Die Fans von schweren Autos, die laut und mit viel Dieselgestank durchs Gelände ziehen, sind sicher enttäuscht: Elektrische Muldenkipper, wie sie der japanische Baumaschinenhersteller Komatsu herstellt, rollen zwar immer noch mit vielen Tonnen Geröll auf der Ladefläche über die Schotterpisten großer Minen, aber jetzt mehr oder weniger leise. Denn seit Jahren stellt Komatsu batterieelektrisch betriebene Monstertrucks her und nennt sie fast zärtlich „sanfte Giganten“. Sogar an einem Muldenkipper mit Wasserstoff-Brennstoffzellen-Antrieb arbeitet Komatsu und hat sich dafür mit dem Autokonzern General Motors zusammengetan. „Neue Wege für den Antrieb der Maschinen zu finden, die unsere Kunden für die wichtigen Aufgaben in der Mining- und Bauindustrie benötigen, ist ein zentraler Bestandteil unserer Selbstverpflichtung zu einer nachhaltigeren Zukunft“, erklärt Dan Funcannon, stellvertretender Geschäftsführer in der Forschung und Entwicklung von Komatsu Nordamerika.
FÜNF PROZENT ALLER EMISSIONEN VERURSACHT DER STRASSENGÜTERVERKEHR
Sicher, die Muldenkipper sind eine Ausnahme. Doch auch in diesem kleinen Segment der Mobilität geht es längst um Nachhaltigkeit, um Mobilität der Zukunft, um die Umstellung von schweren Trucks und ähnlichen Nutzfahrzeugen auf emissionsfreie Antriebe. Rund 20 Prozent aller Treibhausgasemissionen in der Europäischen Union entstehen im Verkehr. Davon wiederum entfällt ein Viertel auf den Straßengüterverkehr, der so für fünf Prozent aller Emissionen sorgt. Weil das Güterverkehrsaufkommen auf der Straße aber in den vergangenen Jahren zugenommen hat und allen Prognosen nach weiter steigt, müssen die Emissionen endlich runter. Die EU plant, die CO2-Emissionen von Lkw über 7,5 Tonnen und Reisebussen bis 2040 um 90 Prozent gegenüber 2019 zu reduzieren. Der US-Staat Kalifornien hat ab 2036 sogar ein Verkaufsverbot für Diesel-Lkw erlassen. Auch China setzt auf alternative Antriebe, fast jeder fünfte Bus fährt elektrisch. Die Millionenstadt Shenzhen hat schon die gesamte Busflotte elektrifiziert.
Auch Deutschland hat ehrgeizige Ziele: 2022 gab es in Deutschland rund 3,55 Millionen Lkw, zum überwiegenden Teil mit Dieselantrieb. Weil alternative Kraftstoffe bisher kaum eine Rolle spielten, hat das Land die Klimaziele zum dritten Mal in Folge verfehlt. 145 Millionen Tonnen CO2 wurden durch den Verkehr hierzulande vergangenes Jahr emittiert – 12 Millionen Tonnen mehr als per Gesetz festgelegt, so Berechnungen der Organisation Agora Energiewende.
Nun gibt es sicher viele unterschiedliche Wege, um Emissionen zu senken: Eine clevere Routenplanung, ausgelastete Rückladeverkehre, gut gewartete Maschinen oder Fahrerinnen und Fahrer, die besonders geschult sind und vorsichtig – also emissionsmindernd – fahren. Doch wer sich dauerhaft vom Selbstzünder und seinem CO2-Ausstoß verabschieden will, muss elektrische Antriebe für die schweren Maschinen entwickeln und sie natürlich später mit grünem Strom betreiben. Bis 2030 soll etwa ein Drittel der Fahrleistung im straßengebundenen Schwerlastverkehr elektrisch oder auf Basis strombasierter Kraftstoffe erbracht werden.
Technisch ist das möglich, denn die alternativen Antriebe und erneuerbaren Kraftstoffe gibt es bereits. Auf der Straße, aber auch in der Schifffahrt, haben komprimiertes Erdgas (CNG) und Flüssigerdgas (LNG) schon an Bedeutung gewonnen. Kraftstoffe aus nachhaltigen Kohlenstoffquellen, zum Beispiel Biogas, könnten den Verkehr klimafreundlicher machen. Obwohl sie mit den aktuellen Motoren und dem jetzigen Tankstellennetz kompatibel sind, betrachten Fachleute die erneuerbaren synthetischen Kraftstoffe eher als eine Übergangslösung. Sie helfen, heutige Flotten schneller zu dekarbonisieren, könnten aber auch langfristig in abgelegenen oder dünn besiedelten Regionen eingesetzt werden.
Allerdings werden sie für den Straßenverkehr vermutlich viel zu teuer sein. Denn auch wenn die Produktion von synthetischen Kraftstoffen derzeit ausgebaut wird, so werden diese vor allem den zunehmenden Bedarf der Luftfahrt, der Schifffahrt, aber auch der Chemie und der Industrie decken.
Viele Transport- und Logistikunternehmen ziehen bereits bei der Dekarbonisierung mit. Mehr als zwei Drittel der Flottenbetreiber erwarten, dass der Druck, sich vom Verbrenner zu verabschieden, immer größer wird, wie eine Studie von Shell und Deloitte ergab. Diese Studie befragte Führungskräfte im Bereich gewerblicher Verkehr und Personenbeförderung. Die Frage ist allerdings: Welcher Antrieb rechnet sich in Zukunft für den jeweiligen Anwendungsbereich?
Derzeit stehen drei Verfahren für die Energieaufnahme und -speicherung miteinander im Wettstreit: Die Brennstoffzelle mit Wasserstoff (FCEV), batterieelektrische (BEV) Systeme und die Stromversorgung via Oberleitung. Letztere hat zumindest einen schönen Traditionsvorteil in Deutschland: Bereits 1882 stellte Siemens mit dem „Electromote“ den ersten elektrischen Oberleitungsbus vor. Dieser pendelte auf einer 540 Meter langen Versuchsstrecke auf dem heutigen Kurfürstendamm in Berlin. Später fuhren Oberleitungsbusse in vielen Städten. Seit einigen Jahren wird das Prinzip auch im Güterverkehr ernsthaft erprobt, so in Schleswig-Holstein auf der A1 zwischen Lübeck und Reinfeld. Kürzlich haben die Betreiber eines Feldversuchs dort Bilanz gezogen: Die CO2-Emissionen könnten durch den Einsatz solcher Oberleitungs-Lkw um die Hälfte sinken. „Mit dem zunehmenden Anteil an grünem Strom steigt das Potenzial zusätzlich“, sagte Falk Richter von der Technischen Universität Dresden auf der Plattform Trans.info. Doch Oberleitungen quer durchs Land sind keine Option für eine schnelleDekarbonisierung.
»Laut McKinsey werden bis 2030 batterieelektrische und brennstoffzellenbetriebene Lkw in fast allen Segmenten kostengünstiger sein als dieselbetriebene Trucks.«
So galt die Brennstoffzelle lange als ideale Energiequelle für Laster, weil sie eine höhere Reichweite bietet. Sogar bei der Eisenbahn fahren Brennstoffzellenzüge, jedoch müssen Pilotprojekte noch mit vielen Kinderkrankheiten kämpfen. Auch ist die Technik aufwändig und teuer. Beim Pkw haben sich deshalb die großen Autohersteller außer Toyota und BMW längst zurückgezogen. Bei Nutzfahrzeugen ist das schwieriger: Daimler Truck zum Beispiel rechnet mit einer Mischung aus Batterie für die Kurzstrecke und Wasserstoffbrennstoffzelle für den Fernverkehr. Scania und MAN von Volkswagen setzen dagegen auf Batteriefahrzeuge im Güterfernverkehr. Bei Linienbussen oder im regionalen Verkehr sind batterieelektrische Antriebe längst kein ungewöhnliches Bild mehr: Die Deutsche Post DHL setzt zum Beispiel mehr als 24.000 Elektrotransporter bei der Briefzustellung ein und betreibt so mit Abstand die größte Straßenverkehrsflotte mit alternativen Antrieben in Deutschland.
ELEKTRISCHE FAHRZEUGE BIETEN ERHEBLICHE EINSPARPOTENZIALE
Diese Fahrzeuge sind jedoch teurer als Diesel-Trucks. Jedoch gibt es bei den Stromern erhebliche Einsparpotenziale, weil Strom günstiger ist als Kraftstoff. Außerdem besteht ein Elektroantrieb aus weniger Teilen als ein Verbrennungsmotor, was die Wartungskosten verringert. Im Laufe des Lebens könnten die Betriebskosten sogar die Preisdifferenz zwischen Elektro und Diesel ausgleichen. Die Unternehmensberatung McKinsey hat vorgerechnet, dass bis 2030 batterieelektrische und brennstoffzellenbetriebene Lkw in fast allen Segmenten kostengünstiger sein werden als dieselbetriebene Trucks. Dennoch spielt heute staatliche Förderung eine große Rolle. Unternehmen, die schnell genug waren, konnten im vergangenen Jahr E-Trucks für ihren Fuhrpark erwerben. So konnten die Unternehmen nicht nur das Potenzial der Fahrzeuge kennenlernen, sondern auch in der Praxis ausprobieren, wie die neuen Antriebe in die klassischen Abläufe integriert werden können. Ansorge hat es vorgemacht: Der mittelständische Spediteur aus dem Allgäu hat zehn E-Trucks bei MAN und Volvo geordert. Diese passen ideal für seine 120-Kilometer-Shuttleverkehre oder für Transporte zum Bahnhof: Weil der Strom aus der hauseigenen Photovoltaik-Anlage auf den Hallendächern kommt, kann Ansorge so vollständig emissionsfreie Lieferketten anbieten.
Für den Kauf der Lkw hat Ansorge allerdings Geld vom Staat beantragt, denn über Fördermaßnahmen wie das KsNI-Programm ist eine bis zu 80-prozentige Unterstützung möglich. „Aus Eigenmitteln könnten Speditionen Investitionen von 350.000 bis 400.000 Euro für einen Elektroschlepper kaum aufbringen, das ist bei normalen Frachtraten nicht drin“, erläuterte Ansorge-Chef Wolfgang Thoma gegenüber der Fachzeitschrift „trans aktuell“. Glück für Ansorge: Als das Bundesverfassungsgericht Ende letzten Jahres den gesamten Klima- und Transformationsfonds (KTF) der Bundesregierung und damit auch das gesamte Förderprogramm kippte, wurde die laufende Förderung nicht gestoppt. Neue Förderung ist allerdings nicht in Sicht, heißt es beim Bundesverkehrsministerium lapidar.