Wer hat, der kriegt

Wer erbt, muss kaum Angst um sein Erbe haben. Die bestehenden Erbschaftsregelungen begünstigen die Vermögenden. Das geerbte Vermögen hingegen will gut angelegt werden – oder gemeinnützigen Zwecken dienen.

Illustration: Ivonne Schulze
Illustration: Ivonne Schulze
Axel Novak Redaktion

Deutschland hat Angst – um Omas Häuschen. Grund: Mit der Änderung der Bewertungsgrundlagen für Immobilien ab 2023 könnte sich die Besteuerung von Schenkungen und Vererbungen ändern. Wer Omas Häuschen erbt, muss möglicherweise Steuern zahlen, weil die Immobilie in Münchens mittlerweile schickstem Stadtteil liegt und in den vergangenen Jahren entsprechend an Wert gewonnen hat.  

Wer die aktuelle Diskussion rund um das Erben verfolgt, kann leicht den Eindruck gewinnen, als stünde das halbe Land vor der gnadenlosen Ausplünderung durch den Fiskus.
Doch ist das so? Entwarnung von denen, die es wissen müssen: „Die Erbschaftssteuer ist in Deutschland schon relativ hoch, aber de facto ausgehöhlt mit vielen Ausnahmen für die sehr großen Vermögen“, sagte Antonis Schwarz in einem Interview mit der Tagesschau. „2020 wurden geschätzt 400 Milliarden Euro vererbt, von denen der Fiskus nur 8,6 Milliarden eingenommen hat.“ Schwarz ist Erbe der Schwarz Pharma AG in Monheim – und einer von vielen Millionärinnen und Millionären, die sich als Vermögende und erst recht durch das große Erbe ungerecht behandelt fühlen. Sie haben sich in der Initiative Taxmenow zusammengeschlossen, die nicht nur eine Vermögenssteuer fordert, sondern auch Ausnahmen beim Vererben und Verschenken von Vermögen abbauen möchte.

Eine kleine, reiche Schicht

Ungleiches Vermögen in Deutschland wird dann zum Problem, wenn der Staat Einnahmen erschließen muss, um Ausgaben zu finanzieren. Ein Prozent der Bevölkerung besitzt nach Schätzungen 35 Prozent des Vermögens in Deutschland, heißt es bei Taxmenow. Vierzig Prozent der Menschen haben keinerlei Rücklagen. Solche Zahlen haben Auswirkungen auf die künftige Verteilung von Vermögen, auf das Erbe.

Statistiker haben längst ausgerechnet, was im doppelten Sinne auf Deutschland zukommt. Knapp acht Millionen Sterbefälle – das heißt in jedem fünften Haushalt in Deutschland – wird es in den kommenden zehn Jahren geben. Damit einher geht eine massive Übertragung von Vermögen: Rund 1.700 Milliarden Euro werden an die nächste Generation weitergegeben. Eine gewaltige Summe.

Der typische Erbe – gleich ob männlich oder weiblich – ist zwischen 40 und 65 Jahre alt, die Generation der Babyboomer ist Ende der 1960er-Jahre geboren worden. Allerdings gibt es hier einen gewaltigen Unterschied, je nachdem, ob der oder die Babyboomer:in aus dem Westen oder dem Osten stammt. Denn die Erben im Westen sind in den sogenannten Wirtschaftswunderjahren geboren worden: Ölkrisen, späte Familienbildung, Staatsschulden und der Umbau des Sozialstaates haben diese Generation geprägt, die auch gelernt hat, privat vorzusorgen.

Dabei ist der durchschnittliche Haushalt West heute immer noch mehr als doppelt so wohlhabend wie der durchschnittliche Haushalt Ost. Zwar wuchsen auch hier die Menschen mit einer echten Wohlstandsperspektive auf. Im Verhältnis zu vielen anderen Staaten des Ostblocks gab es in der DDR einen gewissen Wohlstand. Allerdings war Privateigentum kaum geduldet, es gab keinen Aktienmarkt, Immobilien sollten möglichst nur zum Eigengebrauch besessen werden – und der Aufbau von Vermögen war kaum möglich. „Die Vorgaben und das Handeln des Regimes hatten aber Auswirkungen auf die Ausgestaltung des Eigentums im Privaten und sorgten für bis heute andauernde messbare Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland“, sagte die Sozialhistorikerin Kerstin Brückweh von der Bundeszentrale für politische Bildung im MDR. Die Währungsunion 1990 reduzierte ebenfalls das private Sparvermögen.

Illustration: Ivonne Schulze
Illustration: Ivonne Schulze

Diskussion um das Grunderbe

Daher hat das Thema Erbschaft und Erbschaftsbesteuerung in München, Stuttgart oder Hamburg einen anderen Klang als in Dresden, Magdeburg oder Schwerin. Hier sind eher Themen wie das Grunderbe gefragt, um die Startbedingungen für junge Menschen anzugleichen.

Dabei handelt es sich um ein Konzept, nach dem der Staat jungen Menschen mit Eintritt der Volljährigkeit eine bestimmte Summe – im Gespräch sind bis zu 20.000 Euro – für eine Aus- und Weiterbildung oder eine Selbstständigkeit zur Verfügung stellt. „Eigentum zu bilden ist für einen Großteil der Bevölkerung nicht mehr möglich, gerade in den Metropolen“, sagte der SPD-Politiker Carsten Schneider, Ostbeauftragter der Bundesregierung. „Ein Grunderbe wäre ein interessantes Instrument, um diese Entwicklung aufzuhalten und die Startchancen ins Berufsleben etwas gerechter zu gestalten.“ Finanziert werden soll dieses Grunderbe über eine veränderte Steuer auf heute anfallende Erbschaften.

Schon heute ist das Erbvermögen höchst ungleich verteilt. Nach Schätzungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) könnten jedes Jahr 400 Milliarden Euro vererbt werden. Im Durchschnitt beträgt das Erbe 85.000 Euro. Doch Geringverdiener erben seltener und weniger. Wer dagegen bereits viel besitzt, dem wird auch viel Vermögen hinterlassen. Und: Von großen Erbschaften profitiert vor allem, wer auch hohe Vermögen aus dem eigenen Einkommen angespart hat.

„Zwar sinkt mit Erbschaften die relative Ungleichheit. Das ist wenig verwunderlich, denn wenn eine Person stirbt, überträgt sie ihr Vermögen oft auf mehrere Erben, wodurch es auf mehrere Personen umverteilt wird“, erklärt Markus M. Grabka vom DIW. „Doch gleichzeitig wird der Abstand beim Vermögen zwischen denen, die erben, und denen, die leer ausgehen, immer größer.“

Dementsprechend fallen auch die Erbschaften im Osten Deutschlands weitaus geringer aus als im Westen: Die durchschnittliche Erbschaft beträgt im Osten Deutschlands rund 52.000 Euro, im Westen liegt sie dagegen bei 92.000 Euro.

Dass die DDR ihren Bürgern die Möglichkeit verwehrte, Vermögen aufzubauen, macht sich vor allem bei Immobilien bemerkbar. Wer bei der Wiedervereinigung schon zur Miete wohnte, blieb meistens Mieter. So wird im Osten nur bei jeder dritten Erbschaft eine Immobilie vererbt, im Westen ist das bei jeder zweiten der Fall.

Daher dürfte die Diskussion um die Neubewertung von Immobilienvermögen vermutlich eher im Westen geführt werden als im Osten Deutschlands. Denkbar ist ja auch, die Erbschaftssteuer auf 100 Prozent zu setzen. Das würde bedeuten, dass das gesamte Erbe an den Staat fällt, der es dann umverteilen kann. Aber damit entfällt auch der Anreiz für viele Menschen, sich zeit ihres Lebens etwas vom Munde abzusparen,  um an nachfolgende Generationen leichter weiterzugeben.

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