Spätfolgen vermeiden

Onkologen suchen nach neuen Wegen zur Bekämpfung von Leukämien.

Illustration: Ivonne Schulze
Illustration: Ivonne Schulze
Olaf Strohm Redaktion

Es ist der Krebs, der vor allem Kinder befällt: Leukämie. Von den 2.200 Kindern, die jedes Jahr in Deutschland an Krebs erkranken, befallen die im Volksmund auch „Blutkrebs“ genannten Leukämien jedes dritte Kind. Da Krebs bei Kindern aufgrund des schnellen Zellwachstums häufig aggressiv verläuft, müssen sie rasch behandelt werden. Aber auch die Chancen, den Krebs zu besiegen, sind gewachsen – 80 Prozent aller krebskranken Kinder können heute geheilt werden.

Die Leukämieforschung hat in den vergangenen zehn bis 15 Jahren große Fortschritte gemacht. Gerade bei akuten Leukämien, die oft innerhalb weniger Tage oder Wochen zum Tod führen können, stehen heute Therapien zur Verfügung, um viele der betroffenen Patienten zu retten. Vor allem die Standardtherapie ist oftmals überaus belastend und kann Spätfolgen haben. Sie besteht je nach Erkrankung aus Operation, Chemo- und Strahlentherapie; bei Blutkrebs gegebenenfalls auch eine Knochenmarktransplantation.

Doch vor allem bei Kindern richte sie einen immensen Flurschaden an, erklärte die Münsteraner Kinderonkologin Professor Dr. Claudia Rössig zum Weltkrebstag am 4. Februar. „Die aktuelle Krebstherapie bei Kindern, aber auch bei Erwachsenen, ist im Grunde unzumutbar.“ Die heutige Krebstherapie beruhe auf dem Prinzip, dass alle Zellen im menschlichen Körper, die sich schnell teilen, vernichtet werden. Dabei werde aber die Blutbildung beeinträchtigt. Die Patienten hätten über einen längeren Zeitraum keine Abwehrkräfte und könnten sich nicht gegen Infektionen wehren. In vielen Fällen würden insbesondere die Schleimhäute zerstört, so die Direktorin der Klinik für Kinderund Jugendmedizin – Pädiatrische Hämatologie und Onkologie am Universitätsklinikum Münster.

„Viele Kinder und Jugendliche heilen wir zwar mit dieser Therapie, aber die Nebenwirkungen sind eine schwere Belastung für die jungen Patienten“, so die Kinderonkologin. Es komme häufig zu Spätfolgen, zum Beispiel, dass Kinder einen Hörschaden erleiden oder nicht gut wachsen. „Meistens haben die Kinder irgendeinen messbaren Schaden, insbesondere nach einer Knochenmarktransplantation. Wir suchen deshalb nach Alternativen, die zum einen wirksam sind, also die Krebszellen vernichten, aber vor allem nicht diese schwerwiegenden Spätfolgen verursachen.“

Grundsätzlich wünscht sie sich mehr und präzisere Therapiemöglichkeiten. Dazu müssten die krebsauslösenden Mechanismen noch besser verstanden werden. „Wir müssen die Achillesferse der Krebszelle finden, um wirksame Therapien zu entwickeln“, fordert die Expertin. „Wir wollen weg vom Schrotschuss Chemotherapie. Die Therapie der Zukunft wird eine Kombination aus Chemotherapie, Immuntherapie und ebendieser ,Achillesfersen-Therapie‘ sein, die den Krebs nachhaltig bekämpft, aber möglichst wenige Nebenwirkungen auslöst. Wir wollen die Kinder nicht nur gesund machen, sondern auch die Qualität des Überlebens verbessern.“

Rössig hofft, dass demnächst innovative Ansätze wie die CAR-T-Zelltherapie und Immuntherapeutika auch vermehrt bei Kindern zum Einsatz kommen können. Demnächst soll eine klinische Studie starten, die die CAR-T-Zelltherapie bei pädiatrischen Leukämie- und Tumorpatienten untersuchen soll. Rössig leitet eine entsprechende Arbeitsgruppe mit Forschenden der Universitäten Münster, Erlangen, Hannover und Regensburg. 

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