„Eins, zwei, drei“ zählt die 93-jährige Irene Gillenberg leise und kickt mit ihrer grünen Spielfigur schwungvoll die rote vom Mensch-Ärgere-Dich-nicht-Brett. Das Männchen gehört dem 64-jährigen Richie, der sich etwas ärgert. Heute habe er einfach kein Glück, meint er schmunzelnd. Irene, Emmy und Richie spielen gemeinsam Brettspiele – wie damals im SOS-Kinderdorf Saar, als Irene noch SOS-Kinderdorfmutter war und Richie, Emmy und sechs weitere Kinder großzog.
In Irenes Wohnung deuten Dutzende Fotografien in bunten Rahmen an, was für die sympathische Frau im Leben stets Priorität hatte: die Familie. Ein Bild von ihr selbst zu finden, ist schwer, vielmehr strahlen uns ihre acht Ziehkinder, 14 Enkelkinder und sechs Urenkel entgegen. Die 93-Jährige ist trotz ihres hohen Alters körperlich fit, ernährt sich gesund und geht jeden Tag spazieren. Doch in letzter Zeit benötigt „Mutti“, wie Richie sie liebevoll nennt, zunehmend Hilfe. Denn Irene leidet unter Demenz. Das betreffe vor allem das Kurzzeitgedächtnis, von früher wisse sie vieles noch ganz genau, erklärt Richie.
Er und seine SOS-Geschwister sind dankbar für die Fürsorge und Liebe, die ihre Kinderdorfmutter ihnen im SOS-Kinderdorf entgegenbrachte und möchten ihr dafür etwas zurückgeben. „Sie hat ja so viel für uns gemacht“, sagt er. Vier der Kinder, die Irene im SOS-Kinderdorf großgezogen hat, leben noch immer im Saarland und wechseln sich mit der Unterstützung für Irene ab.
„In einer Woche bekamst du acht Kinder“, scherzt Richie, während er auf ein schwarz-weißes Foto blickt, das ihn selbst mit seinen SOS-Geschwistern vor Haus Nummer 24 im SOS-Kinderdorf Saar zeigt. Richie war sechs, seine Schwester Emmy ein Jahr jünger, als das Jugendamt die Geschwister Mitte der 60er Jahre aus der Familie nahm. Die leibliche Mutter konnte sich nicht mehr um die beiden kümmern, der Vater war amerikanischer Soldat und in die USA zurückgekehrt. „Wir haben richtig Glück gehabt“, weiß Richie. Wenige Tage nach ihm und Emmy fanden weitere sechs Mädchen und Jungen ihren Weg aus ganz Deutschland nach Merzig in die SOS-Kinderdorffamilie.
Trotz erster Berührungsängste schaffte es Kinderdorfmutter Irene schnell mit ihrer „Herzlichkeit und Wärme“, wie es Richie beschreibt, dass sich die Kinder bei ihr wohlfühlten. „Sie war sehr liebevoll. Sie war immer da, hat uns in den Arm genommen – was sich ein Kind eben wünscht“, erinnert sich Richie.