Digitale Schaufenster

Der Online-Boom in der Pandemie setzt den stationären Handel zunehmend unter Druck. Mit der richtigen Strategie hat er dennoch die Chance, sich zukunftsfest aufzustellen.
Illustration: Napal
Illustration: Napal
Thomas Grimme Redaktion

Schon seit Jahren ist ein Sterben der Innenstädte zu beobachten, die Medien berichten ausgiebig darüber. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Alte Geschäftsmodelle treffen auf die Erwartungen jüngerer Konsumentinnen und Konsumenten. Ware umtauschen? Nur nach Diskussion. Geld zurück bei Nichtgefallen? Höchstens ein Gutschein – begleitet von einem langen Gesicht. Mit den Bedürfnissen der Verbraucherinnen und Verbraucher hat das nur noch wenig zu tun. Deren gefühlter Standard ist längst die kostenlose Retoure und Geld-zurück-Garantie.

Denn natürlich ermöglicht der Zugang zu Informationen über die Produkte, sich vor dem Kauf ausreichend zu informieren und auch den Marktpreis zu ermitteln. Dass Preise im Internet häufig günstiger sind als im stationären Geschäft, ist kein Geheimnis. Onlinehändler haben ganz andere Hebel als klassische Händler vor Ort.

Da muss der stationäre Handel am eigenen Service arbeiten und sich der geänderten Realität stellen.

Ein fehlendes oder nicht ausreichendes Angebot vor Ort führt ebenfalls dazu, dass die Besucher:innen in den Innenstädten nicht glücklich werden. Auch stöhnt die Branche über mangelnden Nachwuchs. Nicht nur beim Personal, sondern auch in der Nachfolge von inhabergeführten Läden.

Zunächst einmal ist klar: Die Innenstädte werden sich verändern. Allerdings nicht zwingend zum Schlechten. Nach einer Phase des Leerstands könnten sich neue Optionen und Chancen eröffnen. Neben Gastronomie und Kultur spielen dabei auch lokale Bildungsangebote eine Rolle, wie sie etwa Volkshochschulen anbieten. Auch durch Gesundheitsdienstleistungen könnten die Innenstädte wiederbelebt werden.

Der Einzelhändler muss also seinen Service und sein Angebot unter die Lupe nehmen und gegebenenfalls neu ausrichten, dabei die eigenen Stärken erkennen und den Markt beobachten. Welche langfristigen Trends spielen für Kundinnen und Kunden und deren Kaufentscheidungen eine Rolle? Wie schafft man es, beispielsweise Themen wie Nachhaltigkeit im Unternehmen umzusetzen und an die Bürgerinnen und Bürger zu kommunizieren?

Die Händler müssen mit ihrem langjährigen Know-how und ihrer Auswahl punkten. Die Überfülle an Onlineangeboten lässt manche oder manchen vor der Suche kapitulieren. Warum sollte ein Kunde oder eine Kundin stundenlang im Internet nach dem passenden Produkt suchen, wenn er im Laden vor Ort vom Fachpersonal kompetent beraten wird? Diese Dienstleistung der Händler:innen stellt neben dem Erleben der Ware und direkten Verfügbarkeit einen wichtigen Vorteil der Geschäfte vor Ort dar.

Der persönliche Kontakt im Laden hilft auch der Gemeinschaft der Stadt. Nicht nur wird den Kundinnen und Kunden wichtiger, was genau sie kaufen, sondern auch wo. Der Einzelhandel vor Ort beschäftigt nicht nur die Arbeitnehmer:innen, sondern unterstützt häufig auch die Vereine und Kultur in der Stadt. Beides zusammen ist wichtig für die Zukunft der Gemeinde.

Für den Handel bedeutet das, sich auf seine Stärken zu konzentrieren und den Kund:innen neben der Inspiration und des Erlebens auch Multichannel-Angebote zu machen – sei es über lokale oder die großen Plattformen als leichter Einstieg. Besser noch über einen eigenen Onlineshop, der die Marke und das Image des Unternehmens besser herausstellt. Auch kann der Händler auf diese Weise selbst Onlinedaten sammeln und analysieren, ohne diese an externe Dienstleister abgeben zu müssen. Die Kaufhistorie und das Erkennen von nachgefragten Artikeln hilft am Ende auch dem stationären Geschäft.

Im eigenen Onlineshop können sich die Besucher:innen über Verfügbarkeit und Preis vorab informieren und die Ware dann beispielsweise als Geschenk verpackt im Geschäft abholen. Das digitale Schaufenster existiert dabei natürlich nicht nur für die Kundschaft vor Ort, sondern theoretisch weltweit. So werden neue Kundengruppen angesprochen und im besten Falle langfristig an das Unternehmen gebunden, wenn das Produkt, der Service und die Kauferfahrung passen.

Durch das digitale Angebot kommt man den gestiegenen Erwartungen nicht nur entgegen, sondern sorgt auch für eine Professionalisierung im Unternehmen, durch die Erweiterung der Kapazitäten im Büro und im Versand entstehen auch neue Aufgabenbereiche und Anforderungsprofile im Unternehmen. Einen eigenen Webshop inklusive Versandlogistik zu betreiben, ist komplex und erfordert neue Kompetenzen vonseiten der Mitarbeitenden. Der neue Ausbildungsberuf Kaufmann-frau im E-Commerce trägt dieser Entwicklung Rechnung und spricht dabei hauptsächlich jüngere, digitalaffine Menschen an. War Homeoffice im stationären Handel bisher nur schwer umzusetzen, eröffnet der Onlinevertrieb die Möglichkeit flexiblerer Arbeitszeiten und des Arbeitens von zu Hause. Auch darüber kann das Unternehmen bei der Suche nach dringend benötigten Fachkräften punkten.

Vieles im Onlinegeschäft dreht sich um Zahlen und Auswertungen: Welcher Kanal hat welche Kosten und welche Erträge? Woher kommen die Kundinnen und Kunden und wie lange verweilen sie auf der Webseite? Wann und warum wird ein Kauf abgebrochen? Per Newsletter gibt es im Netz ein tolles Werkzeug, mit den Besucherinnen und Besuchern in Kontakt zu bleiben – im Onlinebusiness ein besonders wichtiges Element zur Kundenbindung, da die Konkurrenz sehr hoch ist. Mit der Einführung einer Kundenkarte im Geschäft können auch dort wichtige Kundendaten mit einer Kaufhistorie generiert werden. Per Newsletter lassen sich so Kundinnen und Kunden gezielt ansprechen, je nachdem, wann sie etwas gekauft haben. Diese technische Verbindung hilft dem stationären Handel, sich kostengünstig direkt bei den Stammkund:innen in Erinnerung zu rufen – zum Beispiel für anstehende Events oder für Aktionen im Ladengeschäft.

So gelingt die Verbindung vom Digitalen und Stationärem und alle Seiten profitieren voneinander: die Kundinnen und Kunden, die Unternehmen und die Innenstädte.

Thomas Grimme
hat Geschichte und Politik in Berlin studiert und einige Jahre als Journalist gearbeitet, bevor er das Haushaltswarengeschäft seines Vaters in Cloppenburg übernahm.

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