorbedingte „Bremse“ der Immunabwehr über diesen Checkpoint aufheben. Nebenwirkungen können überschießende Immunreaktionen sein: Fieber, Ausschläge und Juckreiz an der Haut, aber auch Entzündungen des Darms, der Leber, der Nieren oder der Lunge.
Immuntherapien waren auch auf dem weltgrößten ASCO-Krebskongress, der Anfang Juni in Chicago stattfand, das beherrschende Thema. Viel Aufmerksamkeit gilt aktuell einer Gruppe von Medikamenten, die sich gegen den Immun-Checkpoint PD-1 richtet: Der Name PD-1 stammt vom englischen „programmed death 1“, also programmierter (Zell)Tod. Die neuen PD-1-Hemmer sorgen dafür, dass Tumoren vom Immunsystem erkannt und zerstört werden. Sie sind unter bestimmten Voraussetzungen für die Behandlung bei verschiedenen Krebsarten zugelassen, etwa Lungen-, Haut- und Darmkrebs.
Die neuen Checkpoint-Inhibitoren seien aber keine „Wunderwaffe“, warnt das Deutsche Krebsforschungszentrum. Die neuen Arzneimittel bieten Patienten eine Perspektive, für die bisher nur noch sehr eingeschränkte therapeutische Optionen zur Verfügung standen. Die Wirkung setzt zumeist erst nach einigen Wochen ein, und nicht jeder Betroffene spricht auf Immun-Checkpoint-Inhibitoren an. Bislang ist unklar, welche Patienten auf eine Therapie ansprechen, und warum die Behandlung bei anderen versagt.
Die Bremsen lockern
Die Immuntherapie gilt als eine der aussichtsreichsten Therapieformen gegen Krebs.
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