Mein Konto in der Hosentasche

Unsere Kolumnistin nutzt alle Vorteile des mobilen Bezahlens – sogar in der Eisdiele.
Kolumnistin Marie Fink
Kolumnistin Marie Fink
Marie Fink Redaktion

Als ich in Wellington an einem Obstsaft-Büdchen mühselig neuseeländische Dollars aus meinem Portemonnaie fingern wollte, bezahlte die junge Frau vor mir ihren Smoothie per Smartphone. So einfach, so mühelos. Das ist erst zwei Jahre her. Ich hatte das in Deutschland noch nie gesehen. Noch nicht mal an Orten, wo man schon immer mit Kreditkarten bezahlt. Dieses Erlebnis wurde allerdings noch getoppt: in Taiwan in einer Drogerie. Fassungslos schaute ich zu, wie ein Käufer seine Zahnpasta mit dem Auge bezahlte. Iriserkennung!

 

Bargeldlos bezahlen. Dort geht die Reise hin, dachte ich und fand die Tendenz sehr komfortabel. Denn wer hat nicht die unschöne Erfahrung nach einem Restaurantbesuch mit Freunden gemacht: „Nee, Kreditkarten nehm wa nich!“ Und die Kollektivfrage: „Wo ist der nächste Bargeldautomat, wer geht?“ Natürlich war das Ding immer weit weg.


Heute ist das Bezahlen einfacher geworden. Irgendwie muss man Geldscheine nicht mehr in den Händen haben, und oft wird in den Geschäften darum gebeten, dass man ohne Hartgeld auskommt, sogar bei kleinsten Summen. Das „Kleine-Summe-Schamgefühl“ mit Kreditkarte ist weg, es fühlte sich allerdings sowieso komisch an.


Doch Deutschlands Liebe zum Bargeld ist groß, die Menschen haben eine schwierige Beziehung zu mobilen Zahlsystemen. Frühere Angebote von Mobilfunkanbietern mussten mangels Erfolg wieder eingestampft werden. Doch nun, gut sechs Jahre nach dem Start und inzwischen in den meisten Ländern vertreten, ist Deutschland nach Kasachstan seit 2018 auch dabei.


Dass die nun rasantere Entwicklung dem gestiegenen Wunsch nach Kontaktlosigkeit geschuldet ist, liegt auf der Hand, genauer gesagt auf dem Handy in der Hand. Hygiene ist gut, eigentlich war sie es schon immer. Evolutionstechnisch gesehen, ist der Mensch erst mit der Hygiene älter geworden. Der Epidemiologe und Medizinhistoriker Thomas McKeown wies 1979 einen erheblichen Rückgang von Infektionskrankheiten in den letzten 200 Jahren durch Hygiene auf. Das Wort Hygiene heißt Lehre von der Verhütung von Krankheiten. Muss man alles gar nicht wissen, wenn man bei Rewe ein Weilchen an der Kasse steht und im Minutentakt beobachtet, wie viele Menschen den Pin eingeben. Sehr viele! Händewaschen ist so oder so ein Muss.


Jetzt kommen die Ja-aber-Leute. Ja, aber ich hinterlasse immer meine digitalen Spuren, gar einen Datenteppich. Das ist richtig. Doch vollkommener Datenschutz funktioniert aktuell nur, wenn man sein Smartphone überhaupt nicht nutzt. Die digitalfreundliche Umwerbung, „wenn du diesen Mantel gekauft hast, gefallen dir auch diese Schuhe“, ist vielen zur Gewohnheit geworden. Allerdings macht es Sinn, das Konto in der Hosentasche sicherheitstechnisch aufzurüsten.


Ich gehe jetzt mit meiner Freundin Regina ein Eis essen. Eine Kugel Vanille. Im Hörnchen, wie man bei uns in Köln sagt. Direkt auf die Hand. Sie zahlt mit ihrer Apple Watch. Schön verrückt, aber auch schön vernünftig. Dass wir demnächst mit unserer Sonnenbrille bezahlen können? Das ist eine andere Geschichte.  

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