Es war Silvester, als Margit U. plötzlich Atemnot und Unwohlsein verspürte. Die 69-Jährige begab sich in die Notaufnahme der Helios Klinik Meininigen im Thüringer Wald, wo man den unklaren Symptomen auf den Grund ging. Mit Hilfe einer Computertomografie (CT) fanden die Ärzte heraus, dass Frau U. Flüssigkeit in der Lunge hatte. Zugleich aber brachte das CT eine weit schwerwiegendere Diagnose ans Licht: ein Nierenkarzinom, das bereits in die Blutbahn eingewachsen war. Anfang dieses Jahres wurde Frau U. operiert, der Tumor entfernt. Nach zehn Tagen konnte sie gesund nach Hause entlassen werden.
Der Vorfall mit der Lunge hat Frau U. womöglich das Leben gerettet. Wäre der Tumor später entdeckt worden, wäre er womöglich schon inoperabel oder hätte in andere Körperbereiche gestreut. Das Beispiel zeigt, wie wichtig gerade bei Krebs die Früherkennung ist. Dass Erkrankungen wie der Bauchspeicheldrüsenkrebs so häufig tödlich enden, liegt unter anderem daran, dass sie erst in einem Stadium entdeckt werden, in dem eine Heilung nicht mehr möglich ist. 
In Deutschland erkrankt jedes Jahr fast eine halbe Million Menschen an Krebs. Und es werden immer mehr. Das liegt vor allem daran, dass die Menschen immer älter werden und Krebs im Alter zunimmt, aber auch Lebensstilfaktoren wie ungesunde Ernährung, zu wenig Bewegung und das Rauchen spielen eine gewichtige Rolle. Um möglichst früh zu erkennen, dass sich ein Tumor bildet, haben die deutschen gesetzlichen Krankenkassen die Früherkennungsprogramme eingeführt. Das erste dieser Art war 1971 das Programm gegen Gebärmutterhalskrebs, damals war dies die häufigste Krebsart der Frau. Frauen konnten sich einmal pro Jahr kostenlos einen Abstrich vom Gebärmutterhals entnehmen lassen und ihn auf Krebsvorstufen untersuchen lassen. Damit konnte die Zahl der Todesfälle durch Gebärmutterhalskrebs halbiert werden. 
 
 
 
Die Früherkennung gilt als eine der wirkungsvollsten Maßnahmen zur Krebsbekämpfung, weil so Tumoren in einem Stadium entdeckt werden können, in dem die Heilungsaussichten noch gut sind. Frühstadien-Tumoren sind meist klein und örtlich begrenzt – Behandlungen sind einfacher, weniger belastend und sie Heilungsraten sind höher. 
1977 starteten die ersten gesetzlich geregelten Untersuchungen. Neben dem Test zur Gebärmutterhalskrebsfrüherkennung begannen die Früherkennung von Brustkrebs durch die Abtastung der Brust und der Test auf verborgenes Blut im Stuhl für die Darmkrebsvorsorge. In der Folge wurden weitere Programme etabliert. Aktuell ermöglichen sie die Früherkennung von fünf verschiedenen Krebsarten: Brustkrebs, Darmkrebs, Gebärmutterhalskrebs, Hautkrebs und Prostatakrebs. Während laut einer aktuellen Studie der Universität Münster die Mammographie-Screenings, die Röntgenuntersuchung der weiblichen Brust, die Todesfälle durch Brustkrebs um 20 bis 30 Prozent reduziert haben, konnten bei Darmkrebs laut einer Studie des Deutschen Krebsforschungsinstituts sogar bis zu 75 Prozent der Todesfälle durch Darmspiegelungen verhindert werden.
Zu den Untersuchungen auf Brustkrebs, Darmkrebs und Gebärmutterhalskrebs laden die gesetzlichen Krankenkassen ihre Versicherten in regelmäßigen Abständen persönlich und schriftlich ein. Im Rahmen der Einladung erhalten die Versicherten ein Informationsschreiben, das über den Nutzen und die Risiken der jeweiligen Untersuchung aufklärt. Aber auch ohne Einladung können Versicherte im entsprechenden Alter an den Untersuchungen teilnehmen. Die Teilnahme an den Programmen zur Früherkennung ist grundsätzlich freiwillig. 
Initiator der Krebsfrüherkennungsprogramme war der Gesetzgeber gemeinsam mit medizinischen Fachgesellschaften und Verbänden wie der Deutschen Krebsgesellschaft und der Deutschen Krebshilfe. Die Richtlinien und damit die konkrete Ausgestaltung der Programme bestimmt der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), das oberste Beschlussgremium der Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen. Der G-BA wird aus Vertretern von Krankenkassen, Ärzten, Psychotherapeuten, Krankenhäusern und Patienten gebildet. Seit 2008 spielt zudem der „Nationale Krebsplan“ des Bundesministeriums für Gesundheit eine zentrale Rolle bei der Weiterentwicklung und Organisation dieser Programme. 
Diese Weiterentwicklung der Früherkennungsprogramme erfolgt stetig und auf Basis medizinischer Forschungsergebnisse. So wurde ganz aktuell die medizinische Leitlinie der Prostatakrebs-Früherkennung, die bislang ein regelmäßiges Abtasten des Organs durch einen Fachmediziner vorsah, neu formuliert. In der neuen Leitlinie spielt das Abtasten der Prostata kaum noch eine Rolle. Stattdessen soll der Bluttest auf das prostataspezifische Antigen (PSA) nun als wichtigstes Instrument zur Früherkennung dienen. Erst wenn der PSA-Wert über 3 ng/ml steigt, soll eine Risikoeinschätzung erfolgen, bei der dann auch die Tastuntersuchung wieder eine Rolle spielt. Mit dem abgestuften Früherkennungsprogramm soll die Früherkennung diffenzierter erfolgen: Hochrisiko-Tumore werden von weniger aggressiven Tumoren abgegrenzt und diese sollen zunächst nicht behandelt, sondern beobachtet werden. 
Und bei der Brustkrebsvorsorge spielt Künstliche Intelligenz eine zunehmend wichtige Rolle. So können mit Hilfe KI-gestützter Software kleinste Knoten und Kalkgruppen, die Vorstufen einer Krebserkrankung sein können, mit einem bereits vorhandenen Datensatz von mehr als fünf Millionen Aufnahmen verglichen werden. Dies erhöht die Chance auf Genesung bei einer Krebsdiagnose – und die Anzahl der Frauen, die eine Brustkrebserkrankung überleben. 
Der Erfolg der Programme ist unbestritten. Dass Früherkennungsuntersuchungen – und ein gesunder Lebensstil – sich lohnen, zeigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes: Demnach erreichte in Deutschland die Zahl der stationären Krebsbehandlungen im Jahr 2022 den niedrigsten Stand seit 20 Jahren. Gut 1,4 Millionen Patientinnen und Patienten seien wegen Krebs im Krankenhaus behandelt worden, teilten die Statistiker mit. Gegenüber dem noch durch die Corona-Pandemie geprägten Jahr 2021 ging die Zahl der krebsbedingten Klinikaufenthalte demnach noch einmal um zwei Prozent zurück.
 
»Bei Darmkrebs konnten bis zu 75 Prozent der Todesfälle durch Früherkennungs- und Vorsorgemaßnahmen verhindert werden.«
Als Grund für den Rückgang nannten die Statistiker Verbesserungen bei Prävention, Vorsorge und Behandlung.
In manchen Fällen können auch Krebsvorstufen erkannt und entfernt werden, sodass Krebs gar nicht erst entsteht. Diese „Krebsvorsorge“ ist nicht zu verwechseln mit der Früherkennung. Die Früherkennung entdeckt Krebsvorstufen oder Krebs in einem frühen Stadium, während Vorsorge dann greift, wenn erkannte Vorstufen entfernt werden. Bei einer Darmspiegelung etwa können Polypenvorstufen erkannt und während der Untersuchung direkt entfernt werden. Auch bei Verdacht auf Hautkrebs wird die betroffene Stelle vorsorglich entfernt und dann im Labor auf Tumorzellen untersucht. Bei Gebärmutterhalskrebs umfasst die Vorsorge die Früherkennungsuntersuchungen und die HPV-Impfung, die für Mädchen und Jungen ab neun Jahren empfohlen wird, um das Risiko zu senken. 
 
BODYCHECK GEGEN DEN KREBS
Fachleute empfehlen, sich zur Krebsfrüherkennung zusätzlich selbst zu untersuchen. Das gilt für Brust, Hoden und Haut. Anleitungen zu solchen Selbstuntersuchungen unter:
https://bodycheck-gegen-krebs.de/
 
       
 
