Frau von Nasse, fast jeder Mensch kennt jemanden, der von einem Burnout betroffen ist, aber die wenigsten wissen, was das bedeutet – wie würden Sie den Begriff definieren?
Wir sprechen vom Burnout-Syndrom, also einem Bündel verschiedener Symptome. Wer von einem schweren Burnout betroffen ist, befindet sich in einem Zustand tiefer geistiger, emotionaler und körperlicher Erschöpfung ohne Möglichkeit zu regenerieren.
Als Ursache benennt die Weltgesundheitsorganisation WHO „Stress am Arbeitsplatz, der nicht erfolgreich bewältigt werden kann“ – deckt sich das mit Ihren Erfahrungen?
In den meisten Fällen liegen dem Burnout massive Probleme mit der Arbeit zugrunde, bei uns gilt das für rund zwei Drittel der Patient:innen.
Was läuft bei diesen Menschen falsch?
Manche Menschen sind sehr leistungsorientiert und perfektionistisch, sie haben hohe Ansprüche an sich und identifizieren sich sehr mit ihrem Beruf. Andere haben ein Abgrenzungsproblem, sie sagen hundertmal ja, bevor sie einmal nein sagen – bei beiden ist der Selbstwert stark angegriffen.
Wer ist besonders gefährdet?
Überrepräsentiert sind Berufe, die eine gewisse Durchsetzungsfähigkeit brauchen, das kann die Führungspersönlichkeit aus einem Unternehmen sein, aber auch die Lehrkraft, die mit einem System nicht mehr klarkommt, das sie mit 30 Kindern in der Klasse alleinlässt.
Was sind Alarmzeichen für einen beginnenden Burnout?
Am Anfang ist man immer wieder erschöpft, ohne sich wirklich erholen zu können. Man arbeitet sehr viel und ist am Wochenende nicht aktiv, sondern bleibt lieber auf der Couch. Diese Phase kann Jahre andauern, je nach individueller Stressresistenz. In der zweiten Phase kommt eine Selbstwertkrise hinzu, die Menschen sind gereizt und ziehen sich aus ihren sozialen Beziehungen zurück, Hobbys sind nur noch lästig. Familie oder Freund:innen bemerken das, aber die Betroffenen wollen es oft nicht wahrhaben. Bis bei ihnen gar nichts mehr geht – in dieser dritten Phase sehen wir sie dann in der Klinik.