E-Autos sind anders

Wenn Unternehmen ihre Flotte auf Elektrofahrzeuge umstellen, müssen sie ihre Beschäftigten mit der neuen Fahrzeugklasse vertraut machen. Dabei gibt es einiges zu beachten.

Illustration: Josephine Warfelmann
Illustration: Josephine Warfelmann
Mirko Heinemann Redaktion

Eine weit verbreitete Befürchtung kann inzwischen ausgeräumt werden: Mangelnde Reichweite ist bei modernen Elektroautos kein Thema mehr. Fahrzeuge, die für den Stadtverkehr konzipiert sind, schaffen locker 200 Kilometer Reichweite – mehr wird man dort an einem Tag kaum zurücklegen. Und neue Elektro-Dienstwagen wie der VW id.7 oder der BMW i.5 sind auf 400 bis über 600 Kilometer Reichweite ausgelegt – genug für die Überlandtour. Bundesweit gibt es bereits mehr als 70.000 öffentliche Ladepunkte für Elektrofahrzeuge. Vor dem Liegenbleiben muss man sich also kaum noch fürchten. 

Beschäftigte, die Dienstwagen nutzen, lernen eine ganz neue Fahrzeugklasse kennen. Denn aufgrund der europäischen Klimaziele und der damit verbundenen Verkehrswende setzen Firmenflotten zunehmend auf Elektrofahrzeuge. Diese unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor. So werden Elektrofahrzeuge zum Beispiel anders gestartet und betankt. Sie fahren anders, beschleunigen und bremsen anders und hören sich anders an. Deshalb ist es unbedingt notwendig, dass Fahrerinnen und Fahrer vor der Nutzung eines Elektroautos mit dessen Besonderheiten vertraut gemacht werden. Dienstwagenfahrerinnen und -fahrer sollten beim Umstieg auf ein Elektrofahrzeug durch Vorgesetzte eingewiesen werden. 

Ein zentraler Punkt ist die Verkehrssicherheit. Im Gegensatz zu Verbrennungsmotoren sind Elektrofahrzeuge nahezu geräuschlos unterwegs. Zwar erzeugen sie bei Schrittgeschwindigkeit künstliche Fahrgeräusche, um zumindest im Nahbereich gehört zu werden. Das gilt aber nur für neue Modelle. Ältere oder schneller fahrende Elektroautos werden von anderen Verkehrsteilnehmenden bei Annäherung leicht überhört oder falsch eingeschätzt. Ein erhöhtes Risiko besteht auch für Verkehrsteilnehmende mit eingeschränktem Sehvermögen. Das muss den Fahrzeugführenden immer wieder bewusst gemacht werden. 

Auch das Fahrverhalten eines Elektrofahrzeugs unterscheidet sich von dem eines Verbrenners. Elektrofahrzeuge beschleunigen sehr stark. Etwa beim Ein- und Ausparken. Und die Gefahr von Auffahrunfällen ist groß. Auch das Bremsverhalten eines Elektrofahrzeugs kann sich deutlich von dem eines Verbrenners unterscheiden. Hier spielt die so genannte Rekuperationskraft eine Rolle (siehe Kasten). Dabei wird nicht mit dem Bremspedal gebremst, sondern das Gas weggenommen, also die Bremswirkung des Motors genutzt. Auf diese Weise gewinnt der Elektromotor Energie zurück und speist sie als Strom in die Batterie ein. Die Bandbreite reicht von der Rekuperation, die fast einer Vollbremsung gleichkommt, bis zum „Segelmodus“, der sich anfühlt wie ein Auto, das im Leerlauf rollt. Die jeweilige Einstellung, gepaart mit dem richtigen Fahrverhalten, kann den Stromverbrauch und damit die Reichweite des Fahrzeugs stark beeinflussen. 

Sollte das Fahrzeug – etwa durch einen Unfall – in Brand geraten, sollte man auf keinen Fall versuchen, das Feuer selbst zu löschen, sondern sofort die Feuerwehr rufen. Ein weiterer wichtiger Aspekt bei Unfällen sind die Fahrzeugtüren. Bei einigen Modellen lässt sich die Tür von außen nur elektronisch öffnen. Das ist unter Sicherheitsaspekten fatal, etwa wenn die Insassen bewusstlos sind. Bei der Anschaffung von Elektrofahrzeugen sollte darauf geachtet werden, dass sich die Türen von außen manuell öffnen lassen.

Und, trotz der inzwischen guten Ladeinfrastruktur, ist es sinnvoll, bei langen Überlandfahrten einen Routenplaner zu verwenden, der eine möglichst aktuelle Übersicht über die Ladepunkte am Wegesrand bereitstellen kann. Eine dezidierte Routenplanung mit Ladesäulen und Ladepausen bietet etwa die Smartphone-App „A Better Routeplanner“, dem eine hohe Präzision nachgesagt wird. Angezeigt werden Ankunftszeit, Länge von Ladepausen und funktionstüchtige wie freie Ladestationen.

Vor allem für Anfänger kann man nicht oft genug betonen, wie stark bei E-Fahrzeugen die Reichweite von der Geschwindigkeit, und natürlich auch vom Fahrstil abhängt. Anders als beim Verbrennungsmotor erreicht ein E-Fahrzeug sehr früh seinen optimalen Wirkungsgrad und hält ihn weitestgehend über das gesamte Geschwindigkeitsspektrum, während ein Verbrenner erst etwa bei 80 Kilometern pro Stunde einen guten Wirkungsgrad aufweist. Das bedeutet also, dass der wirklich relevante stark beeinflussende Faktor im Praxisbetrieb der Luftwiderstand ist. Ein weiterer Faktor ist natürlich der individuelle Fahrstil: Wer ständig extrem beschleunigt und bremst, wird dadurch seine Reichweite deutlich einschränken.
 

Fachbegriffe rund um E-Fahrzeuge
 

AC/DC AC steht für den im Haushalt üblichen Wechselstrom (Alternating Current), DC für Gleichstrom (Direct Current). Batterien für Elektrofahrzeuge benötigen Gleichstrom, Wechselstrom wird entsprechend umgewandelt.

AVAS (ACOUSTIC VEHICLE ALERTING SYSTEM) E-Fahrzeuge geben bis zu einer Geschwindigkeit von 20 Stundenkilometern künstlich erzeugte Motorengeräusche von sich. Seit Juli 2019 vorgeschrieben.

KWH (KILOWATTSTUNDE): Bezeichnet die Energiemenge, also den verbrauchten Strom. Die Kapazität von E-Auto-Batterien wird in der Regel in kWh angegeben: üblich sind derzeit zwischen gut 20 kWh und 60 kWh.

LADEPUNKT & LADESÄULE Viele Ladesäulen bieten die Möglichkeit, mehrere Autos gleichzeitig aufzuladen. Man spricht dann von mehreren Ladepunkten.

REKUPERATION Motorbremswirkung des Fahrzeugs, wobei Energie zurückgewonnen wird. Dabei gilt es zu beachten, dass bei einem hohen Ladestand von über 90 Prozent des Akkus häufig keine Rekuperation erfolgt. Wichtig etwa ist zu wissen, dass es sich kaum lohnt, bei Passüberquerungen in den Alpen auf dem Gipfel vollzuladen. Im Gegenteil: Beim Bergabfahren könnte man Gefahr laufen, die Bremsen zu überhitzen.

TYP 2 UND CCS So heißen die beiden in Deutschland üblichen Steckertypen für Ladekabel. CCS steht für Combined Charging System, das den Typ 2-Stecker um Plus- und Minuskontakte für Gleichstrom ergänzt und sehr schnelles Laden ermöglicht.

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