»Scheitern ist mit Mut verbunden!«

Sofie Quidenus-Wahlforss gründete mit 21 zum ersten Mal. Heute hilft ihr Unternehmen omni:us Versicherungsunternehmen, Schadensprozesse durch KI effizienter abzuwickeln. Ein Gespräch über Mut – und was wir von kleinen Kindern lernen können.

Sofie Quidenus-Wahlforss, Gründerin omni:us
Sofie Quidenus- Wahlforss hat gelernt, Risiken zu kalkulieren. Ist ein Projekt „safe enough to try“, legt sie los. So vorzugehen, rät sie auch anderen Gründerinnen und Gründern.
INTERVIEW: Jost Burger Redaktion

Frau Quidenus-Wahlforss, woher haben Sie den Mut genommen, bereits in ganz jungen Jahren zu gründen?

Für mich stellt sich weniger die Frag nach dem Mut, sondern wie wir mit Risiko umgehen, mit der Angst vorm Scheitern. Und da bin ich sicher durch meine Eltern geprägt. Bei uns zuhause war Scheitern mit Mut besetzt: Schau, das hat jetzt nicht funktioniert, aber Du hast Dich getraut! Du kannst etwas draus lernen! Und zwar, dass es sich lohnt, weiterzumachen. Mein kleiner Sohn ist da eine große Inspiration: Der fällt hin, steht auf, und macht weiter. Der Mensch hat in sich eine intrinsische Motivation, und das ist Neugier, die Lust, etwas Neues auszuprobieren. Irgendwann auf dem Weg ins Erwachsensein wird bei vielen Menschen die Angst vorm Scheitern aber so groß, dass sie sich nichts mehr trauen. Mir hat da geholfen, Risiken zu kalkulieren. Geht die Welt wirklich unter, wenn ein Plan fehlschlägt? Wenn die Antwort nein ist, dann gehen wir die Sache an. Es geht darum, eine Umgebung zu schaffen, in der am Ende gar nicht mehr so viel Mut nötig ist, weil das Risiko kalkuliert ist. Nach diesem Motto, „Safe enough to try“, verfahren wir auch bei omni:us, wenn es um neue Ideen geht.
 

Wie war das, recht früh Führungsverantwortung zu übernehmen?

Auch hier geht es wieder um das Thema Angstbewältigung. Nach der erfolgreichen Finanzierung für omni:us musste ich plötzlich über Nacht 50 Leuten sagen, wie es jetzt weitergeht. Mir wurde klar dass ich Angst vor Konflikten hatte – Konflikte, etwa in Mitarbeitergesprächen, müssen Sie aber aushalten können. Ich habe dann für mich entdeckt, dass Konflikte beziehungsfördernd sind, solange sie wertschätzend bleiben. Durch diese Umwertung war auch die Angst weg – so konnte ich zur Führungskraft, zur Leitwölfin werden.

Sofie Quidenus-Wahlforss
Sofie Quidenus-Wahlforss

Was ist aus Ihrer Sicht nötig, damit mehr Menschen eine Gründung wagen?

Großes Thema! Ich beschränke mich mal auf die Schule. Mit 16 war ich Teil einer Schülerfirma. Dort durften wir in einem geschützten Raum – Stichwort Risiko! – unsere Ideen ausprobieren. Ich wünsche jungen Menschen, dass sie lernen, Dinge einfach zu machen, und dass es weitergeht, auch wenn es nicht hinhaut. Dass sie nicht verlernen, wie kleine Kinder Spiel und Arbeit zu verbinden. Wenn ich ein Spiel verliere, kann ja ein neues beginnen. Oder ich ändere eben die Richtung. Kaum ein Start-up wird mit seiner ursprünglichen Idee erfolgreich. Wenn etwas nicht funktioniert, dann mache ich etwas Neues. Wenn junge Menschen lernten, dass ihre Handlungen nicht nur auf ein festgelegtes Outcome hin betrachtet werden, dass Scheitern nicht negativ bewertet wird, wäre schon viel gewonnen.
 

Woher nehmen Sie die Inspiration für Ihre Projekte?

Ich stelle Fragen! Welche Probleme gibt es, wo sind die Schmerzpunkte, die nach einer Lösung verlangen? Bei omni:us etwa ging es um die Vereinfachung aufwendiger Prozesse in der Versicherungsbranche. In Hunderten Gesprächen bin ich den Problemen auf den Grund gegangen. Irgendwann war es für mich sonnenklar, dass die Lösung KI ist. Das habe ich zu meiner Vision gemacht, mit der ich andere überzeugen konnte. Dann stellt sich nur noch die Frage, wieviel Zeit und Geld, welche Ressourcen, welchen Plan ich brauche. Und dann muss man auch keine Angst vorm Scheitern haben!
 

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