»Ich liebe meine Küche!«

Unser Kolumnist weiß, wo noch echtes Handwerk zelebriert wird. Wo man sich geborgen fühlt. Und wo die schönsten Partys stattfinden.

Illustration von Sophia Hummler
Illustration von Sophia Hummler
Horst Schwartz Redaktion

Es ist auf so vielen Partys das gleiche Bild: Kaum ist das Fest im Gange, bildet sich ein Grüppchen, das in der Küche ausharrt – und sich offensichtlich gut amüsiert. Oft geht es dort lockerer zu, als auf dem eigentlichen Familienfest oder Freundestreffen. Da wird auch das eine oder andere Bekenntnis gemacht oder ein Geheimnis ausgetauscht. Der provisorische Treffpunkt, das Sich-adhoc-Austauschen fördert die Kommunikation.

Woher kommen diese Küchen-Partys? Ich glaube, sie werden durch Erinnerungen begünstigt. Erinnerungen an die eigene Kindheit. 

Was auch alles in meinem langen Leben ich vergessen habe: Momente, in denen ich mich bei meiner Mutter in der Küche gut aufgehoben gefühlt habe, sind tief eingeprägt. Ich erinnere mich kaum an das Wohnzimmer, an das „Jungenzimmer“ schon gar nicht. Aber an meine Mutter in der Küche. Dorthin zog es mich auch, wenn es Ärger mit meinem Vater gab.

Egal, ob die Gastgeber eine perfekte Designer-Wohnung besitzen oder zur Feier in eine etwas angestaubte WG geladen haben, ihre Küche besitzt eine erstaunliche Anziehungskraft. Ob High-Tech-Ausstattung oder altmodisch mit Erinnerungsstücken aus Omas Zeiten: Die Küche ist und bleibt der wichtigste Raum der Wohnung. Oder gar im ganzen Haus. Das hat nicht nur etwas mit der Geselligkeit zu tun, sondern auch mit dem Bewusstsein, dass aus der Küche das Lieblingsgericht kommt, die Getränke zum Essen, das Trosteis für die Kleinen. 

HORST SCHWARTZ, Kolumnist
HORST SCHWARTZ, Kolumnist

Ich kann nicht kochen. Dennoch (oder gerade deswegen) faszinieren mich Küchen. Und ganz besonders das, was Leute dort fabrizieren. Gerne schaue ich zu, wenn andere kochen. An was man da alles denken muss! Oder geht das einem Kochkünstler in Fleisch und Blut über? Was ist eine Prise? Wie viel Kapern sind verdaulich? Wann ist ein Filetstück gar? Die Bewunderung für das Küchenhandwerk habe ich, seit ich als Knirps in den 1950er-Jahren die erste TV-Kochshow gesehen habe, der Fernsehkoch Clemens Wilmenrod, Erfinder übrigens des „Toasts Hawai“, begrüßte die Zuschauer seiner Sendung „Bitte in zehn Minuten zu Tisch“ stets mit den Worten „Ihr lieben, goldigen Menschen.“

So wie er kochte, das stand für mich fest, wollte ich kochen lernen. Ich habe es nie gelernt.

Meine Küche ist entsprechend karg ausgestattet, aber ich liebe sie. Voller Bewunderung bin ich, wenn ich bei Freunden oder in der Familie sehe, was sich kluge Menschen in Sachen Küche haben einfallen lassen. Die ganze Kesselsammlung, die in einem Drehschrank verschwindet. Den Auszug, der den Mülleimer hervorbringt. Praktisches hier, Schnickschnack dort. Wasserhähne, die nur mit Raffinesse zu bedienen sind. Herde, die mich verwirren, weil ihre Armaturen mich an ein Flugzeug-Cockpit erinnern. 

So manche Familie, die ich kenne, hat ein Vermögen für die neue Küche ausgegeben. Das hätte schon für einen Kleinwagen gereicht. Erst wenn sie nach dem Umzug zur Housewarming-Party bitten, wirkt die Hochglanz-Küche gemütlich. Sie wird zum inoffiziellen Party-Treffpunkt. Ich bin sicher: Das hängt mit den Erinnerungen an die eigene Kindheit zusammen, an die Mama, an die Geborgenheit.

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