Jenseits des Hypes

Um die großen Buzzwords unserer Zeit wird oft ein ebenso großer Hype veranstaltet. Das sollte nicht abschrecken. Denn richtig eingesetzt ist auch der reale Nutzen groß.
Illustration: Ivonne Schulze
Julia Thiem Redaktion

Dezember 2017: Egal, ob im Gespräch mit Kollegen, beim Lunch oder der Weihnachtsfeier, irgendwann brachte immer jemand den Bitcoin in die Unterhaltung ein und schon wurde eifrig gefachsimpelt. Damals war die Kryptowährung auf einem absoluten Hoch. Man glaubte, dass die Geschäftsmodelle vieler Finanzakteure über kurz oder lang komplett infrage gestellt, ja vielleicht sogar Banken in naher Zukunft überflüssig werden.


Heute ist der ganz große Hype vorbei. Und auch Distributed-Ledger-Technologien – die Blockchain ist sicherlich die bekannteste – haben für deutsche Finanzdienstleister aktuell keine Priorität, wie eine PWC-Studie aus dem vergangenen Jahr zeigt. Die Hälfte der befragten Führungskräfte messen der Technologie keine oder nur eine geringe Relevanz zu. Weitere 55 Prozent der Befragten geben an, mit ihr gar nicht oder nur in geringem Maße vertraut zu sein. Mit einem starken Einfluss auf ihr Geschäftsmodell rechnen 34 Prozent der Befragten sogar erst in zehn Jahren.


Diese Antworten sind nicht weiter verwunderlich. Schließlich ist die Blockchain nicht das einzige Buzzword, mit dem sich die Branche aktuell auseinandersetzen muss: Machine Learning, Big Data, neuronale Netze, um nur einige zu nennen, stehen ebenfalls auf der Prioritätenliste. Gerade mit Blick auf ihre Daten haben viele Finanzdienstleister noch Hausaufgaben zu erledigen. Schließlich steckt hier großes Potenzial. Das Motto: Kenne deine Kunden. Wer in der Lage ist, vorhandene Datenquellen sinnvoll zu vernetzen, kann wichtige Erkenntnisse zum Kundenverhalten gewinnen und daraus maßgeschneiderte Ansprachen, Produkte und Lösungen ableiten. Vor allem neuronale Netze sind in dem Zusammenhang spannend. Dem Aufbau des biologischen Gehirns nachempfunden, können mit ihrer Hilfe aus teils unpräzisen Informationen konkrete Ergebnisse abgeleitet werden. Das ist beispielsweise bei der Sprach- oder Bilderkennung ein großer Vorteil. Mithilfe neuronaler Netze lassen sich aber auch Simulationen oder Prognosen erstellen, die Vorhersagen über das Zahlungsverhalten von Kunden oder auch die Einschätzung biometrischer Risiken für die Versicherungswirtschaft erleichtern.


Womit sich jedoch eine weitere Herausforderung ergibt: Woher kommen die Experten, die Data Analysts und Scientists, die Programmierer und vor allem die Übersetzer, die die branchenspezifischen Anforderungen für die Informatiker aufbereiten? Schließlich ist die Finanzbranche nicht die einzige, die neue digitale Technologien für sich nutzen will. Hier schließt sich der Kreis: Denn Distributed-Ledger-Technologien könnten eine der Lösungen sein. Als fälschungssichere Grundlagentechnologie richtig eingesetzt, könnten sie ohne großen personellen und finanziellen Aufwand vollautomatisiert einen entscheidenden Anteil an der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle haben. Ganz ohne Bitcoin-Hype, dafür mit realen positiven Auswirkungen.

 

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