Herr Cornefert, was ist die Idee hinter virtuellen Kraftwerken?
Das Prinzip ist recht einfach: Es gibt viele kleine, dezentrale Erzeugungseinheiten oder Verbraucher, die gebündelt wie ein großes Kraftwerk funktionieren. Unsere Aufgabe ist es, die vorhandene Flexibilität bei den Kunden ausfindig zu machen, sie zu aggregieren und anschließend an den Markt zu bringen. Denn diese Flexibilität bleibt in der Regel ungenutzt.
Was bedeutet Flexibilität in dem Kontext?
Netze sind nur dann stabil, wenn Verbrauch und Produktion im Gleichgewicht sind. Das ist insbesondere mit dem zunehmend größer werdenden Anteil an erneuerbaren Energien schwierig, die nicht so gleichmäßig produzieren wie Großkraftwerke. Unsere Rolle bei ECT ist es, dezentrale Erzeuger oder Verbraucher zu finden, die entweder Energie einspeisen, wenn es Engpässe gibt, oder aber abgestellt werden können, sollte gerade zu viel Strom im Netz sein. Den Kunden bringt diese Optimierung Kostenvorteile, den Netzen langfristig mehr Stabilität.
Herr Taylor, ohne die IT im Hintergrund wäre das nicht möglich.
Das stimmt. Die Möglichkeit, die Anlagen zu steuern, gibt es seit Jahren. Sie zu verknüpfen, gelang erst mit dem technologischen Fortschritt in der IT. Wenn Sie so wollen, sind wir beim Thema virtuelle Kraftwerke sehr nah am „Internet of Things“, an der intelligenten Vernetzung von Maschinen und Geräten.
Was meinen Sie mit „intelligenter Vernetzung“?
Gemeint ist die bereits beschriebene Grundidee eines virtuellen Kraftwerks: Strom kann entweder von verschiedenen Einheiten beigesteuert oder aber Lasten aus dem System genommen werden. Dieses Prinzip kann grundsätzlich auch für einen einzelnen Kunden funktionieren, wenn er verschiedene Erzeugungs- und Verbrauchseinheiten vor Ort optimiert. Die Technik ist letztlich dieselbe.
Herr Cornefert, werden virtuelle Kraftwerke wichtiger?
Absolut. In Deutschland ist man hier mit der Energiewende schon sehr weit. Andere Länder haben deutlich weniger erneuerbare Energien im System, kennen also die Herausforderungen für die Integration in das Netz in dem Ausmaß noch nicht. Dafür gibt es Länder wie Frankreich oder die Türkei, die im Winter an ihre Systemgrenzen stoßen und daher ein Interesse haben, die Spitzenlast mit VPP-Lösungen zu decken. Deshalb wird das Thema Dezentralität in der Energieversorgung und damit auch die Nutzung solcher Einheiten in virtuellen Kraftwerken immer weiter an Bedeutung gewinnen.
Herr Taylor, was ist die größte Herausforderung aktuell?
Vermutlich geeigneten Nachwuchs für dieses schnell wachsende, hochentwickelte Geschäftsfeld zu finden. Wir arbeiten mit neuen, innovativen Technologien, dafür brauchen wir auch Programmierer, die sich mit guten Ideen in individuelle Lösungen für unsere Geschäftskunden einbringen können.
Jean-Baptiste Cornefert; Head of Virtual Power Plants & Flexibility, E.ON Connecting Energies
William Douglas Taylor; Head of Process IT, E.ON Connecting Energies
E.ON Connecting Energies
E.ON Connecting Energies (ECT) konzipiert, finanziert, errichtet und betreibt Systeme und Anlagen für Industrie- und Gewerbekunden sowie den öffentlichen Sektor, mit denen der Energieverbrauch nachhaltig reduziert wird. 2014 wurde ein eigenes Energy Management Center in Betrieb genommen und erste Kunden erfolgreich an ein innovatives Remote-Control-System angeschlossen, die so durchschnittlich bis zu 50% Energie einsparen. Die Beteiligung an Intelligent Maintenance Systems Ltd. (IMS) ermöglicht es ECT, eine führende Rolle bei der Weiterentwicklung von Machine-to-Machine-Kommunikationslösungen und damit dem „Internet of Things“ einzunehmen.