Der 26. Oktober 1979 ist im Weltgeschehen auf den ersten Blick ein unspektakulärer Tag, doch eine Mitteilung der Weltgesundheitsorganisation macht diesen Freitag besonders: Die WHO erklärt die Pocken für ausgerottet – eine hochansteckende, durch Tröpfchen übertragene Viruserkrankung, die hohes Fieber auslöst, Blindheit, Lähmungen, Taubheit, Hirnschäden und Lungenentzündungen hervorrufen kann und unbehandelt in rund 30 Prozent aller Fälle zum Tod führt. Noch im 20. Jahrhundert töteten die Pocken geschätzt 500 Millionen Menschen.
Den Sieg über den furchtbaren Feind brachte ein einziger kurzer Stich aus einer winzigen Waffe: einer Spritze mit dem Pocken-Impfstoff. Die WHO hatte 1967 eine bis dato nie dagewesene Kampagne gestartet, deren Kern eine weltweite Impfpflicht war, ermöglicht durch den Einsatz von 2,4 Milliarden Impfdosen, 300 Millionen Dollar und mehr als 200.000 Helfer:innen rund um den Globus.
Die Ausrottung der Pocken zeigt, welche gewaltige Errungenschaften Impfungen darstellen. Als Vorsorge gegen Krankheiten wie Masern, Keuchhusten, Mumps, Kinderlähmung oder Röteln sind sie für Menschen in Industrienationen heute Normalität, neues Gewicht haben Impfungen in den vergangenen Jahren unter anderem als Therapie gegen Krebs gewonnen.
Aber was ist überhaupt eine Impfung? Als vorbeugender Schutz gegen eine übertragbare Infektionskrankheit ist sie eine sogenannte aktive Impfung. Denn der gegebene Impfstoff, Vakzin genannt, veranlasst das Immunsystem des Körpers, aktiv eigene Schutzstoffe gegen die Krankheit zu produzieren – ohne dass der Mensch die Krankheit tatsächlich durchmachen muss, das ist das Geniale. Dazu wird der Person entweder ein Lebendimpfstoff mit abgeschwächten, aber noch vermehrungsfähigen Erregern verabreicht, oder ein Totimpfstoff, der abgetötete Erreger oder nur Bruchstücke desselben enthält.
Sobald sich das Vakzin im Körper befindet, erkennen bestimmte weiße Blutzellen die Eiweiße und Zuckermoleküle des Impfstoffs als unerwünschte Antigene, das löst die primäre Immunantwort aus, bei der Lymphozyten in Form von Gedächtniszellen geprägt werden – ein Defensivverband im Stand-by-Modus. Kommt es später zu einer echten Infektion, erkennen die Gedächtniszellen am eingedrungenen Erreger die Antigene des vorher gegebenen Impfstoffes und lösen die Kaskade des Gegenschlags aus: Einige Lymphozyten werden zu Plasmazellen, die Antikörper produzieren, andere zu T-Lymphozyten und natürlichen Killerzellen.
Dieses Grundprinzip basiert zu einem Teil auf jahrtausendealten Beobachtungen. Schon in der Antike erkannten Gelehrte, dass Menschen, die die Pest oder Pocken überlebt hatten, gegen spätere Ausbrüche der Seuchen geschützt waren. Als Erfinder der eigentlichen Impfung aber gilt der englische Arzt Edward Jenner. Er wusste, dass eine vorangegangene Infektion mit den Kuhpocken, einer für den Menschen leichten Erkrankung, vor den echten Pocken schützte und führte 1796 ein Experiment durch: Jenner übertrug den Inhalt einer Kuhpockenblase über einen Schnitt auf einen Jungen. Nach überstandener Erkrankung infizierte der Arzt den Buben mit Menschenpocken – das Kind blieb gesund. Jenner veröffentlichte seine Ergebnisse, die allmählich zur "Vakzination" – wie der Arzt seine Methode nach dem lateinischen Wort für Kuh "vacca" getauft hatte – gegen Pocken führten. Und obwohl Bakterien als Auslöser von Infektionskrankheiten erst Ende des 19. Jahrhunderts entdeckt wurden, Viren sogar erst im 20. Jahrhundert, war die Vakzination die Blaupause für viele spätere Impfungen.
Vakzine gegen verschiedene Krankheiten kamen ab Ende des vorletzten Jahrhunderts in rascher Folge auf: Tollwut 1881, Tetanus und Keuchhusten 1926, Gelbfieber und Grippe 1936, Kinderlähmung 1955 – und als einer der jüngsten großen Schritte im Jahr 2020 ein Impfstoff gegen das Corona-Virus, Auslöser der COVID-19-Pandemie. Das Besondere daran: Es war der erste offiziell zugelassene sogenannte RNA-Impfstoff, ein genetisches Vakzin, bei dem das Antigen innerhalb der Zellen des geimpften Menschen produziert wird. Bereits seit 2006 zugelassen und seit 2007 empfohlen sind Impfstoffe gegen Humane Papillomviren, die zu den häufigsten sexuell übertragbaren Erregern zählen und bei Männern wie Frauen Karzinome verursachen können.
Beim Kampf gegen Krebs spielen Impfungen mittlerweile aber noch eine weitere Rolle: Im Rahmen von Immuntherapien für Menschen, die bereits an Krebs erkrankt sind. Eine therapeutische Impfung soll das Immunsystem veranlassen, sich gezielt gegen die Tumorzellen zu richten, nachdem es die Zellen an ihren Antigenen als fremd und gefährlich erkannt hat. Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten: Bei einer proteinbasierten Impfung enthält das Vakzin das Eiweiß des Tumorantigens selbst, bei DNA-und mRNA-Impfungen gelangt der Bauplan des Eiweißes in den Körper, die Zelle produziert das Eiweiß anschließend selbst. Ein vierter Ansatz: Immunzellen werden im Labor mit Tumorantigenen kombiniert und den Patienten zurückinjiziert.
IMPFUNGEN BEI AUSLANDSREISEN
Wer ins Ausland reist, vor allem in tropische Gegenden, hat ein höheres Risiko zu erkranken als zu Hause. Darum sind im Vorfeld Impfungen angezeigt. Die nötigen Vorsorgemaßnahmen ergeben sich aus dem jeweiligen Ziel, der Reisedauer, der Art des Auslandsaufenthalts und dem Zustand der reisenden Person. Wer eine Auslandsreise plant, sollte sich unbedingt mit Hausärztin oder -arzt besprechen und gegebenenfalls Rat bei spezialisierten Reisemediziner:innen einholen. Regelmäßig aktualisierte Informationen über Impfempfehlungen fürs Ausland finden sich beim Auswärtigen Amt (www.auswaertigesamt.de) sowie beim RKI (www.rki.de). Die Kosten für Impfungen im Rahmen einer beruflichen Auslandsreise lassen sich über den Arbeitgeber erstatten. Darüber hinaus haben Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung einen Anspruch auf Leistungen für Reiseimpfungen, wenn der Auslandsaufenthalt beruflich oder durch Ausbildung oder Studium bedingt ist.