Übergewicht, schlechte Ernährung, wenig Bewegung – und schon kann es passieren: „Prädiabetes“ heißt die Schockdiagnose. Es handelt sich hierbei meistens um eine Vorstufe des gefürchteten Diabetes Typ 2. Früher als Altersdiabetes bekannt, ereilt diese Erkrankung in letzter Zeit immer jüngere Menschen. Die Zahlen steigen rapide, fast „jeder Zehnte leidet an Diabetes“, überschreibt das Helmholtz Zentrum München eine Studie. 80 bis 90 Prozent davon leiden am Typ-2-Diabetes.
Der Typ-1-Diabetes tritt vorwiegend bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf und beruht auf einer autoimmun verursachten Zerstörung der insulinproduzierenden Zellen. Unter Erwachsenen dominiert der Typ-2-Diabetes, auch Altersdiabetes genannt. Der Typ-2-Diabetes manifestiert sich in der Regel erst jenseits des 40. Lebensjahres, kann aber auch schon bei jüngeren Menschen vorkommen. Bei Frauen spielt zudem der Schwangerschaftsdiabetes eine Rolle, der sich zwar nach der Schwangerschaft in der Regel zurückbildet, aber das Risiko für die spätere Entwicklung eines Typ-2-Diabetes erhöht.
Bei Menschen mit Diabetes Typ 2 – dem häufigsten Diabetes-Typ – produziert der Körper zwar das blutzuckersenkende Hormon Insulin, es wirkt aber in den Zellen nicht mehr richtig. Zu dieser sogenannten Insulinresistenz kann es auch aufgrund einer Verfettung von Organen kommen. Bauen Typ-2-Diabetiker Übergewicht ab und bewegen sie sich mehr, wird die Fettverbrennung angekurbelt, und die Organe und Muskeln sprechen wieder besser auf das Insulin an, so Professor Dr. Andreas Pfeiffer vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE) Potsdam-Rehbrücke gegenüber der Deutschen Presse Agentur. Betroffene sollten sich deshalb immer erst einmal um einen gesünderen Lebensstil bemühen. Erst wenn das nicht zum Ziel führt, kommen Medikamente zum Einsatz.
Um annähernd normale Blutzuckerwerte zu erreichen, sei allerdings eine recht große Gewichtsabnahme hilfreich, so Pfeiffer. Wer innerhalb der ersten sechs Jahre nach Bekanntwerden des Diabetes mindestens 15 Kilogramm verliert, hat einer Studie aus Großbritannien zufolge die besten Chancen. Zusätzlich sei Bewegung wichtig, damit im Rahmen der Gewichtsabnahme möglichst viel Fett, aber wenig Muskelmasse abgebaut wird. Dies funktioniere am besten in einer Gruppe. „Suchen Sie sich einen Trainingspartner oder gleich eine ganze Laufgruppe“, so der Rat. So sei die Hemmschwelle größer, nicht zum Training zu gehen. Schließlich warte da jemand.
Diabetes nimmt weltweit und in Deutschland dramatisch zu. In ihrem ersten globalen Diabetes-Report geht die Weltgesundheitsorganisation (WHO) davon aus, dass 422 Millionen Erwachsene an Diabetes leiden. Das sind 8,5 Prozent aller Volljährigen weltweit. Seit 1980 hat sich die Zahl nahezu vervierfacht. In Europa ist sie von 33 auf 64 Millionen gestiegen. Vor allem der Typ-2-Diabetes ist auf dem Vormarsch. Diabetes verläuft im Anfangsstadium häufig unbemerkt. Bis zur Diagnose können bis zu zehn Jahre vergehen. Zwei Millionen Deutsche, so schätzt die Organisation, wissen nichts von ihrer Diabetes-Erkrankung. Ein Risikofaktor für Diabetes ist Übergewicht infolge von Bewegungsmangel in Verbindung mit einer fettreichen Ernährung. Schon leichtes Übergewicht verdoppelt Studien zufolge die Gefahr, an Diabetes zu erkranken. Bei Menschen mit schwerer Fettleibigkeit steigt das Risiko noch weiter. Der Body-Mass-Index (BMI) gibt einen Überblick: Berechnet wird er aus dem Körpergewicht geteilt durch die Körpergröße zum Quadrat. Die Einheit des BMI ist demnach kg/m2. Ab einem Wert von 25 beginnt Übergewicht, ab 30 sprechen Experten von Fettleibigkeit. Mindestens ebenso wichtig ist ein gesunder Stoffwechsel, also die Blutfettwerte. Der Blutzucker sowie der Blutdruck dürfen nicht zu hoch sein. Aber auch andere Faktoren scheinen eine Rolle zu spielen. So ergab jüngst eine finnische Studie, dass Parodontitis in Verbindung mit einem erhöhten Risiko auf Zuckerkrankheit steht. Patienten, die früher an Zahnfleischentzündungen gelitten hatten, waren später mit einer höheren Wahrscheinlichkeit an Diabetes Typ 2 erkrankt.
Aber auch schlanke Menschen können erkranken. Eine Ursache für Diabetes Typ 2 ist die sogenannte Insulinresistenz: Das Hormon sorgt dafür, dass Muskelzellen und Gehirn die Kohlenhydrate, also Zucker, aufnehmen können. Wenn das nicht mehr funktioniert, verbleibt der Zucker im Blut. Laut aktuellen Forschungen des Universitätsklinikums Tübingen und des Instituts für Diabetesforschung hat fast jeder fünfte schlanke Mensch ein erhöhtes Risiko, an Diabetes sowie auch an Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu erkranken. Die Betroffenen haben eine Fehlfunktion bei der Fettspeicherung, sodass sie kaum Fett am Oberschenkel anlagern.
Wird die Erkrankung zu spät bemerkt, können Komplikationen auftreten – etwa an Herz und Kreislauf oder an den Extremitäten. Jedes Jahr werden etwa 40.000 diabetesbedingte Amputationen durchgeführt, und Typ-2-Diabetes ist die häufigste Erkrankung, die zu Nierenversagen führt. 75 Prozent der Menschen mit Diabetes sterben verfrüht an kardiovaskulären Komplikationen. Deshalb fordert die Deutsche Diabetes-Hilfe eine Ausweitung des Check-ups zu einem „Gesundheits-Check 35 plus D (Diabetes)“ mit einer Erweiterung um den Langzeitblutzuckertest (HbA1c-Wert).
Von einer Heilung der Stoffwechselkrankheit ist man weit entfernt. Umso wichtiger ist die Vorbeugung – nicht nur für sich selbst, sondern auch für seine Kinder: Versuche an Mäusen haben gezeigt, dass die Tiere sehr viel schneller zunehmen, wenn ihre Eltern durch fettreiche Ernährung dick wurden und in der Folge einen Typ-2-Diabetes entwickelt hatten. Über die Eizellen und Spermien wurde diese Information epigenetisch, also umkehrbar, an die Nachkommen weitergegeben.