Im Oktober 2024 erblicken in einem Betrieb in Süddeutschland die beiden Kälber Liesel und Greti das Licht der Welt. Kaum fünf Wochen später beginnt ihr leidvoller Weg quer durch Europa: Sie werden verkauft an eine Sammelstelle in Italien und von dort zunächst in den Norden von Spanien transportiert.
Ein Team der Tierschutzorganisation Animals’ Angels trifft auf die beiden im März 2025 am Hafen von Cádiz im Südwesten Spaniens. Mit 118 weiteren Kälbern befinden sie sich auf einem Lkw, der auf die Fährverladung nach Teneriffa wartet. Die Kälber sind unruhig. Viele lecken an den Metallstangen des Lkw – ein Zeichen für Durst. Einige husten. Es riecht scharf nach Ammoniak, die Einstreu ist nass von den Exkrementen der Tiere.
Am Vortag ist der Tiertransport im über 1.000 Kilometer entfernten Lérida im Nordosten Spaniens gestartet. Am Hafen angekommen, können die Tiere nicht abgeladen werden. Eine gute Versorgung vor der Fährüberfahrt bleibt daher aus.
Weitere Stunden vergehen: Erst am Nachmittag legt die Fähre ab – für eine 35-stündige Überfahrt, die die Tiere im Lkw durchstehen müssen. Da die Fähre nur für Cargo ausgelegt ist und Animals’ Angels nicht mitfahren darf, fliegt das Team nach Teneriffa und dokumentiert die Fährankunft am Hafen von Teneriffa. Vom Schiff fährt der Lkw mit Liesel und Greti an Bord zu einem unweit gelegenen Mastbetrieb. Das Team von Animals’ Angels hat dort nochmals die Möglichkeit, nach den Tieren zu schauen. Einige Kälber wirken erschöpft und liegen zusammengerollt auf dem Boden.
Mehr als 65 Stunden insgesamt waren die Jungtiere auf dem Lkw eingesperrt. Ohne bedarfsgerechte Versorgung. Ohne ausreichend Platz. Auf Teneriffa werden Liesel, Greti und die anderen Kälber für einige Monate gemästet, bevor sie geschlachtet werden.
Das Schicksal der beiden ist kein Einzelfall. Jeden Samstag werden Kälber aus verschiedenen EU-Ländern über das spanische Festland auf die Kanarischen Inseln transportiert. Für die Bäuer:innen dort ist das ein lukratives Geschäft, denn für jedes importierte Kalb zahlt die kanarische Regierung hohe, aus dem Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft geschöpfte Subventionen, um die geografisch bedingten Nachteile der Insel-Landwirt:innen auszugleichen.
Tiertransporte und Tiermärkte sind ohne Ausnahme mit Leid für die Tiere verbunden. Zu lange Transportzeiten, Enge, Hunger, Durst, oft Hitze und Kälte – die Liste der Probleme ließe sich lange fortführen. Animals’ Angels setzt sich deswegen auf allen Ebenen dafür ein, dass die Tiere auf den Transporten ernsthaft geschützt und insbesondere die extrem langen Transporte beendet werden. Im Fall der Kanaren-Transporte hat die Organisation bereits mehrfach das Gespräch vor Ort gesucht und Beschwerden bei den zuständigen Behörden und der EU eingereicht. Die Subventionen und die langen Transportwege sind unvereinbar mit europäischer Tierschutzpolitik, wonach lange Tiertransporte auf ein Mindestmaß begrenzt werden sollen.
ZUM VEREIN
Animals’ Angels e.V. ist eine deutsche Tierschutzorganisation mit Sitz in Frankfurt am Main, die sich seit 1998 für die sogenannten ‚Nutz‘- und ‚Schlacht’tiere und insbesondere den Schutz dieser Tiere beim Transport einsetzt. Gemäß dem Motto „Wir sind bei den Tieren“ sind Teams der Organisation auf Autobahnen, Märkten, an Grenzen und Häfen und dokumentieren die Zustände, in denen die Tiere gehalten und transportiert werden. Die Arbeit finanziert der gemeinnützige Verein aus Spenden und Förderbeiträgen.
www.animals-angels.de/