Von grünen Korridoren

 Hitze, Dürre, Extremwetter: Wie Städte sich bereits gegen den Klimawandel wappnen.

Illustration: Natascha Baumgärtner
Illustration: Natascha Baumgärtner
Verena Mörath Redaktion

Städte sind die Bühne, auf der sich der Klimawandel besonders dramatisch zeigt. Einerseits treiben sie die Erderwärmung voran – rund 70 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen stammen aus urbanen Gebieten. Andererseits sind sie von den Folgen des Klimawandels besonders betroffen. Der Unterschied ist spürbar: Während die Temperaturen im Berliner Umland moderat bleiben, bleibt es nachts in der Innenstadt um bis zu 10 Grad wärmer. Prognosen sagen für das Jahr 2100 durchschnittliche Sommertemperaturen in Berlin von fast 29 Grad voraus, das Niveau von Bukarest. In Riad, Saudi-Arabien, könnten die Thermometer sogar 48 Grad erreichen. 

Darauf machten auch verschiedene Organisationen des Gesundheitswesens im Rahmen des Hitzeaktionstages am 5. Juni aufmerksam. Man übernehme Verantwortung, denn Deutschland müsse hitzeresilient werden, betont beispielsweise Bundesärztekammer-Präsident Dr. Klaus Reinhardt: „Mit dem Hitzeaktionstag wollen wir nicht nur auf die hitzebedingten Gesundheitsrisiken aufmerksam machen. Im Fokus steht die Frage, wie gut Deutschland auf die in Zukunft noch längeren und intensiveren Hitzeperioden vorbereitet ist. Ziel muss es sein, hitzebedingte Erkrankungen und Todesfälle zu vermeiden und das Gesundheitssystem vor einer Überlastung zu bewahren."

Hohe Temperaturen sind längst nicht mehr nur ein Problem in den Tropen. In dicht besiedelten Stadtgebieten, in denen Beton und Asphalt die Wärme speichern, kann der Alltag zur Qual werden. Besonders gefährdet sind ältere Menschen, Kinder und chronisch Kranke. Paris und Singapur setzen auf eine umfassende Begrünung: Dächer, Fassaden und Straßen werden mit Pflanzen bedeckt, die nicht nur Schatten spenden, sondern auch die Luftqualität verbessern. Diese grünen Inseln senken die Umgebungstemperaturen und sorgen für ein besseres Stadtklima. Wien geht sogar noch einen Schritt weiter. Die Stadt hat als eine der ersten weltweit einen Hitzeaktionsplan entwickelt, der Trinkstationen, schattige öffentliche Räume und gezielte Aufklärungskampagnen für Risikogruppen umfasst. Neubauten setzen auf reflektierende Materialien und natürliche Belüftung, um die Hitzebelastung weiter zu reduzieren.
 

ENTWEDER ZU WENIG ODER ZU VIEL WASSER


Während in einigen Regionen Wasser zu einem knappen Gut wird, kämpfen andere Städte mit den Folgen von Starkregen und Überschwemmungen. Kapstadt etwa hat mit einer massiven Dürre zu kämpfen, die die Trinkwasserversorgung gefährdet. Hier setzt man auf Technologien zur Wasseraufbereitung, Regenwassersammelsysteme und die Entsalzung von Meerwasser. Barcelona hat zusätzlich finanzielle Anreize geschaffen, damit Haushalte wassersparende Technologien installieren.

Doch nicht nur der Mangel an Wasser, auch unkontrollierbare Wassermassen stellen eine Bedrohung dar. Im spanischen Valencia oder im Ahrtal haben Starkregenereignisse viele Todesopfer gefordert und immense Schäden angerichtet. Städte wie Rotterdam und Kopenhagen setzen hier auf vorausschauende Planung. Rotterdam kombiniert technische Lösungen wie Rückhaltebecken mit natürlichen Maßnahmen wie der Renaturierung von Flüssen. Kopenhagen gestaltet Parks und Straßen um, sodass sie bei Starkregen große Wassermengen aufnehmen und gezielt ableiten können. Wasserdurchlässige Materialien und unterirdische Wasserspeicher entlasten zusätzlich die Kanalisation.

Illustration: Natascha Baumgärtner
Illustration: Natascha Baumgärtner

KÜSTENSTÄDTE: WENN DIE WELLEN ZU HOCH WERDEN


Besonders bedroht sind Küstenstädte wie Miami, Jakarta oder Hamburg. In Jakarta ist die Lage besonders kritisch: Neben dem steigenden Meeresspiegel sinkt die Stadt durch übermäßige Grundwasserentnahme. Die indonesische Regierung reagiert mit einem massiven Küstenwall und dem Ausbau von Polder-Systemen zur Entwässerung. Und es gibt den Plan, die Hauptstadt nach Nusantara auf der Insel Borneo zu verlagern, was jedoch auf massiven Widerstand der Bevölkerung stößt und gleichzeitig die Not anzeigt. 

Ein spannender Ansatz zur Klimaanpassung ist das Konzept der Schwammstadt. Dabei wird Regenwasser effizient gespeichert und langsam abgegeben. In Berlin wird das in der Rummelsburger Bucht bereits erfolgreich umgesetzt: Begrünte Dächer und spezielle Speicherflächen sorgen dafür, dass überschüssiges Wasser an heißen Tagen wie eine natürliche Klimaanlage wirkt. Anderorts wird mit schwimmender Architektur experimentiert, es entstehen flexible Strukturen, die sich an den steigenden Meeresspiegel anpassen können. Die Umsetzung dieser Vision hat auf den Malediven 2022 begonnen: Hier entstehen auf einer 200 Hektar großen Lagune 5.000 Wohnhäuser, Gastronomie, Einkaufszentren und Freizeiteinrichtungen inklusive eines Fußballplatzes sowie ein Krankenhaus und eine Schule. Fertigstellung soll 2027 erfolgen. Schwimmende Häuser oder ganze Stadtteile könnten eine nachhaltige Lösung für Küstenregionen sein und gleichzeitig Wohnraum schaffen. 

Die Stadt Medellín in Kolumbien zeigt, dass Klimaschutz auch soziale Probleme lösen kann. Grüne Korridore durchziehen die Stadt und senken die Umgebungstemperaturen. Gleichzeitig verbindet ein modernes Seilbahnsystem die ärmeren Stadtviertel auf den Hügeln mit dem Zentrum, reduziert Autoverkehr und schafft neue Perspektiven für die Bewohner:innen. Solche Seilbahnen existieren auch in Mexico City und in der bolivianischen Hauptstadt La Paz.
 

SMART CITIES: TECHNIK TRIFFT NACHHALTIGKEIT


Songdo in Südkorea setzt auf Digitalisierung, um die Stadt effizienter zu machen. Sensoren steuern Energieverbrauch, Verkehr und Müllentsorgung in Echtzeit. Der Energieverbrauch liegt rund 30 Prozent unter dem vieler anderer Städte. Gleichzeitig sorgen grüne Infrastrukturen dafür, dass der C0₂ Fußabdruck minimiert wird. Doch diese totale Vernetzung hat auch ihre Schattenseiten: Bewegungsprofile der Bewohner:innen werden überwacht, was nicht zu Unrecht Bedenken hinsichtlich der Privatsphäre aufwirft. In Deutschland gibt es seit 2019 das Förderprogramm Smart Cities: Hier werden mittels Digitalisierung praxisnahe Lösungsansätze zur Gestaltung einer nachhaltigen und gemeindewohlorientierten Stadt- und Kommunalentwicklung erprobt. 

Klar ist, dass Städte im Mittelpunkt des Klimawandels stehen – sowohl als Verursacher als auch als Betroffene. Doch es gibt Möglichkeiten, nachhaltiger zu werden. Nicht in einem Akt, aber vielleicht dann in mehreren Akten, bevor sich der Vorhang schließt.

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