»Man muss die Pferde auch mal galoppieren lassen!«

Inova Semiconductors setzt Standards in der Datenübertragung im Auto. Das hier abgedruckte Gespräch führte Mitgründer Robert Kraus im September 2023. Kurze Zeit später verstarb er unerwartet. Inova hat sich entschieden, das Interview dennoch zu veröffentlichen. 

Robert Kraus, Mitgründer und CEO Inova Semiconductors
Robert Kraus, Mitgründer und CEO Inova Semiconductors
Inova Semiconductors Beitrag

Herr Kraus, Inova Semiconductors gehört zu den weltweit innovativsten Unternehmen der Automobilbranche, Ihre Lösungen finden sich in Millionen von Fahrzeugen auf der ganzen Welt. Können Sie unseren Leserinnen und Lesern einen Überblick geben, was Sie tun?
Inova Semiconductors wurde 1999 von mir zusammen mit einem Partner und mit Venture Capital gegründet. Vereinfacht gesagt, entwickeln wir Chips für die Datenübertragung in Fahrzeugen – und das sehr erfolgreich. Mit unserem APIX-System etwa haben wir seit 2008 einen De-Facto-Standard für die Übertragung von Displaydaten geschaffen, der in Millionen von Fahrzeugen, vor allem von Herstellern in Europa, aber mehr und mehr auch in Asien eingesetzt wird. Seit Anfang der 2000er kamen in Fahrzeugen immer öfter elektronische Displays zum Einsatz, die aber eher an die monochromen PC-Monitore der 1990er-Jahre erinnerten. Mit der Verbreitung von Smartphones mit ihren hochauflösenden Displays wuchs der Anspruch, solche Lösungen auch im Auto zu haben. Das führte zu schnell wachsenden Displaydatenmengen, verstärkt durch den Trend, immer mehr Bildschirme im Auto zu verteilen, bis hin zur Möglichkeit, während der Fahrt Filme zu streamen. Hier kommt APIX ins Spiel. Die aktuelle Generation, APIX3, ermöglicht Datenübertragungsraten von bis zu 12 Gbit pro Sekunde, damit kann man im Fahrzeug jetzt auch hochauflösende 4K-Displays einsetzen.  

Im November stellen Sie ADXpress vor. Ist das einfach APIX in der Version 4?
Nein, sondern noch viel mehr! Die ADXpress (Automotive Data Express)-Chips und die damit möglichen Architekturen beruhen auf ähnlichen Prinzipien wie APIX. Mit dem großen Unterschied, dass ADXpress von vornherein für die Übertragung jeglicher Art von Daten entwickelt wird. Dabei ist ein Schwerpunkt die Verteilung der Daten von vielen Stellen zu vielen Stellen im Fahrzeug, anders als bei reinen Displayanwendungen, wo Daten normalerweise „nur“ von A nach B transportiert werden. Eine Vielzahl von Sensoren, wie etwa Kameras, Lidar oder Radar erzeugen heute zusammen mit den wachsenden Displaydaten immer noch größere Datenmengen. Sensoren und Aktoren müssen zudem immer schneller und verlässlicher senden und empfangen können. ADXpress ist eine Art schnelle, mehrspurige Datenautobahn fürs Fahrzeug und ermöglicht, all diese Daten in einem Netzwerk zu übertragen, das flexibel an die jeweiligen Bedürfnisse der Hersteller anpassbar ist. Damit entfällt unter anderem die Notwendigkeit, Dutzende von individuellen Steuergeräten im ganzen Auto zu verteilen. Stichwort „software defined vehicle“: Ein zentraler Rechner steuert das Fahrzeug. Updates und neue Features erfolgen zentral. Die Peripherie muss dafür nicht verändert werden, die Aufgaben der ADXpress-Datenknoten passen sich an. Das macht ADXpress zukunftssicher. Die ersten Feedbacks sind sehr positiv. ADXpress hat das Potenzial, einen weiteren Standard zu setzen.

Das haben Sie auch schon mit ISELED getan …
ISELED steht für „Intelligent Smart Embedded LED“ – wir sprechen gerne von der intelligenten LED. Die Technologie erlaubt es, eine Vielzahl von LEDs im Fahrzeuginnenraum einfach – und damit kostengünstiger – und mit hoher Farbtreue anzusteuern. Das  ermöglicht zum Beispiel dynamische Lichtszenarien, die in vielen Fahrzeugen des Premiumsegments schon im Einsatz sind. 

Sie werden regelmäßig mit Innovationspreisen ausge-zeichnet.
Das stimmt: Von der Zeitschrift CHIP sind wir zum dritten Mal in Folge als „Digital Innovator“ ausgezeichnet worden. Das F.A.Z.-Institut hat uns jetzt ebenfalls das dritte Jahr in Folge zu einem der Innovationsführer in Deutschland erklärt, basierend auf der Zahl der angemeldeten Patente. Und das SZ-Institut schließlich zählt uns zu den „Stärksten bayerischen Mittelständlern 2023“, hier waren vor allem Finanz-Kenndaten – etwa Investitionen in Forschung und Entwicklung – ein wesentliches Kriterium. Diese Auszeichnungen machen uns sehr stolz und belegen einfach, wie innovativ, aber auch wirtschaftlich erfolgreich unser Unternehmen ist.

Sie führen die Innovation im Namen. Wie kommt die Innovation in Ihr Unternehmen?  
Eine Kombination aus mehreren Faktoren. Da ist zum einen unsere Nähe zu den Marktentwicklungen und zu unseren Kunden. Die Idee für ISELED etwa wurde in einem zufälligen Gespräch mit unserem Partner BMW geboren. Unsere Vertriebs- und Applikationsingenieure hören einfach genau hin, und typisch für den Mittelstand sind die Wege zur Entwicklungsabteilung kurz. Hinzu kommen die nach wie vor sprudelnden Ideen und große Erfahrung unseres aus meiner Sicht genialen CTOs. Wir sind getrieben von der Freude an der Technik, davon, Neues auszuprobieren. Dafür muss man die Pferde auch mal galoppieren lassen! Was sicher nicht klappt: Innovationsseminare oder das Aufsetzen von Prozessen, die für Innovation sorgen sollen. Das berühmte Gespräch auf dem Gang und die Beherztheit, eine Idee einfach anzugehen, sind viel wichtiger. Und dann muss man auch mal bereit sein, das Budget außen vor zu lassen, für viele Unternehmen ein No-Go.

Wie sehen Sie die Zukunft der deutschen, der europäischen Automobilindustrie?
Ich will nicht unken. Aber ich mache mir durchaus Sorgen. ISELED haben wir zwar mit einem deutschen OEM-Partner entwickelt. Aber die erste Umsetzung erfolgte in China. Dasselbe gilt für unseren aktuellen APIX3-Chip. Und weitere asiatische OEMs sind ebenfalls am Horizont. 60 bis 70 Prozent der ISELED-Umsätze machen wir heute schon in Asien, hier gehen die Dinge einfach schneller, die Time-to-Market ist deutlich kürzer. Zudem teile ich die Einschätzung, die deutschen OEMs können heute beim Innovationstempo vor allem mit Herstellern aus China nicht mehr mithalten. Das gilt nicht nur für die Elektromobilität, sondern auch in Hinblick auf die Wünsche der dortigen Käufer nach mehr Infotainment und Vernetzung im Auto.

Und wie geht es mit Inova Semi-conductors weiter?
Zunächst einmal ziehen wir demnächst in ein neues Büro um! Im Ernst: Wir sind mit unserer Entwicklung mehr als zufrieden. Der Markt wird von Infotainment, Displays, großen Datenmengen getrieben, und damit steht er uns mit unseren Technologien weiterhin offen. Mit ADXpress setzen wir der bisherigen Entwicklung die Krone auf – aber sie wird sicher nicht die letzte sein.

www.inova-semiconductors.com

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