Kleiner Fußabdruck, großer Handabdruck

Wer den eigenen CO₂-Fußabdruck klein hält und sich dafür in Sachen Klimaschutz engagiert, ist in Sachen Nachhaltigkeit schon gut aufgestellt, attestiert Laura Spengler vom Umweltbundesamt. Tipps, wie beides gelingen kann, hat sie ebenfalls parat. 

Illustration: Laura Neuhäuser
Illustration: Laura Neuhäuser
Julia Thiem Redaktion

Frau Spengler, wir alle können mit unserem Verhalten einen Beitrag zum Umweltschutz leisten. Welche Möglichkeiten stehen uns dafür zur Verfügung? 

Wichtig sind erst einmal die großen Stellschrauben, weil die Wirkung da auch entsprechend groß ist. Den größten Beitrag zum durchschnittlichen CO₂-Fußabdruck von derzeit jährlich etwa 10,3 Tonnen tragen das Wohnen einschließlich Stromverbrauch mit 24 Prozent bei, die Mobilität mit 21 Prozent und Ernährung mit 17 Prozent. Der Rest wird überwiegend durch den Konsum verschiedener Produkte und Dienstleistungen ausgemacht. Durch „bewussten“ Konsum lässt sich hier schon einiges erreichen: Sich hier immer wieder zu hinterfragen, was man wirklich braucht, ob es immer etwas Neues sein muss oder sich Vorhandenes nicht vielleicht doch reparieren oder instand setzen lässt, ist schon einmal ein guter Anfang. Produkte gebraucht zu kaufen ist auch in aller Regel besser als ein Neukauf. 
 

Bleiben wir kurz beim Konsum: Hier machen es viele Hersteller den Verbrauchern nicht gerade leicht, weil es oft günstiger ist, ein Produkt neu zu kaufen, anstatt es reparieren zu lassen…

Da haben Sie leider Recht. Gerade bei günstigen Elektrogeräten im Haushalt – etwa der Toaster – lohnt sich eine Reparatur bei professionellen Reparaturanbietern in der Regel nicht. Es gibt allerdings mittlerweile online eine Menge Anbieter, die aufbereitete Elektronikgeräte deutlich günstiger als Neuprodukte anbieten. Wenn ich also beispielsweise nicht immer das neuste Smartphone-Modell haben möchte, kann ich auf diesen Plattformen Geld sparen und nachhaltiger konsumieren. 
 

Das zeigt auch, dass nicht jeder in allen Bereichen alles richtig machen kann. Macht es daher Sinn, immer die Summe aller Handlungen im Blick zu haben und sich daran zu messen, respektive messen zu lassen?

Ein absolut wichtiger Hinweis, um nicht bei einzelnen kleinen Handlungen mit dem Finger auf andere zu zeigen oder sich selbst bei jeder kleinen Einkaufsentscheidung ein schlechtes Gewissen einzureden. Wir neigen leider dazu, uns über die kleinen, sehr sichtbaren Dinge aufzuregen – ohne sie ins Verhältnis zu setzen. Beispielsweise fällt es vergleichsweise wenig ins Gewicht, wenn ich ohne Beutel zum Einkaufen gehe und mit drei Plastiktüten nach Hause komme, die ich vielleicht sogar mehrfach verwende. Jemand, der den Beutel zum Einkaufen nutzt, dafür aber in einem sehr großen Haus wohnt, jedes Jahr in den Urlaub fliegt und bei dem ein SUV vor der Tür steht, hat eindeutig die schlechtere Umweltbilanz. Daher sagte ich eingangs: Natürlich sind auch die kleinen Dinge sinnvoll, es ist nur eben wichtig, die großen Stellschrauben im Blick zu haben und alles in Summe zu betrachten, anstatt sich im Kleinklein zu verlieren.
 

Wie kann ich mein persönliches Einsparpotenzial ermitteln, um eine möglichst große Wirkung zu erzielen?

Für einen ersten Überblick eignet sich ein CO₂-Rechner, wie er beispielsweise auch auf der Seite des Umweltbundesamtes zu finden ist. Anhand der Ergebnisse sieht man ganz gut, in welchen Bereichen des eigenen Lebens der CO₂-Ausstoß hoch ist. 
 

Dass nicht jeder alles richtig machen kann, haben wir ja bereits etabliert. Welchen Beitrag muss die Gemeinschaft für eine nachhaltigere Gesellschaft leisten?

Gemeinschaft und Politik sind überall dort gefragt, wo der Einzelne an seine Grenzen stößt. Nehmen wir das Beispiel der Mobilität. Gerade in ländlichen Regionen kann es nicht das Ziel sein, die individuelle Mobilität einzuschränken. Hier gilt es vielmehr, mit gezielten Vorgaben und Förderungen beispielsweise die Antriebe im Sinne der Nachhaltigkeit weiter zu verbessern.
 

Alternative Antriebe sind ein interessantes Stichwort. Hier forciert Deutschland vor allem die Elektromobilität, die in puncto Nachhaltigkeit nicht nur Lob, sondern durchaus auch Kritik erntet. Können wir heute überhaupt sagen, welche Alternativen langfristig Bestand haben werden?

Vorab: Perfekt ist keine Lösung. Das liegt an unserem modernen Leben, das immer mit einem hohen Verbrauch von Ressourcen verbunden ist. Wir leben einfach nicht mehr so im Einklang mit der Natur, dass alles, was wir verbrauchen, sofort wieder in den Kreislauf zurückgeht. Dennoch bringt uns Elektromobilität dem Ziel Klimaschutz einen deutlichen Schritt näher als es fossile Antriebe tun, weshalb sie weltweit nicht nur stark gefördert wird, sondern auch die Forschungsdynamik unheimlich groß ist. Die ideale Lösung werden Sie allerdings nicht finden, weder für die Mobilität noch in anderen Bereichen wie der Energieversorgung, weil es immer Zielkonflikte gibt.
 

Wirklich losgelöst können wir weder unsere individuellen Bemühungen, nachhaltiger zu leben, noch die der Bundesrepublik betrachten. Wie groß kann der Einfluss eines Vorbilds überhaupt sein – im Kleinen wie auch im globalen Kontext?

Für eine Beurteilung müssen wir erst einmal zurückschauen. Denn die wohlhabenden Länder, die sich jetzt für Klimaschutz einsetzen und zum Glück einen Rückgang bei ihren Emissionen verzeichnen können, sind eben auch die Länder, die ihren heutigen Wohlstand einem hohen Verbrauch an Ressourcen und den damit verbundenen hohen Emissionen zu verdanken haben. Und das wirkt bis heute nach. Auch hier gilt: Bevor mit Fingern auf andere Länder gezeigt wird, die ebenfalls nach Wohlstand streben, müssen wir erst einmal selbst unsere Emissionen weiter deutlich reduzieren. Gleichzeitig ist es natürlich richtig, dass es sich die Welt nicht mehr erlauben kann, dass aufstrebende Nationen wie China oder Indien jetzt im gleichen Maße Ressourcen verbrauchen, wie wir es in den letzten 50 Jahren getan haben. Insofern sehe ich die Vorbildfunktion als äußerst wichtig an. Denn wir müssen heute nicht nur mit gutem Beispiel vorangehen, sondern diese Länder vor allem mit nachhaltigen Lösungen unterstützen. 

 

Kann eine solche Vorbildfunktion auch im kleinen, persönlichen Rahmen wirken?

Absolut, und zwar in Form des Handabdrucks. Anders als der ökologische Fußabdruck geht es beim Handabdruck darum, mit Engagement und Einsatz andere zu einem nachhaltigeren Lebensstil zu motivieren. Denn Verbesserungen am Fußabdruck alleine – jeder für sich – werden die ganz große Wende nicht einleiten. Wir brauchen die Mitwirkung der Gesellschaft, damit Dynamiken entstehen und politische Maßnahmen besser greifen können
 

Das heißt, ich sollte meinen ökologischen Fußabdruck reduzieren, meinen ökologischen Handabdruck dafür ausweiten?

Ganz genau. Und das kann gelingen, indem man sich in seinem unmittelbaren Umfeld, in seiner Kommune, in seinem Freundeskreis engagiert. Wie kann ich Leute motivieren, beim Umweltschutz mitzumachen? Auch der eigene Arbeitsplatz ist ein guter Ort, um sich einzubringen und für ein Mehr an Nachhaltigkeit zu sorgen, indem man sich beispielsweise für klimafreundliche Mitarbeitermobilität einsetzt. Wer seinen eigenen Wirkungskreis größer versteht, kann viel mehr bewirken, weil Spielraum und Hebel entsprechend größer sind. 
 

Dr. Laura Spengler ist Umweltwissenschaftlerin und war von 2009 bis 2019 wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich produktbezogener Umweltschutz beim Beratungsunternehmen Ökopol in Hamburg. Seit 2019 arbeitet sie als Fachgebietsleiterin beim Umweltbundesamt und befasst sich dort unter anderem mit nachhaltigen Konsummustern, Indikatoren für nachhaltigen Konsum, umweltgerechter Produktgestaltung, nachhaltiger Ernährung und Umweltinnovationen.
Dr. Laura Spengler ist Umweltwissenschaftlerin und war von 2009 bis 2019 wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich produktbezogener Umweltschutz beim Beratungsunternehmen Ökopol in Hamburg. Seit 2019 arbeitet sie als Fachgebietsleiterin beim Umweltbundes
Illustration: Laura Neuhäuser
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Ein großes Thema, über das wir noch nicht gesprochen haben, ist die Ernährung als Verursacher beim CO₂-Fußabdruck auf Platz drei – wenn man den sonstigen Konsum als sehr weites Feld einmal ausklammert – und damit eine Stellschraube, an der sich verhältnismäßig gut drehen lässt. Was ist hier die Empfehlung für ein Mehr an Nachhaltigkeit?

Tatsächlich ist es aus ökologischer Sicht vor allem sinnvoll, weniger tierische Lebensmittel zu konsumieren. Denn die sind ressourcenintensiver und damit mit deutlich höheren CO₂-Emissionen verbunden als pflanzliche Lebensmittel – wenn man Importe mit dem Flugzeug einmal ausklammert. Das heißt nicht, dass wir uns alle vegetarisch oder vegan ernähren müssen, aber ein reduzierter Konsum an tierischen Lebensmitteln ist gesundheitlich und ökologisch empfehlenswert. Und tatsächlich haben wir einen gesellschaftlichen Trend, der in diese Richtung geht: Seit etwa fünf Jahren geht Fleischkonsum jedes Jahr um durchschnittlich zwei Kilo zurück – und zwar ganz ohne politische Steuerung. Für den Klimaschutz müsste diese Entwicklung allerdings noch schneller gehen. Dennoch ist es ein sehr interessanter Trend. 
 

Entsprechend groß ist mittlerweile auch der Markt für tierische Ersatzprodukte. Wie bewerten Sie die unter Nachhaltigkeitsaspekten?

Aus ökologischer Sicht sind Ersatzprodukte fast immer besser als das tierische Original. Die geschmackliche Perspektive muss jeder individuell bewerten und aus gesundheitlicher Sicht sollten die Produkte eingebettet sein in eine vielfältige Ernährungsweise. 
 

Aus ökologischer Sicht haben wir allerdings auch bei der Verpackung der Lebensmittel noch Luft nach oben, wenn ich da mal an den eigenen Einkauf und den Plastikmüll denke, den ich mit nach Hause bringe…

Das stimmt, wobei es für die Umweltbilanz wichtiger ist, was für ein Produkt in der Verpackung enthalten ist. Mich stören die vielen Kunststoffverpackungen im Supermarkt auch und die Alternativen wie Wochenmärkte und Unverpackt-Läden sind nicht für jeden gut erreichbar. Aber hier ist tatsächlich ja auf politischer Ebene einiges in Bewegung, um den Verpackungsmüll zu reduzieren. Aber ja, Stand heute ist definitiv Luft nach oben. 
 

Welchen Einfluss hat es, wenn ich ausschließlich regionale Produkte kaufe?

In seiner ökologischen Relevanz ist das ein Aspekt, der gerne überschätzt wird – außer bei per Flugzeug transportierten Lebensmitteln, diese haben einen sehr hohen CO₂-Fußabdruck. Es überrascht immer sehr, aber ausschließlich auf regionale Produkte zu setzen, hat keinen ökologischen Nutzen. Das liegt vor allem daran, dass die Logistik mit ihren Lieferketten mittlerweile höchst effizient organisiert ist. Was dafür relevant ist: die saisonale Ernährung. Denn Obst und Gemüse außerhalb der Saison, beispielsweise die Gewächshaustomaten im Winter, haben einen hohen Energiebedarf und damit eine vergleichsweise schlechte Umweltbilanz. 
 

Für alle Leserinnen und Leser, die jetzt motiviert sind, etwas zu tun: Wie und wo starte ich am besten?

Ich würde immer den CO₂-Rechner als Ausgangsbasis empfehlen und von dort aus schauen, wo und wie Veränderungen am meisten bringen oder wo ich Lust habe, mich zu engagieren. Und manche Veränderungen fallen dem einen leichter als anderen – etwa, weil er oder sie in einer Großstadt lebt und dort dank guter Infrastruktur kein Auto braucht. Das sieht auf dem Land anders aus. Natürlich kann man nur dort ansetzen, wo man auch einen Handlungsspielraum hat und hier sind die Ausgangsbedingungen ganz unterschiedlich. Und wenn es kein Einsparpotenzial mehr gibt, kann man die eigene Bilanz mit der Unterstützung von Ausgleichsprojekten immer noch aufbessern.  

 

CO₂-Fußabdruck verschiedener Lebensmittel

Anbau, Verarbeitung, Verpackung, Verteilung, Verkauf – wie groß ist der ökologische Fußabdruck verschiedener Lebensmittel pro Kilogramm Eigengewicht? Dieser Frage geht eine Studie des Instituts für Energie- und Umweltforschung Heidelberg, kurz ifeu, aus dem Jahr 2020 auf den Grund.

Spannend: Ananas ist nicht gleich Ananas. Kommt sie mit dem Schiff oder dem Flugzeug in den heimischen Supermarkt?
Ananas Flugzeug = 15,1 kg CO₂* 
Ananas Schiff = 0,6 kg CO₂*

Gleiches gilt für Tomaten. Hier kommt es auf die Saison an – denn im Winter kommen Tomaten aus dem beheizten Gewächshaus. 
Tomaten saisonal Deutschland = 0,3 kg CO₂*
„Winter“-Tomaten Deutschland (beheizt) = 2,9 kg CO₂*

Rinder gelten aufgrund ihres hohen Methanausstoßes als „Klimakiller“, was an der nicht artgerechten Haltung liegt, wie Dr. Anita Idel, Tierärztin und Lead-Autorin des Weltagrarberichts, in einem NDR-Bericht erklärt: „Frisst die Kuh Gras, regt sie es damit zum Wachstum an. Das Gras bildet Feinwurzeln aus, die deutlich mehr CO₂ speichern können als etwa Wälder. Stößt die Kuh Methan aus, wird es in der Atmosphäre innerhalb von zwölf Jahren in CO₂ umgewandelt. Diesen Kohlenstoff nutzen Gräser für ihr Wachstum und speichern ihn dabei im Boden. Damit werden die eigentlich schädlichen Gas-Emissionen der Kuh neutralisiert – ein perfekter Kreislauf.“ Weil wir heute von diesem natürlichen Kreislauf in puncto Haltung meilenweit entfernt sind, haben Milchprodukte und Rindfleisch heute eine vergleichsweise schlechte CO₂-Bilanz.

Butter (Bio) = 11,5 kg CO₂* 
Käse (Bio) im Durchschnitt = 7,2 kg CO₂* 
Rindfleisch (Bio) = 21,7 kg CO₂* 
Tofu = 1 kg CO₂* 
*pro kg Lebensmittel
 

Der CO₂-Rechner 

Wohnen, Ernährung, Mobilität und Konsum sind die Stellschrauben, bei denen jeder Einzelne seinen CO₂-Fußabdruck reduzieren kann. Dafür ist es wichtig, ihn erst einmal zu kennen, beispielsweise mit Hilfe des CO₂-Rechners des Umweltbundesamtes unter: https://uba.co2-rechner.de

 

Dr. Laura Spengler ist Umweltwissenschaftlerin und war von 2009 bis 2019 wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich produktbezogener Umweltschutz beim Beratungsunternehmen Ökopol in Hamburg. Seit 2019 arbeitet sie als Fachgebietsleiterin beim Umweltbundesamt und befasst sich dort unter anderem mit nachhaltigen Konsummustern, Indikatoren für nachhaltigen Konsum, umweltgerechter Produktgestaltung, nachhaltiger Ernährung und Umweltinnovationen.

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