Frau Spengler, wir alle können mit unserem Verhalten einen Beitrag zum Umweltschutz leisten. Welche Möglichkeiten stehen uns dafür zur Verfügung?
Wichtig sind erst einmal die großen Stellschrauben, weil die Wirkung da auch entsprechend groß ist. Den größten Beitrag zum durchschnittlichen CO₂-Fußabdruck von derzeit jährlich etwa 10,3 Tonnen tragen das Wohnen einschließlich Stromverbrauch mit 24 Prozent bei, die Mobilität mit 21 Prozent und Ernährung mit 17 Prozent. Der Rest wird überwiegend durch den Konsum verschiedener Produkte und Dienstleistungen ausgemacht. Durch „bewussten“ Konsum lässt sich hier schon einiges erreichen: Sich hier immer wieder zu hinterfragen, was man wirklich braucht, ob es immer etwas Neues sein muss oder sich Vorhandenes nicht vielleicht doch reparieren oder instand setzen lässt, ist schon einmal ein guter Anfang. Produkte gebraucht zu kaufen ist auch in aller Regel besser als ein Neukauf.
Bleiben wir kurz beim Konsum: Hier machen es viele Hersteller den Verbrauchern nicht gerade leicht, weil es oft günstiger ist, ein Produkt neu zu kaufen, anstatt es reparieren zu lassen…
Da haben Sie leider Recht. Gerade bei günstigen Elektrogeräten im Haushalt – etwa der Toaster – lohnt sich eine Reparatur bei professionellen Reparaturanbietern in der Regel nicht. Es gibt allerdings mittlerweile online eine Menge Anbieter, die aufbereitete Elektronikgeräte deutlich günstiger als Neuprodukte anbieten. Wenn ich also beispielsweise nicht immer das neuste Smartphone-Modell haben möchte, kann ich auf diesen Plattformen Geld sparen und nachhaltiger konsumieren.
Das zeigt auch, dass nicht jeder in allen Bereichen alles richtig machen kann. Macht es daher Sinn, immer die Summe aller Handlungen im Blick zu haben und sich daran zu messen, respektive messen zu lassen?
Ein absolut wichtiger Hinweis, um nicht bei einzelnen kleinen Handlungen mit dem Finger auf andere zu zeigen oder sich selbst bei jeder kleinen Einkaufsentscheidung ein schlechtes Gewissen einzureden. Wir neigen leider dazu, uns über die kleinen, sehr sichtbaren Dinge aufzuregen – ohne sie ins Verhältnis zu setzen. Beispielsweise fällt es vergleichsweise wenig ins Gewicht, wenn ich ohne Beutel zum Einkaufen gehe und mit drei Plastiktüten nach Hause komme, die ich vielleicht sogar mehrfach verwende. Jemand, der den Beutel zum Einkaufen nutzt, dafür aber in einem sehr großen Haus wohnt, jedes Jahr in den Urlaub fliegt und bei dem ein SUV vor der Tür steht, hat eindeutig die schlechtere Umweltbilanz. Daher sagte ich eingangs: Natürlich sind auch die kleinen Dinge sinnvoll, es ist nur eben wichtig, die großen Stellschrauben im Blick zu haben und alles in Summe zu betrachten, anstatt sich im Kleinklein zu verlieren.
Wie kann ich mein persönliches Einsparpotenzial ermitteln, um eine möglichst große Wirkung zu erzielen?
Für einen ersten Überblick eignet sich ein CO₂-Rechner, wie er beispielsweise auch auf der Seite des Umweltbundesamtes zu finden ist. Anhand der Ergebnisse sieht man ganz gut, in welchen Bereichen des eigenen Lebens der CO₂-Ausstoß hoch ist.
Dass nicht jeder alles richtig machen kann, haben wir ja bereits etabliert. Welchen Beitrag muss die Gemeinschaft für eine nachhaltigere Gesellschaft leisten?
Gemeinschaft und Politik sind überall dort gefragt, wo der Einzelne an seine Grenzen stößt. Nehmen wir das Beispiel der Mobilität. Gerade in ländlichen Regionen kann es nicht das Ziel sein, die individuelle Mobilität einzuschränken. Hier gilt es vielmehr, mit gezielten Vorgaben und Förderungen beispielsweise die Antriebe im Sinne der Nachhaltigkeit weiter zu verbessern.
Alternative Antriebe sind ein interessantes Stichwort. Hier forciert Deutschland vor allem die Elektromobilität, die in puncto Nachhaltigkeit nicht nur Lob, sondern durchaus auch Kritik erntet. Können wir heute überhaupt sagen, welche Alternativen langfristig Bestand haben werden?
Vorab: Perfekt ist keine Lösung. Das liegt an unserem modernen Leben, das immer mit einem hohen Verbrauch von Ressourcen verbunden ist. Wir leben einfach nicht mehr so im Einklang mit der Natur, dass alles, was wir verbrauchen, sofort wieder in den Kreislauf zurückgeht. Dennoch bringt uns Elektromobilität dem Ziel Klimaschutz einen deutlichen Schritt näher als es fossile Antriebe tun, weshalb sie weltweit nicht nur stark gefördert wird, sondern auch die Forschungsdynamik unheimlich groß ist. Die ideale Lösung werden Sie allerdings nicht finden, weder für die Mobilität noch in anderen Bereichen wie der Energieversorgung, weil es immer Zielkonflikte gibt.
Wirklich losgelöst können wir weder unsere individuellen Bemühungen, nachhaltiger zu leben, noch die der Bundesrepublik betrachten. Wie groß kann der Einfluss eines Vorbilds überhaupt sein – im Kleinen wie auch im globalen Kontext?
Für eine Beurteilung müssen wir erst einmal zurückschauen. Denn die wohlhabenden Länder, die sich jetzt für Klimaschutz einsetzen und zum Glück einen Rückgang bei ihren Emissionen verzeichnen können, sind eben auch die Länder, die ihren heutigen Wohlstand einem hohen Verbrauch an Ressourcen und den damit verbundenen hohen Emissionen zu verdanken haben. Und das wirkt bis heute nach. Auch hier gilt: Bevor mit Fingern auf andere Länder gezeigt wird, die ebenfalls nach Wohlstand streben, müssen wir erst einmal selbst unsere Emissionen weiter deutlich reduzieren. Gleichzeitig ist es natürlich richtig, dass es sich die Welt nicht mehr erlauben kann, dass aufstrebende Nationen wie China oder Indien jetzt im gleichen Maße Ressourcen verbrauchen, wie wir es in den letzten 50 Jahren getan haben. Insofern sehe ich die Vorbildfunktion als äußerst wichtig an. Denn wir müssen heute nicht nur mit gutem Beispiel vorangehen, sondern diese Länder vor allem mit nachhaltigen Lösungen unterstützen.
Kann eine solche Vorbildfunktion auch im kleinen, persönlichen Rahmen wirken?
Absolut, und zwar in Form des Handabdrucks. Anders als der ökologische Fußabdruck geht es beim Handabdruck darum, mit Engagement und Einsatz andere zu einem nachhaltigeren Lebensstil zu motivieren. Denn Verbesserungen am Fußabdruck alleine – jeder für sich – werden die ganz große Wende nicht einleiten. Wir brauchen die Mitwirkung der Gesellschaft, damit Dynamiken entstehen und politische Maßnahmen besser greifen können
Das heißt, ich sollte meinen ökologischen Fußabdruck reduzieren, meinen ökologischen Handabdruck dafür ausweiten?
Ganz genau. Und das kann gelingen, indem man sich in seinem unmittelbaren Umfeld, in seiner Kommune, in seinem Freundeskreis engagiert. Wie kann ich Leute motivieren, beim Umweltschutz mitzumachen? Auch der eigene Arbeitsplatz ist ein guter Ort, um sich einzubringen und für ein Mehr an Nachhaltigkeit zu sorgen, indem man sich beispielsweise für klimafreundliche Mitarbeitermobilität einsetzt. Wer seinen eigenen Wirkungskreis größer versteht, kann viel mehr bewirken, weil Spielraum und Hebel entsprechend größer sind.