Innovation als Existenzfrage

Der Mittelstand steht unter starkem Wandlungsdruck. Disruptive Lösungen sind gefragt.

Illustration: Napal
Illustration: Napal
Olaf Strohm Redaktion

Ein Unternehmen, in dem Innovationen hervorgebracht werden, entsteht nicht aus Zufall. Wer innovatives Denken im Unternehmen fördern will, muss auch innovative Strukturen implementieren. Das mag wie eine Binsenweisheit klingen, wird jedoch in der Praxis häufig unterschätzt. Manche Verantwortliche, gerade im Mittelstand, denken, es reiche aus, wenn sie selbst vor Ideen sprudeln. Sie wundern sich, wenn daraus in der Praxis nichts wird. Andere setzen auf die Zusammenarbeit mit externen Forschern und Entwicklern, merken jedoch nicht, dass die eigene Firmenkultur nicht anschlusskompatibel ist. Was tun?

Ein möglicher Weg bietet sich mit der Digitalisierung. Mittelständler sind durch ihre übersichtliche Größe, die oftmals hohe Spezialisierung und die strukturelle Flexibilität optimale Kandidaten, um anpassungsfähig mit neuen Technologien umzugehen. Das findet jedenfalls der Mittelstand selbst, nämlich der Bundesverband der mittelständischen Wirtschaft. „Kleinunternehmer“, so der BVMW, „sind daher grundsätzlich in der Lage, ihre Organisation umfassend umzustrukturieren und Arbeitsabläufe zügig zu verändern.“

Zugleich gibt es aber Hemmnisse, die der Digitalverband Bitkom nicht müde wird zu betonen. Da heißt es etwa, der Mittelstand arbeite allzu selten mit Start-ups zusammen, die bekanntlich besonders häufig digitale Geschäftsmodelle entwickeln. Nur 24 Prozent der Unternehmen in Deutschland kooperieren laut Bitkom mit Start-ups. Das sorgt für Unverständnis beim Bitkom-Präsidenten Achim Berg. Er weiß: „Kaum ein Unternehmen wird in Zukunft noch ohne digitales Geschäftsmodell auskommen. Gerade für den Mittelstand ist die Zusammenarbeit mit Start-ups oft der beste Weg, Zugang zu neuen Technologien und digitalen Innovationen zu bekommen. Aktiv auf Gründerinnen und Gründer zuzugehen und den Austausch zu suchen, kann dem eigenen Unternehmen starke Wettbewerbsvorteile verschaffen.“
Na dann mal los! Als Vorbild für eine innovative Firmenkultur wird allenthalben das Silicon Valley in Kalifornien herangezogen. Es gilt weltweit als Brutstätte für innovative Geschäftsideen, weil dort ein anderes Verständnis von Unternehmer und Unternehmertum herrscht. Es gehe nicht darum, alles besser zu wissen, sondern um eine Vision und die Fähigkeit, die richtigen Leute um sich zu scharen, analysierte unlängst Florian Altmann, Direktor bei der Wirtschaftsberatungsgesellschaft Deloitte. Er betonte, der deutsche Mittelstand habe bewiesen, dass er zu Innovativität in der Lage sei. Sollte es an Innovativität fehlen, liege das daran, dass der „Schmerz noch nicht groß genug“ sei, sich „disruptiv zu engagieren“.

Altmann gab das Interview vor der Corona-Pandemie, vor dem Krieg in der Ukraine, sogar vor der Verkündigung der Dekarbonisierungspläne „Fit for 55“ der Europäischen Union. Inzwischen hat der Schmerz deutlich zugenommen, wie man den Hilferufen der einschlägigen Verbände entnehmen kann. Innovativität ist nicht mehr Spielbein in Zeiten einer saturierten Weltwirtschaft, sie wird zunehmend zur Überlebensfrage für die industrielle Wirtschaft schlechthin.
Es bleibt richtig: Nicht Reform, Disruption ist gefragt! Wer es nicht schafft, Ressourcen und CO2 massiv zu reduzieren, wer seine Lieferketten nicht stabilisiert, wer bei Abhängigkeiten auf dem globalen Markt nicht auf zuverlässige Partner setzt, wird Probleme bekommen. Dass für alle diese Herausforderungen innovative Unternehmen fieberhaft an Lösungen arbeiten, dürfte sich herumgesprochen haben. Ebenso, dass diese Lösungen in der Regel auf digitalen Plattformen zu finden sind – und zudem häufig „Made in Germany“.
 

Nächster Artikel