Turbulent, Turbulenter, Trump

 Beim Blick aufs eigene Portfolio brauchen Anleger aktuell starke Nerven. Wer sich allerdings nicht aus der Ruhe bringen lässt, erkennt in der Krise vielleicht sogar die eine oder andere Chance.

 

Illustration: Rosa Viktoria Ahlers @rosaviktoriaahlers
Illustration: Rosa Viktoria Ahlers @rosaviktoriaahlers
Julia Thiem Redaktion

Eines muss man US-Präsident Donald Trump lassen, Chaos verbreiten kann er wie kein Zweiter. Denn während frühere Krisen und Abstürze an den Börsen zwar durchaus mit dem Verhalten Einzelner zusammenhingen – Dick Fuld als letzter Chef der US-Investmentbank Lehman Brothers und Mitauslöser der Finanzkrise 2008 sei hier einmal stellvertretend genannt –, waren doch immer auch strukturelle oder systemische Risiken für den Kurssturz mitverantwortlich. Derartige Helfer braucht Trump nicht. Er schafft es ganz alleine, mit seinem Zollwahnsinn Aktienmärkte weltweit auf Talfahrt zu schicken, nur um dann kurze Zeit später mit einem klassischen „One-Eighty“ doch noch ein Fünkchen Hoffnung zu schüren. In jedem Fall haben seine bisherigen Kapriolen Anfang April an den vier wichtigsten Aktienmärkten in Europa, Japan, den USA und China binnen eines einzigen Tages rund 1,8 Billionen Euro vernichtet – und nein, das ist kein Fehler, es handelt sich sage und schreibe um eine 13-stellige Zahl. 

Ob dieser Wahnsinn System hat, darüber scheiden sich aktuell die Geister. In jedem Fall nehmen die Spekulationen zu, dass Trump die Wirtschaft mit seiner Zollpolitik und der Kommunikation drum herum absichtlich bremst. Das, so die Theorie, könnte den Druck auf die US-Notenbank Federal Reserve erhöhen, die Zinsen zu senken. In der Wirtschaftstheorie wäre das eine sogenannte „J-Kurve“ – ein schneller, kurzer Absturz mit einem anschließenden rasanten Aufwärtstrend. Auch „Insider-Trading“ wird dieser Tage immer wieder als Beweggrund in Umlauf gebracht. Denn Börsencrashs werden von professionellen Anlegern gerne als Kaufgelegenheit genutzt.

Letztendlich ist der Versuch, die Beweggründe eines Donald Trump verstehen zu wollen, aber wohl müßig. Fakt ist letztendlich nur, dass sich Anleger mit Trump an der Spitze der USA vor allem auf deutlich mehr Unsicherheiten einstellen und ihre Portfolios darauf ausrichten müssen – und zwar langfristig.
 

TIPP NUMMER EINS: KEINE PANIK


Auch deshalb raten Anlageexperten dieser Tage fast schon unisono vor allem eines: Ruhe bewahren! „Das Wichtigste während eines Markteinbruchs ist, nicht die Nerven zu verlieren. Aktienanlagen sind langfristige Investments. Während der Anlage werden Krisen und Crashs unweigerlich kommen und gehen – wer aber aus Angst verkauft, realisiert Verluste anstelle der langfristig möglichen positiven Renditen“, sagt beispielsweise Dr. Daniel Grabowski vom Investment Research der Targobank. Das sieht auch sein Kollege Jens Klatt, Marktanalyst beim Onlinebroker XTB, so. Er sagt über die ersten Reaktionen auf Trumps Zollpolitik: „Das, was wir gerade zu sehen bekommen, ist nackte Panik. Und in solch einem extremen Umfeld Positionen abzustoßen, besonders langfristige Investment-Positionen, ist nicht selten in der Vergangenheit eine ganz schlechte Entscheidung gewesen.“ Einen Beleg für diese Einschätzung liefert Klatt gleich mit. Er rechnet vor, dass die Renditen des US-amerikanischen Aktienindex S&P 500 seit 1990 in der Folge solch panischer Abstürze in den kommenden ein bis fünf folgenden Jahre durchweg positiv waren – und zwar nicht nur leicht positiv, sondern sehr. Mehr als 100 Prozent positive Rendite nach fünf Jahren waren für jene Anleger drin, die in der Krise einen kühlen Kopf bewahrt und an ihren Positionen festgehalten haben.
 

TIPP NUMMER ZWEI: LANGFRISTIG DENKEN


Solche historischen Vergleiche sind natürlich kein Garant für die Zukunft. Oder wie es in den Disclaimern der Fondsgesellschaften immer so schön heißt: Vergangene Performance ist kein Indikator für zukünftige Ergebnisse. Dennoch muss Anlegern, die einen Teil ihres Kapitals in verhältnismäßig risikoreiche Assets investieren, klar sein, dass sie einen längerfristigen Zeithorizont benötigen, damit sich ihr Engagement amortisiert. Als Oldie but Goldie veranschaulicht diese Tatsache vor allem das Renditedreieck des deutschen Aktieninstituts. Denn das ist bis auf wenige Ausnahmen immer grün, ergo liefern Aktien fast ausschließlich eine positive Rendite. Nur wer kurz vor oder in einer Krise gekauft und dann relativ schnell wieder verkauft hat, musste einen Verlust hinnehmen.
 

Das gilt im Übrigen auch für andere risikobehaftete Anlagen wie Krypto-Währungen, betont Johanna Belitz vom Krypto-ETP-Pionier Valour: „In Zeiten wie diesen ist die wichtigste Maßnahme oft, keine zu ergreifen. Es ist entscheidend, an der eigenen Strategie festzuhalten und sich nicht von kurzfristiger Panik zu langfristigen Fehlentscheidungen verleiten zu lassen. Volatilität kann unangenehm sein, ist aber Teil des Spiels – besonders bei risikobehafteten Anlagen wie Krypto.“ Belitz glaubt sogar, dass sich die Geduld der Anleger mit ihren Krypto-Assets auszahlen könnte. Denn auf die Anlageklasse wirken die Zölle nicht, und wenn die Schwankungen an den traditionellen Märkten zunehmen, könnten Anleger in der unkorrelierten Krypto-Welt eine echte Alternative finden. Belitz geht sogar noch einen Schritt weiter: „Das übergeordnete Narrativ, dass die USA sich als erste ‚Krypto-Nation‘ der Welt positionieren, bleibt bestehen – und das dürfte Start-ups und Tech-Unternehmen anziehen, was wiederum die Innovationslandschaft in den USA stärkt.“

Letztendlich ist es also eine Abwägung zwischen Chancen und Risiko. Die Quintessenz muss demnach lauten, dass Anleger nur so viel Geld in risikoreiche Anlageklassen investieren, wie sie wirklich auch langfristig entbehren können. Alles andere Kapital, auf das kurzfristiger zugegriffen werden muss, gehört in deutlich sicherere Anlageklassen oder vielleicht sogar aufs Tagesgeldkonto.

Illustration: Rosa Viktoria Ahlers @rosaviktoriaahlers
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TIPP NUMMER DREI: DIVERSIFIZIEREN


Womit wir bei einem anderen wichtigen Punkt sind: Geldanlage sollte immer breit gestreut sein. Und genau das zeigt sich auch im aktuell turbulenten Marktumfeld wieder sehr deutlich. XTB-Analyst Jens Klatt weist beispielsweise darauf hin, dass sich Anleihen in den derzeitigen Wirren als hoch attraktiv abzeichnen: „Noch ist davon nichts zu sehen, aber am Terminmarkt spielt man bereits jetzt für Ende des Jahres 2025 einen Leitzins um rund drei Prozent, was einen ganzen Prozentpunkt niedriger ist als vor rund einem Monat zur letzten FED-Leitzinsentscheidung.“ Und derart starke Rücksetzer der Zinsen würden Hand in Hand mit steigenden Anleihekursen gehen. Sprich: Ein Blick auf Anleihen – Klatt sagt, besonders die aus den USA – könnte sich lohnen. 
 Illustration: Rosa Viktoria Ahlers @rosaviktoriaahlers
 

Grundsätzlich sind auch Staatsanleihen mit guter Bonität ein Stabilitätsanker für das Portfolio, da ihre Kurse meist dann steigen, wenn es an den Aktien abwärts geht. Targobank-Experte Dr. Daniel Grabowski sieht die Renditen von Staatsanleihen derzeit auch auf einem guten Niveau. Allerdings sei zu beachten, dass im Falle einer Inflation oder Stagflation die Anleihekurse parallel zu den Aktienkursen fallen können, sagt der Experte: „Dies geschah etwa in den 1970er-Jahren sowie 2022. Die neuen US-Zölle und möglichen Gegenzölle anderer Länder wirken inflationär und können daher zu Leitzinserhöhungen und fallenden Anleihekursen führen.“

Sogar am Aktienmarkt gibt es Titel, die in Krisenzeiten relativ wertstabil sind. Ein Beispiel sind Rüstungswerte. So haben sich die Kurse der drei deutschen Rüstungskonzerne Rheinmetall, Hensoldt und Renk deutlich schneller von den Kapriolen erholt als andere Werte. Losgelöst von Weltwirtschaft oder internationalen Lieferketten produzieren zwar auch sie nicht, dennoch dürften sie mittelfristig klar vom derzeitigen politischen Fokus auf die Verteidigungspolitik profitieren. 

Und dann sind natürlich Rohstoffe immer eine gute Diversifikation im Portfolio – nicht nur in Krisenzeiten. Allerdings gilt hier: Vorsorge ist besser als Nachsorge, wie auch Grabowski noch einmal unterstreicht: „Gerade Gold sollte vor dem Aktienmarkteinbruch im Depot liegen und nicht mitten im Crash zu den dann oft höheren Preisen nachgekauft werden.“
 

TIPP NUMMER VIER: ANTI-ZYKLISCH INVESTIEREN


Hier spielt Targobank-Experte Dr. Grabowski eine weitere Investitionsregel an, die dieser Tage zugegebenermaßen etwas Mut erfordert: nicht das zu tun, was die Masse der Anleger gerade tut. Mit Blick auf Aktien kann das beispielsweise bedeuten, die aktuelle Marktphase mit

ihren niedrigen Kursen als Einstieg zu nutzen. Denn auch wenn Donald Trump eine immens große Summe an Aktienkapital mit einem Schlag vernichtet hat, lassen sich diese Werte wiederherstellen. Die Fragen, die man sich als Anleger dafür stellen muss: Braucht die Wirtschaft auch weiterhin Computerchips, Versicherungen, Infrastruktur oder Energie? Natürlich! Entsprechend können die aktuellen Kursverluste bei Titeln wie Nvidia, Allianz, Verizon oder ExxonMobil bewertet werden, die sich in Teilen sogar schon wieder erholen. Heißt konkret: Immer dann, wenn ich als Anleger an das Geschäftsmodell eines Unternehmens und dessen langfristigen Erfolg glaube, kann ich in der Regel auch guten Gewissens investieren. 

Das sieht auch Benjamin Bente, Geschäftsführer der Vates Invest GmbH, so. Er sagt, die Märkte preisen aktuell die neuen Fakten ein: „Dies geschieht crashartig, wird eher Tage als Wochen dauern – und dann finden wir uns auf einem neuen Niveau wieder.“ Mittel- bis langfristig sieht er in der aktuellen Bewegung vor allem Chancen: „Je heftiger jetzt die Aktienbewegungen nach unten sind und je größer damit die volkswirtschaftlichen Bremsspuren in den USA, umso weniger wird die US-Regierung die aktuelle Zollpolitik durchhalten können.“ Das zeige, wohin die Reise mittelfristig gehen könnte, womit wiederum neue Wachstumschancen für gut aufgestellte Unternehmen verbunden seien.

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