Wenn seltene Tumoren das Leben prägen

 Neurofibromatose Typ 1 und Desmoid-Tumoren sind selten, oft spät erkannt und fast immer körperlich belastend – Forschung und Früherkennung geben Zuversicht.

Madlene (18) hat Neurofibromatose Typ 1. Operationen und Therapien prägen ihr Leben – doch sie sagt sich: „Alles wird gut und glaub an dich.“
Madlene (18) hat Neurofibromatose Typ 1. Operationen und Therapien prägen ihr Leben – doch sie sagt sich: „Alles wird gut und glaub an dich.“
Springworks Therapeutics Beitrag

Madlene war zwei Jahre alt, als ihre Eltern erfuhren, dass die hellbraunen Flecken auf ihrer Haut mehr bedeuteten als bloße Pigmentstörungen. Die Diagnose: Neurofibromatose Typ 1 (NF1), eine genetische Erkrankung, bei der entlang der Nervenbahnen sogenannte plexiforme Neurofibrome (PN) entstehen können. Diese Tumoren sind zwar im biologischen Sinne gutartig, das heißt, sie bilden keine Metastasen, können aber stark wachsen und Nerven, Muskeln oder Organe beeinträchtigen. „Die Bandbreite der Symptome ist groß, die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten ebenso“, sagt Prof. Dr. Thorsten Rosenbaum, Chefarzt für Kinder- und Jugendmedizin von den Sana Kliniken Duisburg. „Manche Tumoren bleiben über Jahre stabil, andere verursachen Schmerzen, Bewegungseinschränkungen oder sichtbare Veränderungen.“

Madlene beschreibt ihren Alltag nüchtern: viele Krankenhausaufenthalte, Rehas, Arzttermine. Als Kind bekam sie eine Metallkonstruktion am Hals, um die Wirbelsäule zu stabilisieren. „Ich habe mir damals vorgenommen, das Beste daraus zu machen“, sagt sie. Heute ist sie 18 Jahre alt und hat ihren Realschulabschluss in der Tasche. „Da mache ich meine Ausbildung zuerst für den sozial-pädagogischen Assistenten, damit ich dann den Erzieher machen kann, und ich überlege danach noch zu studieren, und zwar Lehramt.“
 

„NARBEN GEHÖREN ZU MIR“


Zu Hause spielen Tiere und Familie eine große Rolle; sie lebt mit Eltern, Bruder, zwei Hunden, zwei Katzen und acht Laufenten. Ihre Erkrankung begleitet sie: „Bei der Neurofibromatose habe ich ja Tumore am Hals. Die sind jetzt schon ein paar Mal wieder gewachsen, das bedeutet immer wieder neue Therapie.“ Wie sie mit den Blicken anderer umgeht, hat sie früh entschieden: „Ich habe ja einen Fixateur bekommen und auch eine Halskrause, und ich habe mir eine Lichterkette an meinen Fixateur gemacht, weil die Leute werden ja eh gucken, damit sie auf mich zugehen können und fragen können.“ Auch ihr Verhältnis zum eigenen Körper hat sich verändert. „Anfangs haben mich meine Narben gestört. Aber langsam akzeptiere ich sie, denn sie gehören einfach zu mir.“

Es gab Rückschläge. „Kurz vor den Prüfungen zum Schulabschluss rief der Arzt an und sagte, dass die Tumore wieder gewachsen sind. Da musste ich natürlich anfangen zu weinen, eine Welt ist für mich zusammengebrochen.“ Trotzdem bleibt sie zuversichtlich: „Im Moment darf ich noch in der Spezialambulanz bleiben, und dann muss ich eben nach vorne schauen.“ Wenn sie an ihr jüngeres Ich denkt, sagt sie: „Wenn ich zurückgehen könnte, würde ich sagen: Wir schaffen es. Alles wird gut und glaub an dich.“
 

LANGE WEGE BIS ZUR DIAGNOSE


Aylin ist 26 und studiert Psychologie im Master, hat aber ein Urlaubssemester eingelegt, „um mich auf meine Erkrankung zu konzentrieren“. Ihr Desmoid-Tumor wurde im Sommer 2024 diagnostiziert. „Der Weg dahin war länger“, erzählt sie. Schon im März hatte sie im Unterbauch eine Verhärtung gespürt, die Hausärztin vermutete ein Myom und überwies sie an die Frauenärztin. „Die Frauenärztin hat mich an eine Klinik überwiesen, da wurde ich dann auch relativ zeitnah operiert.“ Während der Operation entstand der Verdacht, dass es sich um ein Sarkom handelt, „dann wurde ein MRT gemacht“. Danach folgte eine Überweisung ans Sarkomzentrum und langes Warten. „Es dauerte ungefähr zwei Monate, bis ich einen Biopsie-Termin und die Ergebnisse bekam.“ Am Telefon hieß es nur: gutartig. „Zwei Wochen später wurde mir erklärt, dass es ein Desmoid-Tumor ist.“

Aylin (26) lebt mit einem Desmoid-Tumor. Nach einem langen Weg zur Diagnose wünscht sie sich, dass sich keiner mit dieser Erkrankung allein gelassen fühlt.
Aylin (26) lebt mit einem Desmoid-Tumor. Nach einem langen Weg zur Diagnose wünscht sie sich, dass sich keiner mit dieser Erkrankung allein gelassen fühlt.

Desmoid-Tumoren sind seltene, lokal aggressive Bindegewebstumoren. Sie streuen nicht, können aber in Muskeln oder Organwände einwachsen und sich ausdehnen. „Desmoid-Tumoren treten meist im jungen Erwachsenenalter auf, häufiger bei Frauen“, erklärt Prof. Dr. Bernd Kasper, Onkologe und Leiter des Interdisziplinären Tumorzentrums am Mannheim Cancer Center. „Sie sind zwar gutartig, können aber tief ins Gewebe einwachsen und erhebliche Schmerzen verursachen.“ 

Aylin sagt: „Der Desmoid-Tumor hat mein Leben komplett auf den Kopf gestellt. Meine Reise nach dem Bachelor habe ich abgesagt, weil ich die Gesundheitsversorgung in anderen Ländern nicht so gut einschätzen kann.“ Die psychische Belastung beschreibt sie offen: „Meine psychische Gesundheit wurde auf jeden Fall von der Diagnose beeinflusst. Sehr viele existenzielle Ängste, Gedanken über die Gefahr in mir selber von der niemand weiß, wie sie sich verhält.“ Zugleich sucht sie Wege, gut zu leben – Musik, Fotografieren, Schwimmen – und Austausch: „Ich habe auf jeden Fall Kontakt mit anderen Betroffenen über ein ‚Desmoid-Project‘, eine Selbsthilfegruppe.“ Informationslücken erlebt sie dennoch: „Ich habe auf jeden Fall nicht das Gefühl gehabt, dass viele Informationen für mich bereitliegen nach meiner Diagnose.“ Und sie weiß, was ihr helfen würde: „Ich wünsche mir ein Netzwerk und eine psycho-onkologische Hilfe, besonders für junge Menschen.“
 

NEUE PERSPEKTIVEN DURCH VERSORGUNG UND FORSCHUNG


NF1 und Desmoid-Tumoren gelten als seltene Erkrankungen. Ihre Behandlung erfolgt oft in spezialisierten Zentren, wo Ärztinnen und Ärzte interdisziplinär arbeiten und Behandlungspläne regelmäßig anpassen. „Früher war die Operation meist die einzige Option, doch Rückfälle waren häufig“, sagt Kasper über die Behandlung bei Desmoid-Tumoren. Heute setzen spezialisierte Zentren auf interdisziplinäre Ansätze, bei denen Chirurgie, Onkologie, Radiologie und Reha eng zusammenarbeiten. „Damit lässt sich die Lebensqualität vieler Betroffener deutlich verbessern.“ Auch bei NF1 tut sich viel. „Lange gab es für Erwachsene nur Abwarten oder operative Eingriffe“, sagt Rosenbaum. „Inzwischen prüfen wir gezielte Behandlungsansätze, die das Tumorwachstum hemmen könnten.“ Für Patientinnen wie Madlene und Aylin bedeutet das: neue Perspektiven – keine Garantie, aber Zuversicht. Am Ende bleibt ein Leitsatz, den beide unabhängig voneinander zu ihrem Motto gemacht haben: Trotzdem leben. Vielleicht ist das die wichtigste Botschaft an Forschende, Versorgende, Gesellschaft sowie Betroffene und deren Angehörige. Denn selten darf nicht länger unsichtbar heißen.
 

ÜBER SPRINGWORKS THERAPEUTICS


SpringWorks Therapeutics, ein Healthcare-Unternehmen von Merck, Deutschland, ist ein biopharmazeutisches Unternehmen im kommerziellen Stadium, das sich der Verbesserung des Lebens von Menschen mit seltenen Tumorerkrankungen verschrieben hat – darunter Desmoid-Tumoren und Neurofibromatose Typ 1 assoziierte plexiforme Neurofibrome (NF1-PN). Gegründet 2017 in den USA, verfolgt SpringWorks das Ziel, wissenschaftliche Entdeckungen für bislang unterversorgte Patientengruppen nutzbar zu machen. Seit 2024 ist das Unternehmen auch in Europa aktiv. Im Juli 2025 wurde SpringWorks mit rund 400 Mitarbeitenden von Merck übernommen – mit dem Ziel, Mercks globale Reichweite mit der Expertise für seltene Tumoren zu verbinden. Weitere Informationen unter www.springworkstx.com sowie auf LinkedIn, Instagram und X (@SpringWorksTx).

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