Ganz und gar nicht gleich

Traurig aber wahr: An gleiche Bezahlung für Männer und Frauen ist in Deutschland noch lange nicht zu denken – aber es wird daran gearbeitet.
FraueninFührungspositionenWissenschaftlerin
Illustration: Linda Wölfel
Julia Thiem Redaktion

Stellen Sie sich vor, Ihr Chef offenbart Ihnen im Dezember folgendes: „Meier, für die ersten 79 Tage im neuen Jahr gibt es kein Geld“. Wie würden Sie reagieren? Geschockt, fassungslos, wütend? Sie würden protestieren und sich einen neuen Arbeitgeber suchen? Millionen von Frauen tun das nicht. Sie akzeptieren den geschlechtsspezifischen Entgeltunterschied still und leise, der laut Statistischem Bundesamt aktuell in Deutschland rund 22 Prozent beträgt. Rechnet man den Prozentwert in Tagen um, arbeiteten Frauen im aktuellen Jahr tatsächlich bis zum 19. März 2016, nämlich genau 79 Tage, umsonst. Dieses Datum markiert der sogenannte Equal Pay Day.

 

Ob die seit Januar gesetzlich vorgeschriebene Frauenquote hier etwas richten kann? 108 Unternehmen sind seitdem verpflichtet, mindestens 30 Prozent der neu zu besetzenden Aufsichtsratsposten an Frauen zu vergeben. Eine im März 2016 veröffentlichte Studie der Hans-Böckler-Stiftung zeigt, dass es aktuell gerade einmal für 22 Prozent reicht. Immerhin: Der Frauenanteil in den Gremien habe sich in den letzten zehn Jahren nahezu verdoppelt, heißt es in der Studie. 

 

Ein Grund dafür könnte sein, dass die Unternehmen inzwischen den Vorteil der Vielfalt erkannt haben. Henkel hat beispielsweise den Anteil von Frauen in Führungspositionen in den letzten Jahren konsequent erhöht. 33 Prozent der Führungskräfte sind hier weiblich, was sicherlich auch am großen Einsatz für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf liegt: drei Betriebskindertagesstätten mit insgesamt 240 Plätzen allein am Hauptsitz Düsseldorf. Für Wibke Kuhnert, Finanzdirektorin bei Henkel, ein entscheidender Faktor: „Wichtig für berufstätige Eltern sind Betreuungsplätze mit flexiblen Betreuungszeiten.“ Die 44-jährige Mutter zweier Kinder würde sich zwar selbst nicht unbedingt als Karrierefrau bezeichnen, hatte aber immer klare Ziele und Vorstellungen im Job. „Kurz nach meiner ersten Elternzeit habe ich von Henkel das Angebot für eine leitende Stelle mit Personalverantwortung bekommen und nicht gezögert, diese anzunehmen.“

 

Frauen wie Kuhnert fehlen in der Wirtschaft. Das weiß man auch bei Dell. In Deutschland steht bereits eine Frau an der Spitze des Unternehmens. Weltweit will man mehr Frauen dazu ermutigen, ihren Weg im Geschäftsleben zu gehen. Deshalb hat man das Dell Women’s Entrepreneur Network ins Leben gerufen, das Frauen weltweit zusammenbringen will – regelmäßige Netzwerkveranstaltungen, Beratung und Unterstützung inklusive. 

 

Doch auch die Frauen selbst sind gefragt. Karrieren wollen geplant, Gehaltserhöhungen gefordert werden. 79 unbezahlte Tage im Jahr sind nicht hinnehmbar und dank öffentlichem Diskurs und Frauenquote stehen die Chancen aktuell günstiger denn je, daran etwas zu ändern. 

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