Den Stress zuhause lassen

Die Pflege von Geist und Körper ist für viele Urlauber ein wichtiges Ziel. Reiseveranstalter und Hotels haben für jeden Geschmack zahlreiche Wellnessangebote.

Illustration: Natascha Baumgärtner
Illustration: Natascha Baumgärtner
Andrea Hessler Redaktion

Luxuriöse Hotelzimmer, großartige Saunalandschaft, Frühstück mit Sterne-Niveau – ideale Voraussetzungen für ein Wellnesswochenende im Ostseebad Travemünde. Und es wird noch besser. Im Dampfbad taucht ein Mann auf, Kopf samt Gesicht komplett mit grüner Pampe eingeschmiert; manche Damen können sich kaum das Lachen verkneifen. „Er sieht aus wie der Film-Bösewicht Fantomas“, flüstert eine ihrer Freundin zu. Verlegen grinsend verlässt der Mann mit der grünen Maske das Dampfbad, die Damen prusten los. „Lachen ist gesund“, so der Kommentar der amüsierten Frauentruppe. Zu Recht – erwiesen ist, dass Lachen ein wunderbares Wellnessprogramm ist, Stresshormone abbaut und Glückshormone fördert. Eine professionelle Anleitung fürs Lachen gibt es in Lachyoga-Retreats, die einen weltweiten Trend aufgegriffen haben.

Yoga hat längst die westliche Ferienwelt erobert. Es vereint körperliche und geistige Übungen sowie Atemtechnik und wird gerne kombiniert mit der Gesundheitslehre Ayurveda. Doch Vorsicht: Der Begriff Ayurveda ist nicht geschützt, nicht alle Angebote sind seriös. Vertrauenswürdig sind zum Beispiel traditionell ausgerichtete Einrichtungen mit erfahrenen Ärzten und Therapeuten in den Heimatländern der südasiatischen Gesundheitslehre wie die Ayurveda-Resorts Ananda Cherai im südindischen Kerala und die Barberyn Resorts an der Südwestküste Sri Lankas. Dort können chronisch Kranke und Gestresste Linderung, im Idealfall sogar Heilung erfahren. „Unser Ziel ist es, die Ursachen von Ungleichgewichten im Körper zu erkennen und zu heilen“, sagt Dr. Seetha Lekschmi, Urenkelin von Panditarajan Trikovil Rama Warrier, Gründer des renommierten Sree Rudravilasam Vaiysala Ayurveda Hospitals, mit dem das Resort eng zusammenarbeitet. Es muss nicht Asien sein, heimische Wellnessangebote werden immer vielfältiger. Längst ist ein weitläufiger Spabereich – sanus per aquam, Gesundheit durch Wasser – Standard. Wer sich von der Konkurrenz abheben will, muss Besonderes bieten. Dabei ist der Begriff Wellness frei interpretierbar und umfasst harten Sport ebenso wie gepflegtes Abhängen. Im niederbayerischen Hotel Aunhamer etwa können sich Gäste mit Hoteldirektor Michael Buchinger beim Judo messen. In Haubers Naturresort im Allgäu dient das heimische Heu als Ingredienz für Alpenkräuterpeeling und Heusuppe mit Champagner. Der ultimative Wohlfühlsport Wandern, lange als Rentner-Hobby geschmäht, begeistert seit Jahren wieder Urlauber aller Generationen, gerne in Verbindung mit Kräuterführungen und kontemplativen Pausen an überlieferten Kraftplätzen. Auch eigene Hotel-Kosmetiklinien und Spezialsauna-Aufgüsse, etwa mit hausgebranntem Gin wie im Bodenmaiser Hof im Bayerischen Wald oder Anwendungen mit beruhigendem und schmerzlinderndem CBD-Öl (ohne berauschende Wirkung) im Schlosshotel Zermatt sind Wohlfühlfaktoren und Distinktionsmerkmale für die Player im wachsenden Segment des Wellnesstourismus. Sogar Cannabis-Liebhaber müssen für ihr entspannendes Wellbeing dank der teilweisen Freigabe zum 1. April 2024 nicht mehr ins Ausland fahren. Auf reisende Cannabis-Raucher hat der Markt schon reagiert; die Plattform budandbreakfast.com vermittelt Kiffer-freundliche Unterkünfte.

Illustration: Natascha Baumgärtner
Illustration: Natascha Baumgärtner

Doch die Mehrheit der Urlauber steht eher auf traditionelle Genüsse. So erleben zum Beispiel Kur- und Heilbäder im Zuge des Wellnesstrends eine Renaissance. Häufig haben sie ihren Ursprung in den Thermen aus der Zeit der Römer, die neben anderen zivilisatorischen Errungenschaften ihre Sitte des gepflegten Bades zu den barbarischen Völkern nördlich der Alpen brachten. Zunächst kamen vor allem Adlige und reiche Bürger in den Genuss des wohltuenden Wassers. Im mondänen Baden-Baden etwa kurte bereits im 15. Jahrhundert Kaiser Friedrich III., der nach heutigem Forschungsstand wohl unter Arteriosklerose litt. Eine Blütezeit erlebten die Kur- und Seebäder im 19. Jahrhundert, als sich eine typische Bäderarchitektur mit Pavillons, Trink- und Wandelhallen entwickelte. Bade- und Trinkkuren, heiße Wickel und kalte Güsse wurden Mode, in den Kurorten tummelte sich die gesellschaftliche Oberschicht samt künstlerischer Bohème. Johann Wolfgang von Goethe kurte in Karlsbad und Baden-Baden, König Wilhelm I. in Bad Ems. Es ging, wie beim Urlaub in Clubs und Wellnesshotels heutzutage, nicht nur um gesundheitliche Belange. Wichtig waren auch Entertainment-Angebote. So vergnügten sich etwa an den Roulette-Tischen der Spielcasinos in Baden-Baden und Bad Homburg Literaten wie Turgenew und Dostojewski, russische Adlige, Diplomaten und Geschäftsleute.

Heute sind die Heilbäder und Kurorte Ziele aller gesellschaftlichen Schichten. Sie beschäftigen alleine in Deutschland über 500.000 Menschen, erzielen einen jährlichen Umsatz von mehr als 25 Milliarden Euro und sind für 25 Prozent aller Gästeübernachtungen hierzulande verantwortlich. Damit diese Position gehalten oder sogar ausgebaut werden kann, punkten Bäder nicht nur mit ihren bewährten Wohlfühlelementen Wasser, Moor und natürlichen Gasen. Beim Staatsbad Bad Reichenhall, in Oberbayern nahe den Berchtesgadener Alpen gelegen, liegt der wissenschaftlich zertifizierte und bislang einzige Bergkurwald in Deutschland. Ausgebildete Wald-Gesundheitstrainer führen gezielte Trainings mit den Kurgästen durch, die so den Blutdruck senken und die Nerven beruhigen können.

Auch die Kurbäder in Polen, Ungarn und der ehemaligen Tschechoslowakei erleben gerade einen Aufschwung. In den Zeiten der kommunistischen Herrschaft ließ der Komfort für westliche Maßstäbe lange zu wünschen übrig. Heute ist Tschechien innerhalb der EU das Land mit den meisten zertifizierten Kureinrichtungen. Der tschechische Bäderverband kontrolliert seine Mitglieder nach strengen Qualitätskriterien in den Bereichen Therapie, Gastronomie und Hotellerie. Außerdem legt man dort Wert darauf, dass nicht nur Heilbehandlungen möglich seien, sondern wesentliche Ziele Prophylaxe und Entspannung von Körper und Geist seien. Letztlich ist es gleichgültig, wo man die eigene Gesundheit pflegt. Ob Ayurveda, Wellnesshotel oder Heilbad, gesicherte Erkenntnis ist: Wer rechtzeitig Zeit und Geld für seine Gesundheit aufwendet, kann viele Molesten schon im Vorfeld ihres Auftretens abwenden.
 

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