Weg mit dem Verbrenner

In der badischen Kleinstadt Denzlingen erhalten Bürger einen Gutschein von bis zu 500 Euro, wenn sie ihr Auto abgeben. Ein Modell für andere Kommunen?

Illustration: Vanessa Chromik
Illustration: Vanessa Chromik
Steve Przybilla Redaktion

Ein bisschen traurig ist Dorothea Schmidt schon. „Mein Golf Variant war zwölf Jahre alt, lief aber wie ‘ne Eins“, sagt die 62-Jährige. Der Kombi hat sie überall hinbegleitet: zum Supermarkt, zur Jagd, zum Kanufahren. „Bei solchen Hobbys ist ein Auto schon sehr nützlich“, räumt Schmidt ein. „Aber ich wollte es trotzdem mal ohne versuchen.“

Im Sommer 2020 meldete sich Schmidt beim Rathaus ihres Heimatortes Denzlingen. Der Gemeinderat der badischen Kleinstadt hatte kurz zuvor ein neues Förderprogramm ins Leben gerufen: Wer sein Auto mit Verbrennungsmotor abgibt, erhält einen Gutschein von 500 Euro. Dieser dient als Zuschuss für ein E-Bike oder eine Jahreskarte des regionalen Verkehrsverbundes. Alternativ können die Umsteige-Willigen mit dem Gutschein im lokalen Einzelhandel einkaufen gehen. Dann beschränkt sich die Prämie jedoch auf 200 Euro.

Wer teilnehmen möchte, muss ein paar Voraussetzungen erfüllen: Dazu gehört der Umstieg auf Ökostrom sowie eine schriftliche Verpflichtung, sich drei Jahre lang kein neues Auto mit Verbrennungsmotor zuzulegen. „Von dem Gutschein habe ich meinem Sohn ein elektrisches Klapprad gekauft“, erzählt Dorothea Schmidt.

Wenn es nach Markus Hollemann geht, sollten noch viel mehr Menschen diesem Beispiel folgen. Hollemann ist einer der wenigen deutschen Bürgermeister, die der Ökologisch-Demokratischen Partei (ödp) angehören. „Wir haben Jahrzehnte den motorisierten Individualverkehr gefördert“, sagt der Lokalpolitiker. „Jetzt ist es mal nötig, dass das Fahrrad dran ist.“

Dass ausgerechnet eine Kleinstadt die Verkehrswende propagiert, wirft Fragen auf. Sind nicht gerade Menschen auf dem Land aufs Auto angewiesen? Hollemann sieht das nicht so. „Ich würde uns eher als verstädtertes Umland bezeichnet“, sagt der Bürgermeister. Er spricht von guten Bahn- und Busanbindungen und freut sich auf einen neuen Schnellradweg, der sich in Planung befindet. „Mit der Bahn ist man von uns in sechs Minuten am Freiburger Hauptbahnhof“, sagt Hollemann. „ÖPNV-technisch stehen wir wirklich gut da.“

Zwischen Herbst 2020 und Frühjahr 2022 haben 40 Denzlingerinnen und Denzlinger ihr Auto abgegeben. Zugleich ist die Zahl der zugelassenen Pkw in der Stadt aber gestiegen – von 7696 im Jahr 2020 auf 7726 im darauffolgenden Jahr. Damit liegt Denzlingen im Bundestrend, denn die Pkw-Zahl steigt landesweit an. Einen Beweis, dass die Abwrackprämie tatsächlich die Verkehrswende befördert, gibt es also nicht.

Die Gerechtigkeitsfrage lässt sich ebenfalls nicht von der Hand weisen: Warum bekommen Autofahrerinnen etwas geschenkt, während diejenigen, die schon immer Rad fahren oder zu Fuß gehen, das Nachsehen haben? „Man kann nicht alles lösen“, antwortet Bürgermeister Hollemann. „Aber wir machen einen Anfang.“

Der Mobilitätsforscher Stephan Rammler ist ebenfalls zwiegespalten: „Das perfekte politische Instrument gibt es nicht“, sagt Rammler. Dass es ungewollte Nebeneffekte gibt, könne man bei solchen Programmen nie ganz verhindern. „Aber die Idee geht in die richtige Richtung.“
 

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