Wirksam aber teuer

Gentechnisch hergestellte Arzneimittel, sogenannte Biopharmazeutika, revolutionieren Behandlungen. Das hat seinen Preis
Illustration: Anna Ruza
Yvonne Millar Redaktion

Ein neues Medikament zu entwickeln ist teuer und dauert lange. Von der ersten Forschung bis zur Zulassung vergehen laut Verband Forschender Arzneimittelhersteller (vfa) im Schnitt 13 Jahre. Mediziner, Pharmazeuten,Biologen, Chemiker und andere Spezialisten sind an der Entwicklung beteiligt – und es gibt keine Garantie, dass am Ende wirklich ein Medikament dabei herauskommt, das die Aufwendungen – auch wirtschaftlich – rechtfertigt.

Auch aus diesem Grund dürfen Pharmaunternehmen in Deutschland den Preis für ihre patentgeschützten Produkte im ersten Jahr nach Markteinführung frei festlegen. Wird in dieser Zeit ein Zusatznutzen gegenüber der aktuellen Standardtherapie festgestellt, beginnen die Preisverhandlungen mit den Krankenkassen. Der Patentschutz gilt für bis zu 25 Jahre – darin ist aber die Zeit für Tests und Studien vor der Zulassung eingeschlossen.

Ein Problem entsteht, wenn diese Medikamente nicht nur neue Behandlungswege öffnen, sondern auch sehr teuer sind. Während sich die Hersteller auf die hohen Forschungs- und Entwicklungskosten berufen, argumentieren die Krankenkassen, dass das Preis-Leistungs-Verhältnis immer mehr aus den Fugen gerate, der Zusatznutzen die hohen Kosten also nicht rechtfertige.

Besonders deutlich wird das bei einer speziellen Klasse von Medikamenten, den sogenannten Biopharmazeutika, bisweilen auch Biologika genannt. Sie werden in der Regel für sehr spezielle Therapien, etwa in der Krebsbehandlung, verwendet. Dabei handelt es sich nicht etwa um pflanzliche Wirkstoffe, wie der Name suggerieren könnte. Vielmehr werden diese Pharmazeutika mit biotechnischen Methoden und durch gentechnische Verfahren hergestellt. Das ist aufwendig und kostenintensiv, hat aber den Vorteil, dass diese Medikamente viel gezielter wirken als herkömmliche Präparate. Typischerweise kommen sie bei Stoffwechselerkrankungen, Autoimmunkrankheiten und in der Krebstherapie zum Einsatz. Zu den Biopharmazeutika zählen unter anderem Insulin, Wachstumshormone und Wirkstoffe zur Immuntherapie bei Krebserkrankungen.

Von 2006 bis 2016 hat sich der Umsatz mit Bio-pharmazeutika laut Arzneiverordnungs-Report 2017 auf 7,8 Milliarden Euro erhöht – Tendenz steigend. Mittlerweile sei fast jeder dritte neue Wirkstoff auf dem deutschen Markt ein Biopharmazeutikum. Laut Innovationsreport 2017 sind in der Krebstherapie die Ausgaben für Biopharmazeutika in der ambulanten Versorgung seit 2011 um 41 Prozent gestiegen.

Welchen Stellenwert diese Kosten in der Gesundheitsversorgung einnehmen, veranschaulichen Zahlen, die Prof. Dr. Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, anlässlich eines Pilotprojekts der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Förderung der Verbreitung von Biosimilars genannt hat. „Biologika haben im Jahr 2015 in Deutschland mit 7,2 Milliarden Euro rund 20 Prozent des gesamtem GKV-Fertigarzneimittelumsatzes ausgemacht, dabei lag ihr Verordnungsanteil aber nur bei 2,5 Prozent“, erläuterte er gegenüber der Online-Plattform Medscape. Ein Fünftel des Umsatzes entfällt also auf ein Vierzigstel der Verordnungen.

Diese hohen Kosten bringen zwangsweise ein Dilemma mit sich. Denn auch im Gesundheitswesen kann jeder Euro nur einmal ausgegeben werden. Auf der einen Seite stehen die Krebspatienten, denen teure Biologika neue Hoffnung geben, und auf der anderen Seite die Solidargemeinschaft, die sich fragen muss, ob sie bereit ist, dafür jeden Preis zu zahlen – und gegebenenfalls an anderer Stelle Abstriche zu machen.

Biosimilars, preiswertere „Nachahmer- oder Nachfolgemedikamente“, sind eine Alternative zu teuren Biopharmazeutika – wenn der Patentschutz der Originalpräparate abgelaufen ist. Bereits seit den 1990er Jahren werden Biopharmazeutika in der Onkologie eingesetzt. Vor gut einem Jahr erhielt nun das erste Biosimilar für die zielgerichtete Krebstherapie in Europa die Zulassung. Das Rituximab-Biosimilar darf bei denselben Indikationen angewendet werden wie das Referenzprodukt und kommt etwa in der Behandlung des Non-Hodgkin-Lymphoms und der chronischen lymphatischen Leukämie zum Einsatz. In der onkologischen Supportivtherapie, also als unterstützende Verfahren, werden Biosimilars bereits seit längerer Zeit angewendet.

Biosimilars sind vergleichbar mit Generika. Allerdings wird im Falle von Generika der Wirkstoff chemisch hergestellt und entspricht exakt dem des Originalpräparates. Sobald dessen Patentschutz abgelaufen ist, dürfen andere Hersteller den Wirkstoff „nachbauen“. Das Generikum muss bioäquivalent sein, das heißt, es muss vom Körper genauso aufgenommen werden wie das Originalpräparat. Zudem werden Generika in der gleichen Form verabreicht, also beispielsweise als Tablette oder Kapsel. Lediglich in der Herstellung und bei den enthaltenen Hilfsstoffen unterscheiden sich die Nachahmermedikamente von den Originalen. Mittlerweile sind Generika in Deutschland weit verbreitet und haben dazu beigetragen, Medikamentenkosten zu senken.

Da es sich bei Biosimilars um biotechnologische Erzeugnisse, etwa Proteine, handelt, die von lebenden Organismen hergestellt werden, bleibt aufgrund ihrer Herstellungsweise immer ein geringfügiger Unterschied zur Original. Im Gegensatz zu Generika sind Biosimilars eben similar, auf Deutsch: ähnlich – und nicht gleich. Allerdings besteht genau aus diesem Grund auch bei den Originalprodukten eine gewisse Varianz. Verschiedene Chargen des Produkts unterscheiden sich minimal –bei Biopharmazeutika wie Biosimilars.


Um für die Therapie zugelassen zu werden, müssen Biosimilars – im Gegensatz zu Generika –ein eigenes Zulassungsverfahren durchlaufen. Dabei ist zum einen nachzuweisen, dass es dem Originalprodukt ähnlich ist. Seine Wirksamkeit müssen die Hersteller aber zudem unter anderem in klinischen Studien belegen. In der EU gibt es bereits seit 2003 einen eigenen Zulassungsweg für Biosimilars.

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