Es ist doch mehr als ein Weg

Verkehrserziehung schafft selbstbewusste, mobile Kinder und minimiert Unfallrisiken ganz erheblich. Schon ab drei Jahren können Kinder Verkehrsregeln verstehen und anwenden.

Illustration: Cristian Chiscari
Illustration: Cristian Chiscari
Friderieke Schulz Redaktion

Wenn wir Eltern werden, verändert sich der Blick auf die Welt. Wir erleben, wie unsere Kinder das erste Mal auf die Dinge schauen, die für uns selbstverständlich sind. Doch die Medaille hat zwei Seiten und die Erkundung der Welt durch Kinderaugen beinhaltet mehr als die Wahrnehmung einer Pusteblume in der Bordsteinkante. Sie beinhaltet auch, dass neben der Pusteblume der Straßenverkehr rollt und mit ihm tausende Gefahren. Doch auf genau diese können wir unsere Kinder vorbereiten – lange bevor sie in die Schule gehen.

Schon ab einem Alter von drei Jahren kann die spielerische Verkehrserziehung beginnen. Der Schlüssel liegt wie so oft in der Wiederholung und im Vorleben. Und das geschieht nicht, indem wir alle Wege mit dem Auto fahren und den Kindern den Verkehr aus dem sicheren Platz im Kindersitz zeigen. Laut Bundesministerium für Digitales und Verkehr ist das übrigens Lebensrealität bei 43 Prozent der in Deutschland lebenden Kinder. Eine gefährliche Realität. Denn neben der Verkehrssicherheit büßen die Kinder auch motorische Fähigkeiten ein.

Was hilft, ist das Auto häufig stehen zu lassen und mit unseren Kindern zu üben, wie sie sich im Straßenverkehr sicher bewegen. Zu Fuß und mit Fahrzeugen wie Fahrrädern, Rollern oder Ähnlichem. Dreijährige Kinder können schon gut verstehen, dass sie an einer Straße stehenbleiben und den Links-Rechts-Links-Blick anwenden müssen. Auch das Überqueren von Ampelkreuzungen, Zebrastreifen und Überwegen können sie in diesem Alter bereits verinnerlichen. Hier macht es übrigens auch Sinn, ihnen früh Aufgaben zu übertragen, um sie so spielerisch zu schulen. Wir können sie die Grünphase der Ampel verkünden lassen oder sie entscheiden lassen, wann die Straße überquert werden kann. Auch wenn es abgedroschen klingt: Übung macht den Meister und Geduld ist des Meisters rechte Hand.

Was wir erleben, wenn wir unseren Kindern so die Welt zeigen, ist unglaublich: Ihr Selbstbewusstsein wächst, ihre Selbstständigkeit und Eigenverantwortung nimmt zu. Die Begleitung macht sie und uns sicherer. So können wir als Eltern besser beurteilen, wie sich ihr Verständnis für den Straßenverkehr entwickelt und wie gut das Gelernte schon umgesetzt wird. Nicht nur unsere Kinder müssen lernen. Auch wir müssen verstehen, dass der Blick unserer Kinder auf den Verkehr mit 110 cm Körpergröße anders ist, das Gefühl für Distanzen und Geschwindigkeiten sich noch entwickeln muss und manchmal Dinge abseits des Verkehrs die Aufmerksamkeit auf sich ziehen und Gefahren ausgeblendet werden.

Und davon gibt es zunehmend. Der Straßenverkehr wird immer komplizierter. Leise heranfahrende E-Autos, -Räder und -Roller machen uns Angst. Und das ist verständlich. Doch eine Studie der Bundesanstalt für Verkehrswesen bestätigt: Nur Wissen kann für Sicherheit sorgen und eine Meidung des Verkehrs ist kaum möglich. Trotzdem werden laut der Studie Kinder zunehmend unselbstständiger im Umgang mit dem Verkehr und Verkehrserziehung findet immer häufiger erst in der Grundschule statt, während im häuslichen Umfeld nahezu alle Wege mit dem Auto zurückgelegt werden. Schade. Denn so bringen wir nicht nur unsere Kinder in Gefahr, weil sie nicht wissen, wie sie sich im Straßenverkehr bewegen, sondern wir berauben uns und sie auch der Entdeckung der Pusteblume in der Bordsteinkante. 

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