Wenn Tiere träumen...

Die Verhaltens- und Kognitionsforschung untersucht Abstraktionsvermögen und Intelligenz von Lebewesen. Die Ergebnisse sind erstaunlich.

Illustration: Vanessa Chromik
Illustration: Vanessa Chromik
Verena Mörath Redaktion

Zissou ist eine wohlerzogene Hundedame. Auf das Kommando „Down!“ legt sie sich hin, hört sie „Sit!“, setzt sie sich. Läuft sie im Park zu weit weg, reicht ein lautes „Zissouuuu, hophop!“ und sie kommt zurück. Wichtig dabei sind für die Hündin die Stimme und die Handzeichen ihrer Besitzerin. Das klappt auch via Videocall: Sie erkennt dabei das vertraute Gesicht, die Zurufe und gehorcht verschiedenen Aufforderungen. Ihr Antlitz im Spiegel erkennt sie allerdings nicht, es ist ihr eher egal. 

Experimente mit einem Spiegel sind in der Kognitionsforschung, die sich mit den Bereichen Gedächtnis, Bewusstsein, Lernen oder Emotionen beschäftigt, nicht neu. Schon viele Wissenschaftler:innen haben untersucht, wie Tiere auf ihr Spiegelbild reagieren und ob sie sich selbst erkennen. Der Spiegeltest ist mittlerweile ein Standard bei der Erforschung der Selbstwahrnehmung und wurde schon vor 50 Jahren von dem US-amerikanischen Psychologen Gordon Gallup entwickelt. Er hat Schimpansen mit geruchloser Farbe zwei rote Punkte aufs Gesicht gemalt. Die Affen erkannten die Farbkleckse und so auch sich selbst. Dies wurde als ihre Fähigkeit zur Selbsterkenntnis ausgelegt. 

In den letzten zwei Jahrzehnten fanden andere Forscher:innen heraus, dass unter anderem auch Raben, Krähen, Elstern, Elefanten und Meeressäuger sich erkennen – „das bin ja ich!“ – wenn sie sich im Spiegel sehen. Sehr gut schneiden bei dem Test Delfine ab: Sie nutzen den Spiegel gar, um sich selbst zu untersuchen und neckische Posen zu machen und dies schon im zarten Alter von sieben Monaten. Menschenkindern gelingt das erst im Alter von 12 Monaten, Schimpansen erst mit zwei Jahren. 

Für Erstaunen sorgten vor nicht hat allzu langer Zeit die Putzerlippfische (Labroides dimidiatus): Auch sie können lernen, sich im Spiegel und sogar auf Fotos zu erkennen und von anderen Artgenossen zu unterscheiden. Fremde Fischgesichter jedoch greifen sie an, das sind für sie Rivalen, so das Ergebnis eines Forscherteams der Osaka Metropolitan University. Viele Wissenschaftler:innen gehen heute davon aus, dass Lebewesen mit einem starken sozialen Zusammenhalt vertraute Gruppenmitglieder identifizieren können. Diese These bekommt Gewicht, wenn man bedenkt, dass auch Elefanten, Delfine und Menschenaffen, auch wir Menschen soziale Lebewesen sind und den Spiegeltest bestehen. 

Der Kognitionsforscher Ludwig Huber von der Veterinärmedizinischen Universität Wien beschäftigt sich mit tierischer Intelligenz und glaubt, dass Tiere und auch Insekten zunehmend bei uns Menschen punkten werden. Nehmen wir als Beispiel Hummeln und Bienen. Neuen Erkenntnissen nach haben diese fleißigen Bestäuber ein Gehirn, wenn auch klitzeklein. Aber es befähigt zum Beispiel Hummeln, den richtigen Faden zu ziehen, gilt es an ein Zuckerwasser zu gelangen. Und Bienen können bis vier zählen, fand der deutsche Bienenforscher Lars Chittka heraus.
 

Gehirne müssen nicht zwangsweise im Kopf sitzen: Bei Oktopoden sitzen die Neuronen in ihren Armen und können einzeln angesteuert werden. Man sagt flapsig: Ein Krake hat neun Gehirne. Heidi ist seit 2019 ein sehr berühmter Oktopus, nachdem ein Video viral ging, das ihn schlafend zeigte. Dennoch bewegte Heidi sich rege, zuckte und wechselte häufig die Pigmentierung ihrer Haut. Es wurde vermutet, dass Heidi davon träumte, eine Krabbe zu jagen. 

Das denkt auch David Peña-Guzmán, Wissenschaftsphilosoph an der San Francisco State University. Er beschäftigt sich intensiv mit Tierstudien und Bewusstseinstheorien und veröffentlichte 2022 ein Buch zur Frage, wie Tiere träumen (When Animals Dream: The Hidden World of Animal Consciousness). Er nahm sich auch Heidi vor und analysierte zudem eine Vielzahl von wissenschaftlichen Veröffentlichungen über den Schlaf von Tieren. Er kommt zu dem Schluss, dass viele Tierarten träumen und schreibt ihnen ein „phänomenales Bewusstsein“ zu: Viele Tierarten nehmen ihre Außenwelt war, setzen sich dazu in Beziehung und haben Gefühle, Emotionen und Empfindungen. Sie haben ein Bewusstsein, aber eben nicht eins, das auf Logik und Rationalität aufbaut und zu komplexen Gedanken befähigt. Intelligent sind auf jeden Fall viele. 

Schafe zum Beispiel haben die Begabung, sich Gesichter gut zu merken, so wie Menschen und Affen. Schweine gelten nachweislich als intelligent und verfügen über komplexe Verhaltensweisen und Abstraktionsvermögen: In einem Versuch lernten sie zuerst, einen Joystick mit ihrer Schnauze zu bedienen, dann bekamen sie einen Bildschirm und lernten schnell, den Cursor mit dem Stick zu bewegen – trotz fehlender Möglichkeit zu greifen und obwohl sie weitsichtig sind. Auch Pferde können abstrakt denken, haben ein extrem gutes Gedächtnis und nehmen menschliche Gesichtsausdrücke wahr und interpretieren sie richtig.

Illustration: Vanessa Chromik
Illustration: Vanessa Chromik

Ein weiterer Star in der Rangliste der Intelligenzbestien ist das amerikanische Gorillaweibchen Koko: Die Affenforscherin Penny Patterson brachte ihr die Gebärdensprache bei: 1000 Gesten konnte Koko selbst formen und hat 2000 Wörter verstanden. Gepaukt hatte auch Rico, ein Border Collie aus Dortmund. Der Forscherin Julia Fischer brachte Rico nach Zuruf aus einem Raum den richtigen Gegenstand – Trefferquote 92,5 Prozent. Er erlernte mehr als 260 Bezeichnungen für Dinge und erlernte neue Wörter nach einem ähnlichen Prinzip wie Kleinkinder. Eine weitere Tierikone war der 24-jährige Graupapagei Alex der Verhaltensforscherin Irene Pepperberg. Es heißt, sein Wortschatz könne sich mit dem eines Fünfjährigen messen. 

Zissou träumt häufig, erzählt ihre Besitzerin. Dann bewegen sich ihre Pfoten wie im leichten Trab. Manchmal heult sie auf. Leider kann die Hündin nicht sprechen und erzählen, was sie im Traum beschäftigt hat. Auch ihre Reflexionen erkennt sie nicht im Spiegel. Das heißt jedoch nicht, dass sie kein Bewusstsein für ihren eigenen Körper und damit für das eigene Ich hat. 

David Peña-Guzmán wie auch Ludwig Huber werfen in ihren Veröffentlichungen die Frage auf, ob wir nicht unseren Umgang mit Tieren radikal überdenken müssen. Zeigen doch Befunde aus der Forschung, welche Kompetenzen manche Tiere haben und zu welchen Intelligenzleistungen sie fähig sind. 
 

Gehirne müssen nicht zwangsweise im Kopf sitzen: Bei Oktopoden sitzen die Neuronen in ihren Armen und können einzeln angesteuert werden. Man sagt flapsig: Ein Krake hat neun Gehirne. Heidi ist seit 2019 ein sehr berühmter Oktopus, nachdem ein Video viral ging, das ihn schlafend zeigte. Dennoch bewegte Heidi sich rege, zuckte und wechselte häufig die Pigmentierung ihrer Haut. Es wurde vermutet, dass Heidi davon träumte, eine Krabbe zu jagen. 

Das denkt auch David Peña-Guzmán, Wissenschaftsphilosoph an der San Francisco State University. Er beschäftigt sich intensiv mit Tierstudien und Bewusstseinstheorien und veröffentlichte 2022 ein Buch zur Frage, wie Tiere träumen (When Animals Dream: The Hidden World of Animal Consciousness). Er nahm sich auch Heidi vor und analysierte zudem eine Vielzahl von wissenschaftlichen Veröffentlichungen über den Schlaf von Tieren. Er kommt zu dem Schluss, dass viele Tierarten träumen und schreibt ihnen ein „phänomenales Bewusstsein“ zu: Viele Tierarten nehmen ihre Außenwelt war, setzen sich dazu in Beziehung und haben Gefühle, Emotionen und Empfindungen. Sie haben ein Bewusstsein, aber eben nicht eins, das auf Logik und Rationalität aufbaut und zu komplexen Gedanken befähigt. Intelligent sind auf jeden Fall viele. 

Schafe zum Beispiel haben die Begabung, sich Gesichter gut zu merken, so wie Menschen und Affen. Schweine gelten nachweislich als intelligent und verfügen über komplexe Verhaltensweisen und Abstraktionsvermögen: In einem Versuch lernten sie zuerst, einen Joystick mit ihrer Schnauze zu bedienen, dann bekamen sie einen Bildschirm und lernten schnell, den Cursor mit dem Stick zu bewegen – trotz fehlender Möglichkeit zu greifen und obwohl sie weitsichtig sind. Auch Pferde können abstrakt denken, haben ein extrem gutes Gedächtnis und nehmen menschliche Gesichtsausdrücke wahr und interpretieren sie richtig.

Ein weiterer Star in der Rangliste der Intelligenzbestien ist das amerikanische Gorillaweibchen Koko: Die Affenforscherin Penny Patterson brachte ihr die Gebärdensprache bei: 1000 Gesten konnte Koko selbst formen und hat 2000 Wörter verstanden. Gepaukt hatte auch Rico, ein Border Collie aus Dortmund. Der Forscherin Julia Fischer brachte Rico nach Zuruf aus einem Raum den richtigen Gegenstand – Trefferquote 92,5 Prozent. Er erlernte mehr als 260 Bezeichnungen für Dinge und erlernte neue Wörter nach einem ähnlichen Prinzip wie Kleinkinder. Eine weitere Tierikone war der 24-jährige Graupapagei Alex der Verhaltensforscherin Irene Pepperberg. Es heißt, sein Wortschatz könne sich mit dem eines Fünfjährigen messen. 

Zissou träumt häufig, erzählt ihre Besitzerin. Dann bewegen sich ihre Pfoten wie im leichten Trab. Manchmal heult sie auf. Leider kann die Hündin nicht sprechen und erzählen, was sie im Traum beschäftigt hat. Auch ihre Reflexionen erkennt sie nicht im Spiegel. Das heißt jedoch nicht, dass sie kein Bewusstsein für ihren eigenen Körper und damit für das eigene Ich hat. 

David Peña-Guzmán wie auch Ludwig Huber werfen in ihren Veröffentlichungen die Frage auf, ob wir nicht unseren Umgang mit Tieren radikal überdenken müssen. Zeigen doch Befunde aus der Forschung, welche Kompetenzen manche Tiere haben und zu welchen Intelligenzleistungen sie fähig sind.
Illustration: Vanessa Chromik
 

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