Jeder dritte Deutsche hält mittlerweile direkt oder indirekt Aktien – sechs Prozent mehr als im Vorjahr sind das, hat die Umfrage „Aktienkultur in Deutschland“ im Auftrag von comdirect, Consorsbank und ING DiBa festgestellt. Ist Deutschland etwa auf dem Weg zu einem Volk von Aktionären? Ganz so weit ist es noch nicht (siehe Interview auf Seite 4). Dass trotz der schon seit langem niedrigen Zinsen nicht mehr Deutsche auf Aktien setzen, hat vor allem einen Grund: Viele Deutsche betrachten Aktien weiterhin als Zockerpapiere, die sich nicht als Grundlage seriöser Vermögensbildung anbieten.
Seit einigen Jahren aber können Anleger ihre Investitionen noch besser absichern, indem sie sich virtuell zusammenschließen. Sie kaufen an der Börse direkt Anteile an einem Indexfonds, der Aktien aus einem bestimmten Portfolio hält. „Exchange-traded funds“ – so der korrekte Name der ETF – sind heute sehr beliebt – und zwar weltweit. Rund fünf Billionen Dollar sind heute in ETFs und Produkten der gleichen Kategorie investiert. Allein im vergangenen Jahr flossen 654 Milliarden Dollar in solche Produkte. Und dafür gibt es viele gute Gründe.
Geht es der Wirtschaft gut, profitieren die Anleger
Allein die Idee der ETFs ist bestechend einfach. Die Börsen versammeln die größten und wichtigsten Unternehmen eines Landes. Geht es ihnen gut, geht es der Wirtschaft auch gut – und umgekehrt. Dow Jones, Nasdaq, Nikei oder Dax sind zur Fieberkurve der Wirtschaft geworden. Erfahrene Anleger wissen das. Sie stecken Geld in diese Unternehmen, um von der allgemeinen Wirtschaftsleistung zu profitieren.
Auch kleine Anleger können Aktien der Unternehmen kaufen, die an einer Börse in einem Index versammelt sind. Im Durchschnitt bildet der Gesamtindex den Zustand der Gesamtwirtschaft ab – wer also optimistisch denkt, der wartet auf steigende Aktienkurse und Renditen. Gleichzeitig hat der Anleger die Gewissheit, dass die größten Unternehmen durch ihre Wirtschaftskraft eine gewisse Sicherheit bieten.
Wenn Anleger also sich zusammenschließen und ETFs kaufen, dann streuen sie ihr Risiko auf alle Beteiligten in einem Index. Außerdem sparen sie viel Geld. Im Gegensatz zu aktiv gemanagten Fonds werden ETFs meist passiv gemanagt. Sie sind deutlich günstiger als aktive Fonds. Ihre Kostenstruktur ist übersichtlich und einfach. Ausgabeaufschläge fallen nicht an, die Verwaltungsgebühr ist sehr niedrig. Außerdem sind ETFs genauso flexibel wie Aktien: Sie können stets an den Börsen ge- und verkauft werden.
Der Weg der ETFs von der Idee zum Produkt war lang. Der Mathematiker Louis Bachelier und Jahrzehnte später der Börsenfachmann Harry Markowitz hatten Möglichkeiten untersucht, Trends an der Börse vorherzusagen. 1952 entwickelte Markowitz die Portfoliotheorie, die auch heute noch die Grundregel der Anlageberater ist – später erhielt er dafür den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften: Wer Investitionen auf verschiedene Objekte verteilt, verringert bei gleichen Renditechancen sein Risiko.
Nun war es vor 60 Jahren für einen kleinen Privatanleger nicht einfach, das Portfolio zu streuen. Ein global diversifiziertes Portfolio kostet viel Geld. Jedes einzelne Wertpapier muss beobachtet und ausgetauscht werden. Bei aktiven Fonds übernehmen teure Manager diese Aufgabe.
Den ersten börsennotierten Indexfonds konnten Privatanleger am 22. Januar 1993 zum ersten Mal kaufen: Der SPY genannte Fonds bildet bis heute den wichtigsten US-Index, den S&P 500, ab.
Welche Fonds lohnen sich?
Wer sich heute für ETF-Anlagen interessiert, steht vor der Qual der Wahl. Es gibt mittlerweile tausende ETFs, die sich strategisch unterscheiden: nach dem Index oder der Anlagestrategie in Branche, Länder oder Region. Auch ein paar technische Details sollten Anleger wissen: Thesaurierende Fonds stecken Dividenden wieder in den Erwerb neuer Anteile. Ausschüttende Fonds geben diese Dividenden weiter an den Anleger. Zudem gibt es Fonds, die die Aktien ihres Indices tatsächlich erwerben. Andere, so genannte synthetische Fonds, bilden den Index teils über ausgeklügelte Anlageinstrumente nach.
Das Institut für Vermögensaufbau in München hat 90 ETFs aus rund 360 Aktien-ETFs, 70 Anleihen-ETFs und 20 Rohstoff-ETFs untersucht. Das bankenunabhängige Institut wollte herausfinden, warum Fonds mit identischem Index oft zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Gerade wer langfristig investiert, könnte bei Renditeunterschieden zu einigen tausend Euro höheren oder niedrigeren Erträgen kommen.
Dabei kam das Institut zu einer zentralen Erkenntnis: Selbst wenn zwei ETFs den gleichen Index abbilden und eine identische Gesamtkostenquote (TER) ausweisen, erwirtschaften sie für Anleger oft eine unterschiedliche Rendite. Der Grund ist, dass die TER-Gesamtkostenquote nicht alle Kosten enthält. Außerdem verstehen einige ETF-Anbieter ihr Geschäft offensichtlich besser als andere und können so einen Index besonders günstig abbilden. Wer also langfristig in ETFs investieren will, sollte nicht nur auf die Kostenquote TER schauen.
Zwar bieten auch ETFs keine hundertprozenti-ge Sicherheit für das angelegte Geld. Die letzten Finanzkrisen haben alle Werte getroffen – auch in gut gestreuten Portfolios. Der SPY zum Beispiel, der erste ETF der Welt, ist heute weltweit auch der größte Fonds. Dennoch verlor er bei den beiden Finanzkrisen 2000 und 2008 massiv an Wert. So besteht zum einen das Risiko, dass ETFs Marktschwankungen verstärken, weil sie kollektiv einem bestimmten Trend folgen müssen: Denn ändert sich die Zusammensetzung eines Indizes, müssen die ETFs handeln.
Doch wer ganz am Anfang dabei war und in den SPY investiert hat, der kann sich heute freuen. Anfang 1993 kostete ein Anteil rund 27 US-Dollar. Heute ist es mindestens zehnmal so viel. Weitaus höher allerdings ist der reale Wertzuwachs: In den letzten 25 Jahren hat der Fonds viermal im Jahr je Anteil eine Dividende zwischen 30 US-Cent und 1,35 US-Dollar ausgeschüttet.